"Ich bin Diaspra"//(20) Kapitel 2: Teil 5

in #deutsch6 years ago (edited)

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...

Ich nahm den kleinen Block in die Hand und hielt ihn ins Licht einer der fluoreszierenden Röhren die den Raum erhellten.
Tatsächlich war er erstaunlich leicht und fühlte sich gar nicht hart und kalt an, wie ich es eigentlich erwartet hätte. Viel mehr hatte ich das Gefühl, ein Stück geschliffenes und poliertes Holz in den Händen zu halten.
„Aber ist Alachmit nicht sehr teuer, wenn es so einmalig ist?“

Thalus hatte mein Interesse für das Alachmit nun endgültig geweckt und ich bildete mir kurzzeitig ein, dass er genau das erreichen wollte um seine Erläuterungen mit großer Begeisterung noch weiter fortführen zu können.
„Ja und Nein.“ Begann er und überlegte.
„Es ist für uns Ynaer'i nicht leicht, es nach menschlichem Verständnis zu erklären...“ Er stockte kurz und sah mich entschuldigend an.

„Es tut mir leid, ich wollte dich nicht als Mensch beleidigen. Wir Ynaer'i haben eine vollkommen andere Wertevorstellung, das weist du sicher bereits. Für uns ist das Alachmit aktuell unverzichtbar für unser Raumfahrtprogramm, das heißt jedoch nicht, dass wir es anderen Ynaer'i vorenthalten wollen, da unser System über ausreichend große Vorkommen verfügt um für die nächsten 20.000 Jahre vorsorgen zu können, auch wenn wir es außerhalb der Raumfahrt einsetzen.
Wir sind uns aber sicher, dass es bis dahin gar nicht mehr benötigt wird um Ynaer'i Schiffe anzutreiben, weil unsere Wissenschaft selbstverständlich rasante Fortschritte macht und wir immer bessere Technologien entwickeln.
Für uns ist das Alachmit daher ein Geschenk Ealores, dass wir dankend annehmen und immer dann verwenden, wenn es uns nützlich erscheint. Glücklicherweise bietet uns Caenyus alles, was wir zum Leben und Forschen benötigen. Ressourcenkonflikte sind uns deshalb vollkommen fremd.“

Ich drehte das Alachmit in den Händen und Strich mit dem Zeigefinger über die spiegelglatte Oberfläche. Nicht die winzigste Erhebung war zu spüren und ich konnte mir gut vorstellen, dass künstlerisch begabte Ynaer'i damit sehr dekorative Dinge herstellen konnten.
Es erstaunte mich aber ein wenig, dass jemand wie Thalus, den ich nach all seinen Erzählungen eher als einen leicht verrückten, aber super netten Technik-Nerd einschätzen würde, in seiner Freizeit mit Alachmit bastelte und ein gesamtes Schachspiel bauen wollte.

Gerne hätte ich ihn gefragt ob die Ynaer'i noch weitere menschliche Spiele kannten und mochten, denn Schach war ja auch auf der Erde sehr bekannt und beliebt, doch Thalus wurde plötzlich hektisch und sah auf das Edae, dass er genau wie alle anderen am Arm trug.
„Schon so spät? Oh Mist, ich hatte Malinea versprochen, ihren Projektor noch vor dem Mittag zu überprüfen. Sie meinte, sie hat Probleme mit den Hologrammen. Wir sollten zurückgehen und sie nicht unnütz warten lassen.“

Ich warf noch einen kurzen Blick auf den Singularitätskern, dann folgte ich Thalus zurück in Richtung Fahrstuhl. Nachdem wir die Stahltür passiert hatten, verriegelte er sie ebenso umständlich wie er sie zuvor geöffnet hatte. Mit einem weiteren, langen und komplizierten Zahlencode.

Wir machten uns auf den Weg zur Brücke. Zurück durch all die Gänge und Fahrstühle, die wir bereits zuvor verwendet haben.
Viel besser kannte ich mich nach diesem Ausflug zwar nicht auf der Immortal aus, doch ich hoffte, dass sich dies im Laufe der Zeit ändern würde. Immerhin sollte ich die nächsten Wochen erst einmal auf diesem Schiff verbringen und irgendwann musste ich mich hier zurechtfinden.

Thalus hatte es eilig und wir bewegten uns schnell über die verschiedenen Decks des Schiffs. Dabei liefen wir den Großteil der Strecke schweigend nebeneinander her. Es kostete mich schon einige Anstrengung, überhaupt mir ihm Schritt zu halten. Zusätzliches Reden hätte diesen Umstand bloß noch verstärkt.

Auf der Brücke wurden wir – oder besser Thalus, bereits von Malinea erwartet. Offenbar brauchte sie tatsächlich dringend seine Hilfe mit einem ihrer technischen Geräte.
Entschuldigend nickte Thalus mir zu, während er ihr zu ihrem Arbeitsplatz folgte. „Wenn du willst, können wir uns gerne später noch ein bisschen weiter unterhalten.“
Bevor ich ihm antworten oder mich für die Führung zum Maschinendeck bedanken konnte, fuhr Nathaniel, der sich unbemerkt genähert hatte, ihn an.

„Thalus, darf ich dich an die Etikette erinnern? Was fällt dir ein, die Prinzessin so respektlos zu behandeln? Sprich sie in Zukunft bitte standesgemäß mit „eure Hoheit“ an!“
Theatralisch schüttelte er den Kopf. Etwas übertrieben für meinen Geschmack, diese Rüge hätte nicht sein müssen. Mir machte es nichts aus, wenn man mich normal, wie alle anderen auch, behandelte. Im Gegenteil, ich fand es sogar sehr angenehm, dass Thalus im Gegensatz zu den anderen nicht so einen Aufriss um korrekte Ansprachen oder Verhaltensregeln machte.

Passte ein Besuch im Maschinenraum zur Tagesplanung einer Prinzessin? Ich denke nicht und entschied, Nathaniel nichts von unserem Ausflug zu erzählen. Das würde wahrscheinlich bloß neuen Ärger heraufbeschwören. Mein Bruder war, soviel wusste ich bereits, sehr Bedacht auf Traditionen, Ynaer'i-Gepflogenheiten und legte großen Wert auf die Einhaltung der ordnungsgemäßen Anreden.

„Kleine Schwester, es tut mir wirklich leid, dass du mit solch fehlendem Respekt behandelt wurdest. Sei dir gewiss, dies wird in Zukunft nicht wieder vorkommen.“

Ich wollte etwas erwidern und Thalus in Schutz nehmen, doch Nathaniel hatte mich bereits am Arm gepackt und schob mich vorsichtig aber bestimmt in Richtung Fahrstuhl.
„Wir sollten uns an einem ruhigeren Ort unterhalten. Ich habe Neuigkeiten von Asgeanus, lass uns in mein Quartier gehen, ich möchte dir etwas zeigen.“

...


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