"Ich bin Diaspra"//(14) Kapitel 1: Teil 9
Nathaniels Kabine schien der meinen identisch. Lediglich spiegelverkehrt, wie ich feststellte, als er die Tür öffnete, mich förmlich begrüßte und Danaemes anwies, uns allein zu lassen.
Ich folgte ihm ins Innere und bemerkte, dass auch die Einrichtung meiner glich. Wir ließen uns an seinem Tisch, auf dem bereits allerlei Delikatessen von denen ich einige von der Erde kannte, andere mir hingegen völlig fremd erschienen, angerichtet waren, nieder.
„Bedien dich.“ Forderte er großzügig und wies auf die vielen verschiedenen Gerichte. „Ich habe sowohl menschliches Essen als auch einige Spezialitäten von Asgeanus geordert und würde mich freuen, wenn wir sie gemeinsam probieren könnten.“
Er griff zu einer Art Zange die in einer kristallernen Schüssel lag und füllte meinen Teller mit Dingen, die ich nicht so recht einordnen konnte.
Einiges sah aus wie Obst, anderes erinnerte mich an eine Art Teigtaschen, Meeresfrüchte oder mit unterschiedlichen Fleischsorten belegten Canapés.
Seinen eigenen Teller füllte er mit Häppchen die ich von der Erde kannte. Minipizzen mit Salami und Käse, gefüllte Maultaschen, Spießen mit Käse, Weintrauben und verschiedener Wurst, sowie frischem Steak und duftendem Brot. Ein wenig neidisch schielte ich auf seine Auswahl, was ihm scheinbar nicht entging.
„Im ersten Gang schlage ich vor, dass wir die Köstlichkeiten des jeweils anderem Planeten probieren, bevor im Nachgang jeder nach seinen eigenen Favoriten greift. Ich habe dir eine Auswahl meiner Lieblingsspeisen zusammengestellt und bin gespannt, ob du sie ebenso gern magst wie ich. Was meine Selektion betrifft, ich habe ins Blaue hinein gewählt und hoffe, dass die Kombinationen nicht ganz scheußlich schmecken.“
Zum ersten Mal seit meiner Ankunft huschte ein vorsichtiges, beinahe freundliches Lächeln über sein Gesicht. „Ich bin sicher, du hast viele Fragen. Zögere nicht, sie mir zu stellen. Bevor wir uns jedoch unterhalten, lass uns anstoßen.“
Er reichte mir ein Glas und goss anschließend eine hellblaue, transparente, leicht sprudelige Flüssigkeit hinein. Sein eigenes Glas füllte er ebenfalls.
„Das ist Nany-Limonade. Wir stellen sie aus der Frucht des Nany-Strauches her, einer Art Beere. In etwa mit euren Heidelbeeren vergleichbar, würde ich sagen. Nany-Beeren sind süß, jedoch nicht sauer und eignen sich hervorragend für Säfte, Limonaden und Weine. Auf Asgeanus sind sie sehr beliebt. Besonders zu Fleischgerichten werden Nany-Getränke oft serviert.
Anders als die Menschen, versetzen wir unsere Früchte nicht mit chemischen Substanzen, wir verwenden nur das, was aus Asgeanus in natürlichen Quellen vorkommt. Dies sichert den einzigartigen Geschmack und die Qualität unserer Erzeugnisse.“
Es hatte ein wenig den Eindruck, als würde Nathaniel ein Verkaufsgespräch für sein Lieblingsprodukt führen und mir dessen sämtliche Vorzüge aufzählen wollen, so unverkennbar stolz war er auf die Brau- sowie Kochkünste der Ynaer'i. Möglicherweise übertrieb er ein wenig doch es macht ihn sympathisch, wie ich fand.
Er schwärmte regelrecht von der Natur auf Asgeanus und wie die Ynaer'i diese für sich nutzten. Eine Hochkultur, die trotz all ihrer technologischen Möglichkeiten im Einklang mit der Natur ihres Planeten zu leben schien.
