"Ich bin Diaspra"//(26) Kapitel 3: Teil 4

in #deutsch6 years ago (edited)

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...

Den Grund für seinen Unmut sollte ich kurz darauf erfahren. Mit strengem Blick fuhr er sich durchs Haar und atmete hörbar aus. „Hast du mir nicht etwas zu sagen?“
In diesem Moment schossen mir mehrere Gedanken gleichzeitig durch den Kopf.
Mist! Er hatte mich erwischt! Doch was habe ich erwartet?

Es war klar, dass er von meinem Ausflug erfahren hatte, immerhin weis das Schiff genau darüber Bescheid, wer sich an welcher Position befindet und zu denken, mein Alleingang wäre unentdeckt geblieben, war wirklich naiv.
Aber er musste doch verstehen, dass ich meine Freunde sehen wollte...
Neben diesem Ärger über mich selbst kamen Schuldgefühle in mir hoch. Ich hatte ihn hintergangen und sein Verbot missachtet obwohl ich versprochen hatte, mich an seine Anweisungen zu halten. Er hat allen Grund dazu, wütend auf mich zu sein...

„Es tut mir Leid...“ Stammelte ich mit einem furchtbar schlechtem Gewissen. „Ich hätte nicht ohne Erlaubnis zum Frachtdeck gehen dürfen, aber ich wollte doch nur zu Mirabella und Jack.“
Nathaniels Ausdruck blieb hart. Wortlos begann er zu essen ohne auf meine Entschuldigung einzugehen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und bereits mehrfachem Nachschlag seufzte er.

„Kleine Schwester, es lässt sich nicht leugnen, dass wir miteinander verwandt sind, das muss ich mir eingestehen.“ Kurz bildete ich mir ein, ein kleines Lächeln über sein Gesicht huschen zu sehen, doch sofort wurde er wieder ernst.
„Doch meinst du, ich habe dir umsonst Verboten zu den Menschen zu gehen? Erinnerst du dich an mein Gespräch mit unseren Eltern von dem ich dir gestern erzählt habe?“

Er stockte einen Moment und sah mich forschend an. Selbstverständlich konnte ich mich daran erinnern, doch seine Frage erschien mir rein rhetorisch. Es schien nicht so, als erwartete er darauf eine Antwort, also schwieg ich.

„Ich bin für die Sicherheit dieses Schiffes, der Flotte und dir zuständig. Ich treffe Entscheidungen aus berechtigten Gründen. Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen um dich nicht zu beunruhigen, doch du lässt mir keine Wahl. Auf Asgeanus gibt es konkrete Anhaltspunkte für unautorisierte Bewegungen im Hyperraum, nicht weit von unserem geplanten Kurs.
Aktuell können wir nicht Einstufen ob diese eine Bedrohung für uns darstellen doch vorsichtshalber werde ich veranlassen, den Kurs zu ändern bis mir genauere Informationen bekannt sind. Vater selbst – und das ist selten – warnte mich davor und bat darum, die Sache mit höchster Sorgfalt zu behandeln und die Sicherheitsvorkehrungen zu deinem Schutz zu verstärken. Wir können nicht ausschließen, dass wir Spione an Bord haben die unsere geplante Reiseroute an die Rebellen verraten haben.
Der Kurs war streng geheim, niemand außer unseren Eltern und mir wusste bis gestern davon. Erst nach unserer Abreise wurde er auf die Schiffssysteme übertragen und ist seit dem über den Computer abrufbar.“

Wieder machte er eine Pause. Dieses Mal um mir die Chance zu geben, sein eben Gesagtes zu verstehen. Hätte er mit seiner Befürchtung Recht, dann hieße das...
„Das wir jemanden an Bord haben, der sensible Details an unsere Feinde weitergibt.“ Er beendete meinen Gedankengang, ergänzte allerdings: „Noch ist es zu früh um konkrete Vorhersagen zu treffen, es kann sich auch um ein uns zufällig nahekommendes Schiff handeln.
Auf Asgeanus setzt man alles daran, die Angelegenheit aufzuklären uns in Erfahrung zu bringen, um wen es sich dabei handelt. Sicher wissen wir, dass es kein Ynaer'i Schiff ist, doch wir sind nicht die einzigen die in unserem oder den Nachbarsystemen leben. Einige Spezies sind uns wie die Sphynx wohlgesonnen, andere nicht. Doch das wirst du noch früh genug erfahren.“

