"Ich bin Diaspra"//(51) Kapitel 6: Teil 4

in #deutsch5 years ago (edited)

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...

Ich schüttelte den Kopf. Was sollte das sein?
Balthazareon wiederholte die erste Strophe. „Meine Übersetzung ist nicht die Beste, sorry. Man muss es im übertragenen Sinne sehen obwohl ich zugeben muss, dass es einigen Interpretationsspielraum bietet.“
Er fuhr mit dem Finger über den ersten Vers.

„Schau, hier geht es um die Katastrophe die nur vom Patron verhindert werden kann. Gemeint ist damit der Asteroid Ailotem, der die asgeanische Umlaufbahn in einigen Wochen kreuzt. Die Auswirkungen eines Einschlags werden detailliert beschrieben.“
Mein Blick ruhte auf der Zeile des zweiten Verses in der von Terras gesprochen wurde. „Das heißt, Terras bleibt von der vorhergesagten Katasrophe verschont?“

Balthazareon grübelte. „Möglich, aber das ist wie gesagt nur eine alte Prophezeiung. Darauf verlassen sollten wir uns nicht. Die Ynaer'i-Berechnungen haben eindeutig ergeben, dass Ailotem Asgeanus kreuzen wird. Sollte es zu einem Einschlag kommen ist davon auszugehen, dass auch der Rest des Caenyus-Systems von den Folgen betroffen ist. Dass du rechtzeitig und vor allem unversehrt vor Ort bist, ist daher von allerhöchster Wichtigkeit. Das geht auch ganz eindeutig aus der zweiten Strophe hervor, da.“
Er zeigte auf die letzten Zeilen des zweiten Verses.

„Der Patron wird Frieden spenden, Caenyus überdauert all. Die Bedeutung ist klar, du wirst Ailotem mit Hilfe von Ealores umlenken, wie es bereits mehrfach zuvor in der Geschichte von Asgeanus getan wurde. Aber was ich dir eigentlich zeigen wollte...“
Sein Finger ruhte auf dem dritten Vers.

„In der Prophezeiung ist gleich zweimal von Feuer die Rede. Einmal in der zweiten Strophe und einmal hier. Leider weiß bis heute niemand, was die dritte Strophe bedeuten soll, es ergibt einfach keinen Sinn.“
Ich überflog die Kryptischen Worte noch einmal und ließ es mir von Balthazareon erneut übersetzen.

„Was bedeutet Verath und Merall?“ Fragte ich schließlich. Diese Begriffe hatte ich noch nie gehört und offensichtlich gab es kein entsprechendes Wort womit man es übersetzen konnte.

„Verath und Merall sind Figuren aus einer Ynaer'i-Legende. So ähnlich wie David und Goliath oder Adam und Eva, vielleicht kannst du es dir darunter besser vorstellen. Verath und Merall – so sagt man zumindest – standen sich einst auf dem Schlachtfeld gegenüber.
Jeder von ihnen führte ein gigantisches Herr hunderttausender Soldaten an und inmitten der Hevat-Ebene sollte es zum alles entscheidenden Kampf kommen. Zu dieser Zeit soll Asgeanus aus zwei Hälften bestanden haben. Im Süden lebte Merall mit ihrem Volk, den Ytrak, im Norden herrschte Verath über die Kormog.
Laut der Überlieferung kam es in exakt diesem Moment zu einer Invasion einer bis dato unbekannten Spezies. Mit stählernen Festungen sollen sie hinab geschwebt und auf Asgeanus gelandet sein, wo sie sofort angriffen und alles was sich bewegte töteten.
Es heißt, dass Verath und Merall ihre Kampfhandlungen stoppten, von da an Seite an Seite gegen die Eindringlinge ins Feld zogen und Asgeanus nur dadurch retten konnten. Die Geschichte ist lang und alles weiß ich nicht mehr, aber wenn du willst suche ich dir das Buch darüber heraus.“

Er schob das Lexikon zur Seite und sein Blick streifte noch einmal meine Hand. „Das alles ist nichts weiter als ein altes Märchen für Kinder. Doch die häufige Erwähnung des Feuers in der Prophezeiung macht mich stutzig.“
Ich verstand was er meinte. Zwar hatte ich diese seltsame Prophezeiung heute zum ersten Mal gehört, doch vielleicht hatte der Xeadnar-Schmuck tatsächlich irgendetwas damit zu tun. Vielleicht war der Ring das besagte Feuer.

Möglicherweise konnte er mir helfen, den Asteroiden auf eine andere Bahn zu lenken. Balthazareon schien ähnliche Gedanken zu haben. Doch er kannte die Ynaer'i-Prophezeiungen bedeutend besser und es fiel ihm sicher einfacher, sie zu interpretieren.
Für mich war alles noch neu und undurchsichtig.

Gedankenverloren spielte ich an meinem Ring und versuchte noch einmal, ihn abzunehmen. Es war als würde eine unsichtbare Barriere verhindern, dass ich ihn von meinem Finger entfernte. Konnte ein Stern mich wirklich zu irgendetwas zwingen?

Ich kam mir furchtbar bescheuert vor, allein weil ich diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zog. Doch es musste einen Grund haben, dass ich den Ring nicht mehr ablegen konnte. Balthazareon hatte es ebenfalls versucht und auch ihm gelang es nicht.
Er konnte also nichts dafür und für einen einfachen Scherz trug ich ihn bereits zu lange. Hätte er mir einen Streich spielen wollen, dann hätte er diesen mit Sicherheit schon längst aufgelöst.

„Übrigens solltest du deinen Vater nach diesen Dingen fragen, Caemor ist ein großer Anhänger der alten Überlieferungen. Er interessiert sich für alles was irgendwann einmal niedergeschrieben wurde und kann dir sicher mehr dazu erzählen als ich.“
Balthazareon unterbrach meinen Gedankengang und klappte das Buch zu.

„Nun aber genug von diesen Märchen. Du solltest dich noch ein bisschen ausruhen.“ Er brachte das ledergebundene Objekt zurück an seinen Platz und kam mit einem kleineren Taschenbuch zurück.

„Das ist die Geschichte von Verath und Merall, wenn du Lust hast darfst du sie gern lesen. Es war früher mein Lieblingsbuch, dein Vater hat es Nathaniel und mir oft vorgelesen. Es gibt noch einen zweiten Teil, aber der ist neuer und hat ein trauriges Ende. Für Kinder ist das nicht so schön, du kannst ihn dir aber gern aus meinem Schrank holen.“

Nach ausruhen war mir in diesem Moment nicht zumute. Ich hätte lieber noch weiter mit Balthazareon gesprochen, all diese Dinge faszinieren mich erstaunlicherweise.
Doch vielleicht hatte er Recht, ich fühlte mich noch immer ein wenig schlapp und es könnte nicht schaden, mich eine Weile hinzulegen. Ich streckte mich und ließ mich in die weichen Kissen sinken.

Dass Balthazareon mir sein Quartier zur Verfügung stellte war sehr lieb, ich hätte nicht damit gerechnet. Auch wenn ich mich wunderte, wo er schlief, solange ich sein Zimmer in Beschlag nahm. War er extra in eine der kleinen Kabinen auf dem Gang gezogen?

...


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