"Ich bin Diaspra"//(23) Kapitel 3: Teil 1

in #deutsch6 years ago (edited)

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• Kapitel 3 - Verraten •

Ich irrte eine Weile herum bis ich mich endlich dazu entschloss, dem Computer die Navigation zu überlassen. Andernfalls würde ich das Essen mit Nathaniel wohl versäumen und ich hatte doch geplant, vorher noch ein bisschen Zeit bei meinen Freunden zu verbringen.
Wenn ich sie nicht bald fand, konnte ich das wohl vergessen...

Frustriert betrachtete ich mein Edae, das Armband um meinem Handgelenk und seufzte. Ohne das kleine Ding wäre ich wohl verloren. Die Immortal war um einiges Verwinkelter als ich zu Anfang dachte.
Es kam mir sogar so vor, als wäre ich auf meiner Suche bereits mehrfach im Kreis gelaufen, einige der Ecken erschienen mir seltsam bekannt.
Möglicherweise lag es aber auch einfach daran, dass sich auf diesem Schiff ohnehin jedes Deck ähnelte. Die geschäftig vorbeilaufenden Ynaer'i in ihren weißen Uniformen waren mir dabei keine Hilfe.

Die Bedeutung der unterschiedlichen Rangabzeichen hatte ich noch immer nicht verstanden und ohnehin machte niemand von ihnen Anstalten, mir aus meiner Misere zu helfen. Alle waren in ihre Aufgaben vertieft und bemerkten scheinbar nicht einmal, dass ich mehr oder weniger planlos hin und her lief.

„Computer.“ Aktivierte ich mein Edae daher. „Bitte führe mich zum Frachtdeck.“
Nur einen Moment später erhielt ich eine detaillierte Wegbeschreibung. Ich war dabei gar nicht so falsch wie ich befürchtete.
Im Gegenteil, die Frachträume befanden sich beinahe direkt vor meiner Nase. Ich hätte nur noch einmal abbiegen und mit einem weiteren Fahrstuhl fahren müssen.

Am Frachtdeck angelangt fiel mir eine Sache sofort auf. Kaum hatte ich den Zugang passiert, hörte ich Stimmen aus allen Richtungen. Beinahe kam ich mir vor wie auf einem Bahnhof. Von überall her drangen Gesprächsfetzen zu mir herüber und ich benötigte einen Moment, mich an diesen plötzlich aufgetretenen Krach zu gewöhnen.
Die Ynaer'i waren still und unterhielten sich selten, die Menschen hingegen kommunizierten wann immer sie die Möglichkeit dazu hatten.

Hier unten war es heiß und stickig. Auch sah dieser Teil des Schiffes weniger luxuriös aus als die anderen Decks. Eher glich er dem Maschinendeck, das Thalus mir einen Tag zuvor gezeigt hatte. Auch hier herrschte graue, dunklere Farben vor, Verzierungen fanden sich keine und auch auf Fenster, die das wunderbare Panorama des Weltalls offenbart hätten, mussten die Passagiere verzichten.

Man hatte mir gesagt, es handele sich hierbei um ein Provisorium... Nun, das war untertrieben.
Die Bezeichnung Provisorium beschrieb die hier herrschenden Zustände noch nicht einmal im Ansatz. Überall standen Feldbetten, kreuz und quer lagen Decken, Kissen und Kleidung auf dem Boden verstreut und auf den wenigen freien Plätzen saßen, standen oder lagen Menschen und versuchten, sich die Langeweile zu vertreiben.

Gebrauchtes Geschirr türmte sich dazwischen und keiner machte Anstalten, dieses Chaos zu beseitigen. Man hatte den Menschen zwar erklärt, dass die Immortal schlichtweg nicht genug Quartiere bot um jeden von ihnen vernünftig unterzubringen und sie deshalb versuchen sollten, sich hier im Frachtraum einigermaßen gemütlich einzurichten, damit sie die Reise zumindest ein klein wenig genießen konnten, doch scheinbar stand danach niemandem der Sinn.
Verübeln konnte ich es ihnen nicht, auch wenn ich mir vorkam, als Stände ich mitten in einem der amerikanischen Gefängnisse, die ich in verschiedenen Fernsehreportagen gesehen hatte.

Dabei war das Frachtdeck von seinen reinen Ausmaßen her gar nicht so klein. Es Zog sich über die gesamte Breite des Schiffes und Maß in der Länge etwa ein Drittel der Immortal.
Ganz hinten, am anderen Ende, sah ich einige Shuttle stehen. An der Wand befand sich eine Laderampe. Falls notwendig, konnte man diese mittels spezieller Schleusen öffnen und mit den winzigen Shuttles passieren.

Doch im Moment wurden auch diese kleinen Raumschiffe im wahrsten Sinne des Wortes belagert. Einige Menschen hatten Decken auf die Oberflächen gelegt und verwendeten sie als Schlafplatz. Auch im Inneren hatten es sich ein paar Personen gemütlich gemacht.
Ich war mir sicher, dass dies Nathaniel ganz und gar nicht gefallen würde.

Bisher hatte niemand meine Ankunft besonders zur Kenntnis genommen. Einige Frauen die sich in der Nähe des Eingangs aufhielten hatten ihr Gespräch zwar für einen Moment unterbrochen und mir neugierige Blicke zugeworfen, doch bald wandten sie sich wieder ihrer Unterhaltung zu.
Nur hin und wieder nickte jemand in meine Richtung oder grüßte scheu. Natürlich wusste jeder von ihnen, dass ich die Evakuierung vor einigen Tagen geleitet und sie in Sicherheit auf die Immortal gebracht hatte.

Viele der Menschen kannte ich zudem bereits vorher, Aeles Heaven war klein und man hatte sich zumindest schon ein paar Mal gesehen. Doch offensichtlich ging es ihnen ebenso wie mir. Auch sie waren mit der Situation überfordert und mussten ihre Gedanken erst sortieren.
Möglicherweise hatten sie aber auch schlichtweg Respekt vor mir. Nicht weil ich Prinzessin bin, sondern weil ich – wie nun allen bekannt – eine Ynaer'i und damit für sie ein Alien war.

Ich bahnte mir meinen Weg durch die Massen, darauf bedacht, in dem Chaos nicht auf irgendetwas oder irgendjemanden zu treten. Irgendwo hier mussten meine Freunde sein, doch die Suche schien sich als schwieriger zu gestalten als ich ursprünglich dachte.

...


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