Ich wusste, dass er mich mit diesen Worten beruhigen wollte, doch sein permanentes „Ich sage es dir später.“ trug nicht unbedingt dazu bei, dass ich mich mit all dem Besser fühlte. Weshalb redete er nicht von Anfang an Klartext? Vertraute mein Bruder mir so wenig oder hielt er mich für so unklug, dass es ein Risiko wäre, sein Wissen mit mir zu teilen?

Versöhnlich hielt er mir einen Teller mit getrockneten Feigen hin. „Nimm noch etwas Nachtisch, es wäre sonst schade um das gute Essen. Wie war es eigentlich auf dem Frachtdeckt? Hast du deine Freunde gefunden?“
Irritiert sah ich ihn an.
Er bemerkte es und konnte sich ein schnelles Grinsen nicht verkneifen. Wahrscheinlich wusste er genau, dass ich mit einer Strafpredigt, nicht aber mit interessierten Fragen gerechnet hatte.

Zögernd erzählte ich ihn von meinem Besuch und dem Treffen mit Mirabella und Jack. Erst bruchstückhaft, dann als ich merkte, dass er nicht mit mir schimpfen wollte, mutiger und im Detail. Sogar die Problematik mit Mirabellas Kleidung konnte ich ansprechen und zu meinem Erstaunen war er bereit, etwas Neues für sie organisieren zu lassen.
Hatte ich Nathaniel vollkommen falsch eingeschätzt?

Vielleicht hatte er doch nichts gegen meine Freunde. Er lauschte meinem Bericht und ließ sich die ein oder andere Anekdote von Aeles Heaven erzählen. Er wollte alles wissen. Woher ich Mirabella und Jack kannte, wie sie mit der Unterbringung auf der Immortal zufrieden sind, was genau wir auf der Erde bereits zusammen erlebt haben und warum genau ich Jack gut fand. Offenbar war es selbst ihm nicht entgangen.

Doch wenn ich meinem Bruder nicht von meiner Schwärmerei erzählen konnte, wem dann? Waren Geschwister nicht für genau solche Dinge da?

Ich erzählte ihm, wie ich den damaligen Polizisten auf dem Heimweg von einer Veranstaltung kennengelernt hatte und dass er mir sofort aufgefallen war.
Er bot mir an, mich auf dem Weg nach hause zu begleiten, da man so spät am Abend nie wissen konnte, was für Personen einen in der Dunkelheit begegnen würden. Anfangs war ich selbstverständlich skeptisch, doch als er mir seine Dienstmarke und seinen Ausweis zur Verifizierung zeigte, glaubte ich ihm und wir gingen ein Stück weit zusammen.

Dabei unterhielten wir uns über alles mögliche. Angefangen beim Thema Wissenschaft, über Politik, Aeles Heaven im Allgemeinen und natürlich unseren Hobbies.
Schnell stellten wir fest, dass wir ähnliche Interessen haben und vielleicht einmal zusammen trainieren gehen könnten. Einige Wochen später setzten wir diesen Plan in die Tat um und ich lernte Mirabella aus dem Sportverein kennen.
Jack und Mirabella trainieren schon eine ganze Weile im gleichen Verein und hatten auch schon ein paar Worte gewechselt, doch so richtig intensiv unterhalten hatten auch die beiden sich vorher nicht.

Der Abend endete damit, dass wir zu dritt in einer Pizzeria versackten und uns bis in die Morgenstunden köstlich amüsierten. Damals waren wir alle drei noch relativ neu auf Aeles Heaven und auf der Suche nach Anschluss.

...


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