"Ich bin Diaspra"//(24) Kapitel 3: Teil 2

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Wo sollte ich bloß anfangen?
Nach einer gefühlten Ewigkeit des Suchens hörte ich zwischen all dem Lärm plötzlich eine mir bekannte Stimme, blieb stehen und blickte mich aufmerksam um.
Jemand hatte meinen Namen gerufen, da war ich mir sicher.

„Celiné, hier bin ich!“ Da war es wieder! Ich drehte mich langsam und blickte konzentriert in die Menge. Dann sah ich sie endlich.
Etwa 10 Meter von mir entfernt stand Mirabella, meine beste Freundin auf Aeles Heaven und winkte mir fröhlich zu, während sie versuchte, sich durch die herumstehenden Menschen zu kämpfen.

Außer Atem stolperte sie über eine der vielen Liegen, zwängte sich an einigen herumsitzenden Männern vorbei und kam schließlich schnaufend vor mir zum Stehen.
„Ich bin so froh, dass es dir gut geht! Jack ist auch hier, unsere Liegen stehen drüben an der Wand. Komm mit, dort ist es ruhiger!“

Sie nahm meine Hand und zog mich mit sich durch die Menschenmassen. Mehrfach musste ich über umherliegende Gegenstände steigen und der ein oder anderen Person ein entschuldigendes Lächeln zuwerfen, wenn Mirabella sie unsanft anrempelte und uns den Weg freikämpfte.

„Sag mal, wie macht ihr das hier eigentlich mit dem Duschen?“ Entfuhr es mir. Es war zwar sehr warm hier drinnen und etwas frische Luft hätte auch nicht geschadet, doch es roch nicht nach Schweiß oder ungewaschenen Menschen. Das wunderte mich in diesem Chaos.
Mirabella verlangsamte ihre Schritte, runzelte die Stirn und blickte mich mit ihren dunklen Augen an, als sollte sie einem Kleinkind erklären, weshalb es nicht auf die heiße Herdplatte fassen darf.

„Die Immortal verfügt selbstverständlich über sanitäre Anlagen, die wir nutzen können. Aufgrund der vielen Leute steht man zwar eine Weile an, doch einmal täglich duschen ist durchaus machbar.“ Sie blickte an sich herunter. „Nur das mit dem Waschen der Kleidung ist etwas komplizierter. Wir haben ja kaum etwas zum Wechseln dabei.“

Ich verstand was sie meinte. Auf ihrer Jeans klebte getrockneter Dreck, ihre Schuhe, die ursprünglich wohl gelb gewesen sein könnten, hatten eine matschig grau-braune Färbung angenommen und ihr grünes Sweatshirt war an den Ärmeln kaputt und hatte beim Essen einige Spritzer Sauce abbekommen.
Im Vergleich zu vielen anderen hier im Frachtdeck hatte sie, die hübsche Brasilianerin, es jedoch noch gut getroffen. Ihr von Natur aus krauses Haar wirkte trotz allem gepflegt und ihre Kleidung schien weitestgehend intakt. So viel Glück hatten nicht alle.

„Mach dir keine Sorgen.“ Munterte ich sie auf. „Ich habe so viele Kleider in meinem Schrank, da darfst du gerne welche abhaben. Wir haben ähnliche Größen, sie sollten dir also passen.“
Sie strahlte, aber wurde nachdenklich. „Das ist super lieb von dir, aber ich glaube nicht, dass es angemessen wäre, wenn ich Ynaer'i Kleider trage. Erst recht nicht die der Ynaer'i Prinzessin. Ich fürchte, das würde dein Volk brüskieren.“

Möglicherweise hatte sie damit Recht, mein Vorschlag war zwar lieb gemeint, könnte allerdings unangenehme Situationen nach sich ziehen.
Da es die Ynaer'i mit der Kleiderordnung sehr genau nahmen wäre es wohl tatsächlich nicht klug, Mirabella etwas aus meinem Schrank zu überlassen. Doch sicher könnten wir hier auf der Immortal irgendwo etwas Passendes auftreiben. Ich würde später mit Nathaniel darüber sprechen und ihm die Problematik schildern.

Wir erreichten den Rand des Frachtdecks. Auch die Plätze an der Wand waren restlos zugestellt. Es gab nicht einen Zentimeter, auf dem kein Feldbett stand oder nichts herumlag.
Mirabella wies auf eine Stelle, nur wenige Meter von uns entfernt. Sie brauchte nichts weiter zu sagen, ich hatte Jack bereits entdeckt und versuchte, mir meine Freude nicht übermäßig anmerken zu lassen und weiterhin möglichst neutral zu schauen.
Mir das Lächeln zu verkneifen war nicht einfach. Jack saß an der Wand gelehnt, ein Buch lesend, auf dem Boden. Seine geheimnisvollen, türkisen Augen wanderten dabei langsam hin und her und sein gewelltes Haar fiel ihm ins Gesicht, doch er ließ es achtlos hängen, scheinbar in Gedanken versunken.

Er sah toll aus. Genau wie damals, als ich ihn auf Aeles Heaven zum ersten Mal gesehen hatte. Wieder wollte sich ein Grinsen auf meinem Gesicht breit machen doch auch dieses Mal gelang es mir, einigermaßen cool zu bleiben. Mirabella war es allerdings nicht entgangen.
Meine beste Freundin ließ sich nicht so leicht täuschen, dafür kannten wir uns zu gut. „Na los, nun geh schon.“ flüsterte sie mir zu und zwinkerte.

Sie hatte Recht. Ich sollte mich nicht wie ein verknallter Teenager aufführen, immerhin kannte ich Jack nun schon eine ganze Weile und wir waren sogar das ein oder andere Mal aus. Ich würde es nicht als Date bezeichnen, doch normale Treffen unter Freunden waren es auch nicht...
Während ich noch grübelte, wie ich meine Beziehung zu Jack am besten bezeichnen sollte, sah er von seinem Buch auf, entdeckte mich und nickte mir zu.

„Celiné, schön dass du hier bist. Gut siehst du aus, die Ynaer'i scheinen sich um alles zu kümmern. Setz dich doch zu uns, Mirabella und ich haben uns hier eine kleine Ecke hergerichtet, die nicht mitten im Transitbereich liegt. Dadurch haben wir ein wenig mehr Ruhe als die, die sich einen Platz mitten im Raum gesucht haben.“

Mirabella und ich setzten uns auf ihr Feldbett. Die nächsten Minuten war ich damit beschäftigt, den beiden alles zu erzählen, was in den letzten Tagen geschehen war. Angefangen damit dass ich einen Bruder hatte, der aktuell die Immortal befehligte, bis hin zu meinem wunderschönen Quartier, dass ich ihnen unbedingt einmal zeigen wollte. Auch meinen Besuch im Maschinenraum verschwieg ich nicht.

Ich versuchte zu rekapitulieren was Thalus mir über das Schwarze Loch, von dem die Immortal angetrieben wird, beigebracht hatte. Etwas holprig gelang es mir, das Gelernte zu wiederholen und meinen Freunden von dieser unglaublichen Erfahrung zu berichten.

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