"Ich bin Diaspra"//(48) Kapitel 6: Teil 1

in #deutsch6 years ago (edited)

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• Kapitel 6 – Einstein-Rosen-Brücken •

Levayes sah auch am nächsten Tag wieder nach mir. Es folgte die gleiche Prozedur wie gestern, erneut scannte sie mich mit ihrem Miniaturcomputer und nickte zufrieden.
„Wenn es so weiter geht, dann sind sie bald wieder vollkommen gesund. Die Naniten arbeiten hervorragend.“ Während Sie den Vorgang beendete, blinzelte sie mir verschwörerisch zu.
Ich verstand es und grinste breit.

Balthazareon stand genau wie am Vortag daneben und ließ uns nicht aus den Augen. Heute aber erschien es mir eher störend, beinahe schon aufdringlich. Nathaniels Worte schossen mir durch den Kopf: „Balthazareon ist so erbarmungslos wie intelligent...“.
Nachdenklich betrachtete ich ihn und kam ins Zweifeln, ob mein Bruder wirklich Recht haben konnte. Balthazareon wirkte keineswegs wie ein erbarmungsloser, herrschsüchtiger Stratege auf mich. Eher schien er ehrlich besorgt um mein Befinden.

Plötzlich drehte er seinen Kopf und starrte mich an. Unsere Blicken trafen sich und ich hielt einen Moment stand, bevor ich unsicher zu Boden sah. Hoffentlich hatte er nichts bemerkt!
Diese Sekunde hatte gereicht um weitere Bedenken in mir zu säen. Balthazareon wirkte ruhig und ein Stück weit melancholisch, so wie immer. Sah so ein Verräter aus?
War er überhaupt ein Verräter, wenn er im Sinne seines Volkes handeln wollte?

Nach wie vor befanden sich die Xeadnar im Konflikt mit den Ynaer'i. Weshalb sollte Balthazareon über Asgeanus herrschen wollen, der Heimat meines Volkes?
Wie ich es auch drehte und wendete, es ergab für mich keinen Sinn. Meine Unsicherheit war ihm nicht entgangen.
Fragend sah er mich an und neigte den Kopf leicht zur Seite.
„Ist alles in Ordnung bei dir?“

Levayes schaltete sich ein. „Machen Sie sich keine Sorgen, der Prinzessin geht es gut.“ Ganz zufrieden schien Balthazareon mit dieser Antwort nicht zu sein, doch er bedankte sich höflich bei der Ynaer'i-Ärztin und wartete schweigend, bis sie sich verabschiedete und das Quartier verließ. Dann schob er den Stuhl zurück und setzte sich neben mich auf die Bettkante.

„Ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt. Was ist los?“ Seine türkisen Augen ruhten sorgenvoll auf mir und er griff aufmunternd nach meiner Hand. Ich schluckte heftig. Wie gerne würde ich ihm von allem erzählen! Doch wenn Nathaniel richtig lag, musste ich exakt das um jeden Preis vermeiden! Scheu wandte ich meinen Blick erneut von ihm ab.

„Nein...“ Wie sollte ich es ihm bloß erklären? „Es ist nur... Ich weiß nicht ob ich das kann.“
Das war nicht einmal gelogen. Unbestreitbar befand ich mich im Zwiespalt. Wie gerne wäre ich die Prinzessin der Ynaer'i und würde Asgeanus in all seiner Schönheit kennenlernen.
Gleichzeitig aber war ich mir nicht sicher, ob ich wahrhaftig in der Lage war, den Asteroideneinschlag zu verhindern. Ich wusste praktisch nichts, wie sollte ich in so kurzer Zeit lernen, die Energie des Sterns zu kontrollieren? Was würde passieren, wenn ich versagte?

„Mach dir keine Sorgen, Diaspra.“ Balthazareon fühlte meine Angst. „Ich bringe dich nicht ohne Grund nach Maelenar. Eigentlich wollte ich es dir erst später sagen aber ich möchte nicht dass du vor lauter Selbstzweifeln all die wichtigen Dinge die vor dir liegen vergisst.“

Er drückte meine Hand fester. „Es gibt jemanden auf Maelenar, der dir helfen wird. Nathaniel weiß nichts davon und es ist wichtig, dass dieses Wissen dieses Quartier nicht verlässt...“
In meinem Kopf tauchten die Bilder eines alten Mannes auf, der freundlich lächelnd auf einer Steinbank saß und spielende Kinder auf einem Feld beobachtete. Offensichtlich war dies wieder eine von Balthazareons Erinnerungen.

Dann sah ich den alten Mann in einem kleinen Häuschen an einer großen Tafel stehen, die er mit Kreide beschrieb. Er trug einen grasgrünen Umhang und hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit den Mönchen, die ich aus Tibet kannte.
Das Haus war voll gestellt mit kleinen Bänken auf denen die Kinder die eben noch draußen gespielt hatten nun saßen. Auch sie trugen mönchsartige Umhänge, allerdings in einem hellen Grau. Ein Gefühl der Zufriedenheit und Wärme überkam mich, es schien als hätte Balthazareon diesen Ort sehr gemocht.

„Das ist Ates Loqa. Er ist einer der letzten großen Meister von Thaemyar und hat mir alles beigebracht was ich heute über Ealores, das Caenyus-System und die Telepathie weiß.“
Neue Bilder tauchten in meinem Kopf auf, dieses Mal jedoch nicht angenehm und harmonisch, sondern erschreckend und gruselig. Ich sah Raumschiffe die im Orbit eines blau schimmernden Planeten umherkreisten. Es war eine riesige Flotte und kein Einziges der Schiffe kam mir bekannt vor. Offenbar waren es weder Ynaer'i-, noch Xeadnar-Schiffe.

Dann begann der Himmel zu leuchten und weitere Schiffe kamen hinzu. Allesamt von der Größe der Immortal und unverkennar zur Ynaer'i-Flotte gehörig.
Im nächsten Moment luden sie ihre Waffen und beschossen die Oberfläche des Planeten. Kleinere Schiffe starteten von verschiedenen Punkten und verstreuten sich eilig im Weltall um nicht von den Laserstrahlen der angreifenden Flotten erfasst zu werden.

Bald zogen sich tiefe Risse durch die Landmassen und das eben noch ruhig schimmernde Meer überflutete alles, was die Invasion überstanden hatte. Mittendrin, flog die Pentay. Ich erkannte sie nicht, aber wusste instinktiv, dass der Xeadnar-Kreuzer sich ebenfalls im Orbit befand.

Erneut sah ich eine Szene aus Balthazareons Perspektive. Er spiegelte sich in einem der Fenster des damals noch intakten Schiffes und blickte hinauf zu dem alten Mann, der ihm beruhigend die Hand auf die Schulter legte.

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