"Ich bin Diaspra"//(55) Kapitel 7: Teil 2

in #deutsch5 years ago

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...

Auf Maelenars Oberfläche herrschte reges Treiben. Aus riesigen Gebäuden die wie Raffinerien auf mich wirkten stiegen helle Rauchschwaden, Frachtschiffe landeten, wurden mit Rohstoffen beladen und starteten doch das eigentlich Interessante schien sich unter der Erde zu befinden.

Überall führten Tunnel und Schächte in das Innere des Mondes, wie bei einem Ameisenhügel. Je dichter wir in die Atmosphäre des Trabanten eindrangen, desto schlechter wurde die Sicht. Zudem wurde die Pentay von starken Turbulenzen erfasst und hin und her geworfen.
Ich wunderte mich, denn von oben sah alles so ruhig und friedlich aus. Es gab keinen Hinweis darauf, dass hier unten eine Art Sturm tobte und selbst ein so großes Schiff wie die Pentay wie einen Papierflieger umherwirbeln konnte.

Balthazareon legte einen Arm um meine Schultern. „Halt dich besser fest, die Landung wird heftig. Maelenar ist für seine Sphärenstürme bekannt und zu dieser Jahreszeit sind sie oft besonders stark.“ Das brauchte er mir nicht zweimal sagen, ich hatte bereits bei der ersten Erschütterung instinktiv nach dem Geländer gegriffen.

Ich fühlte mich wie in einem Flugzeug das mitten durch eine Gewitterfront flog. Zeitweise, wenn das Geruckel zu stark wurde, schloss ich erschrocken die Augen und warf gelegentlich besorgte Blicke zu Balthazareon der es jedoch nicht zu bemerken schien.
Er sah starr aus dem Fenster und fixierte die Oberfläche von Maelenar mit entschlossenem Blick. Ihn würde nichts aufhalten, erst Recht kein holpriger Landeanflug.

Der Rest der Brückenbesatzung wirkte weniger zuversichtlich und mir fiel Besorgnis in den Gesichtern der Xeadnar auf. Es kam mir vor als wollte dieser Flug nie enden.
Obwohl wir uns dem Mond stetig näherten schienen wir dem festen, felsigem Boden noch kilometerweit entfernt. Die Gesteinsbrocken wuchsen und die Gebäude hatten mittlerweile die Größe von kleinen Spielzeugen, doch die Pentay wurde nach wie vor wild geschüttelt und die Außenhaut des alten Schiffs knarzte bedrohlich.

Nach einer gefühlten Ewigkeit ließen die Turbulenzen nach und Balthazareon wandte sich vom Panoramafenster ab. Beim Umdrehen griff er nach meiner Hand und zog mich auffordernd mit sich.
„Es ist Zeit, folge mir.“

Weitere Erklärungen gab es nicht und auf dem Weg zum Ausgang der Brücke sagte er kein einziges Wort zu mir. Auch als wir einige Gänge entlang gingen und wahrscheinlich bereits die Hälfte des Schiffes durchquert hatten, schwieg er in Gedanken versunken.
„Balthazareon?“ Fragte ich vorsichtig doch er ignorierte mich. Ich wiederholte es. Dieses Mal energischer. „Balthazareon? Ist alles in Ordnung?“

Er neigte den Kopf und kaute sichtlich nervös auf seiner Unterlippe. So hatte ich ihn zuvor noch nie erlebt. Irgendetwas schien ihn sehr zu beschäftigen und anscheinend war er sich nicht sicher, ob er seine Gedanken mit mir teilen wollte. Noch immer zog er mich mehr oder weniger stark hinter sich her und legte ein ungewohnt schnelles Tempo an den Tag. Ich nutzte diesen Umstand und versuchte die seltsame, telepathische Verbindung von meiner Seite aus aufzubauen. Wenn es ihm gelang, dann möglicherweise ja auch mir.

Große Hoffnungen machte ich mir nicht und es erschrak mich beinahe, als ich tatsächlich Signale und Eindrücke spürte. Balthazareon wirkte aufgewühlt und auch eine gewisse Form der Angst schien vorhanden.
Leider gelang es mir nicht, es vollständig zu deuten. Dafür fehlten mir Wissen und vor allem Erfahrung im Umgang mit diesem Telepathie-Zeug.

Ich biss die Zähne fest aufeinander und versuchte, mehr zu erfahren doch mit einem Ruck brach die Verbindung ab, er stoppte abrupt und betrachtete mich verärgert. „Mach das nie wieder!“
Ich blinzelte ungläubig. „Was?“ Mit einem verächtlichen Schnauben wandte er sich ab, ließ meine Hand los und bedeutete mir, ihm zu folgen.

„Weist du, wie unfair das ist?“ Konfrontierte ich ihn und verschränkte die Arme provokativ. Außerdem verlangsamte ich meine Schritte, hielt an und zwang ihn dadurch, ebenfalls stehen zu bleiben. „Sag mir was los ist, sonst bleibe ich hier!“ Er zuckte entschuldigend mit den Schulter.
„Sorry, ich wollte dich nicht so anfahren. Bitte lass uns einfach weitergehen, wir sind bald da.“
So leicht kam er mir nicht davon. Die Videobotschaft von Nathaniel fiel mir wieder ein. Hatte mein Bruder etwa doch Recht?

Verfolgte Balthazareon Pläne, von denen ich bisher nichts wusste? Wollte er Asgeanus beherrschen und ein Komplott gegen meinen Bruder schmieden? Doch welche Rolle spielte ich dabei?
Gerne würde ich all die negativen Gedanken einfach beiseite wischen und mich ganz auf die vor uns liegende neue Welt konzentrieren.
Gleich sollte ich zum ersten Mal meine Heimatwelt betreten und hatte dies noch gar nicht richtig realisiert.

Balthazareon führte mich geradewegs nach Maelenar, einem der Koloniemonde meines Volkes. Weshalb sollte er das tun, wenn er meinem Bruder schaden wollte?
Wie ich es auch drehte und wendete, irgendwie ergab in diesem Moment rein gar nichts einen Sinn. Würden wir noch heute vor Ates Loqa stehen? Konnte er mir tatsächlich helfen, die Katastrophe zu verhindern?

Nun war es Balthazareon dem es gelungen war, zumindest einen Teil meiner Gedanken zu lesen. Er verlangsamte seine Schritte und drehte sich zu mir. „Mach dir keine Sorgen, es wird alles gut. In wenigen Minuten sind wir da, dann machen wir uns auf die Suche nach Meister Loqa.“

So positiv er auch klingen wollte, ganz zu gelingen schien es ihm nicht. Er bemerkte mein Misstrauen, strich sich über die Schläfen und dachte nach. Wohl unsicher, was und vor allem wie viel er mir mitteilen sollte.
„Ich mache mir Sorgen, da hast du Recht. Maelenar ist nicht ungefährlich und es darf niemand wissen, dass du hier bist. Leicht wird das nicht, aber ich habe eine Idee. Das Wichtigste ist, dass dich keiner erkennt, andernfalls können wir uns die Suche nach Meister Loqa sparen, sie werden ihn vor uns finden.“

Wieder spürte ich, dass er die Wahrheit sagte. Hier im Caenyus-System war es wie es schien nicht notwendig, dass wir uns zum Gedankenaustausch berührten. Das musste zweifelsfrei an unserer Nähe zu Ealores liegen.

...


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