Asgeanus erschien mir immer mehr als das Paradies in einem fernen Sonnensystem, von dem ich seit Langem träumte.
Er erklärte mir die weiteren Gerichte die sich auf unserem Tisch und meinem Teller befanden, während ich mir in Gedanken bereits kristallklare Seen, Meere und Flüsse vorstellte, die sich inmitten immergrüner Wälder, schneebedeckten Berge und endlosen Wiesen befanden und nur vereinzelt von hochtechnologischen, in der Sonne glänzenden Städten, deren Gebäude mit zahlreichen Diamanten verziert waren, unterbrochen wurden.
Ein wahres Utopia...
„Nun sollten wir essen und den wichtigen Fragen, die zu zweifellos haben wirst, nachgehen.“ Schloss er seinen Vortrag, als wir unsere Gläser senkten.
Tatsächlich sollte er Recht behalten, die Limonade schmeckte vorzüglich, wie ich neidlos anerkennen musste. Nie hatte ich etwas Vergleichbares auf der Erde getrunken.
Mit den Speisen verhielt es sich ähnlich. Auch wenn ich mich nicht mehr an jede einzelne Bezeichnung die Nathaniel mir eben erklärt hatte erinnern konnte, probierte ich alles was auf meinem Teller lag und fand nicht einen einzigen Happen, der nicht ebenso gut schmeckte wie die Nany-Limonade.
Nathaniel hatte vortrefflich gewählt!
Während ich mir den Teller ein weiteres Mal belud und dankbar war, mit genügend Hunger zum Essen erschienen zu sein, ging ich die Fragen die ich ihm Stellen wollte noch einmal in Gedanken durch.
„Ich habe angefangen, das Buch zu lesen.“ Begann ich um die Konversation zu starten. „Dabei sind mir einige Dinge aufgefallen, die ich nicht richtig verstehe.“
Er nickte und lauschte meinen Ausführungen.
„Der damalige Captain der Immortal schreibt von einer Rebellion wegen der ich zur Erde gebracht wurde, was hat es damit auf sich und wieso wurdest du nicht ebenfalls hier her gebracht? Eigentlich solltest du doch der Thronfolger von Asgeanus sein und nicht ich oder? Und wo sind eigentlich unsere Eltern? Erwarten sie uns auf Asgeanus? Ist die Rebellion beendet?“
Das waren viele Fragen auf einmal, doch Nathaniel zeigt sich bereit, sie alle zu beantworten. Einen Moment überlegte er, dann griff er die erste auf.
„Das mit der Rebellion ist ein sehr komplexes Thema, dazu wirst du später Näheres erfahren. Ich würde Stunden brauchen um es dir zu erklären, aber soviel erst mal: Die unmittelbare Gefahr ist gebannt und Asgeanus von der Belagerung der Rebellen befreit.
Weiter hinten im Buch wirst du dazu noch vieles lesen, schau es dir zuerst an, bevor wir uns darüber unterhalten. Das wird dir helfen, die Zusammenhänge zu verstehen. Natürlich kann ich dir etwaige Fragen dazu später noch beantworten. Sei aber gewiss, dass du bis zum Erreichen des Caenyus-Systems genügend Wissen darüber besitzen wirst.“
Er füllte sein Glas erneut mit Nany-Limonade und schenkte auch mir nach.
„Es hat einen einfachen Grund, dass ich damals nicht ebenfalls zur Erde gebracht wurde. Du hast es sicher schon gelesen, aber falls nicht: Du bist die Patronin von Caenyus.
Es mag verrückt und für dich nur schwer nachvollziehbar sein, da es auf der Erde zuletzt nichts Vergleichbares gab und den Menschen dies vollkommen unbekannt zu sein scheint, doch jedes Sonnensystem verfügt über eine enorme Energie, wodurch der Stern seine Planeten anzieht und die Planeten wechselseitig auf die jeweils anderen wirken und auf eine gewisse Art und Weise miteinander in Kontakt treten.“ Er versuchte, die richtigen Worte zu finden und hatte offensichtlich Mühe, es für mich verständlich zu formulieren.
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