"Ich bin Diaspra"//(17) Kapitel 2: Teil 2

in #deutsch6 years ago (edited)

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...

So wie sie das Wort Katze betonte, klang es beinahe abfällig. Als wäre es eine Beleidigung für meine Lumina.
„Katzen sind primitive, domestizierte Lebewesen, die die Menschen sich zum Vergnügen halten und die sie letztlich nur der Freude wegen durchfüttern, die jedoch keinen praktischen Nutzen haben, außer dem Fressen von noch primitiveren Parasiten, von den Menschen Mäuse und Ratten genannt. Zwar sind sie entfernt mit den Sphynx verwandt, doch vergleichen kann man sie nicht. Das wäre als würde man einen Neanderthaler als Menschen bezeichnen.“ Sie betrachtete Lumina für einen Moment und fuhr dann mit ihrer Erklärung fort.

„Vom Optischen her ähneln die irdischen Katzen den Sphynx auf Asgeanus, das mag korrekt sein. Doch die Sphynx sind weit mehr als gewöhnliche Hauskatzen. Sie sind eine intelligente Lebensform mit eigener Kultur und Zivilisation. Sphynx schließen sich uns Ynaer'i von Zeit zu sein an, wenn ihnen der Sinn danach steht, doch sie sind keine Kuscheltiere und gehören niemandem.
Eine Sphynx entscheidet selbst, ob sie bei den Ynaer'i leben möchte oder nicht. Auch sind sie nicht auf die Gunst anderer Arten angewiesen. Sie können zwar noch nicht eigenständig durch den Weltraum reisen, dennoch stellen sie eine eigene kleine Hochkultur weit oben im asgeanischen Gebirge dar. Sie besiedeln die Höhlen in denen erst die Vorfahren der Ynaer'i lebten und lernten, deren Bauwerke für ihre Zwecke zu nutzen. Auch verfügen die Sphynx über eine eigene, hoch entwickelte Sprache und sind ebenfalls in der Lage, andere Sprachen zu lernen und mit anderen Arten zu kommunizieren. Daher gibt es auch im zentralen Rat ein Mitglied, dass die Gattung der Sphynx repräsentiert. Sie sind jedoch ausgesprochen friedlich und an keinen politischen oder diplomatischen Belangen interessiert. Ihre Mitgliedschaft im Rat ist daher von rein symbolischer Natur.“

Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Zwar war mir bereits aufgefallen, dass mein Kätzchen intelligenter schien als viele ihrer Artgenossen, doch daran, dass es sich um eine außerirdische Lebensform handelte, hatte ich nun wirklich noch nie gedacht.
Wie sollte eine Sphynx auf die Erde kommen?

Lumina mauzte ein weiteres Mal, sprang dann aus der kleinen Box und schüttelte sich. Danach sah sie sich aufmerksam in meinem Schlafzimmer um, inspizierte die anderen Räume und kam anschließend zurück, sprang auf mein Bett und legte sich mit verschränkten Vorderpfoten vor mein Fenster, den Blick ins All gerichtet.
Offenbar gefiel ihr die Aussicht.
Als ich ihr ein weiteres mal durchs Fell fahren wollte warf sie mit einen beinahe empörten Blick zu, brummte und wandte sich wieder ab um erneut nach draußen zu sehen. Dieses Verhalten kannte ich bereits, das hatte sie auch schon auf der Erde getan, wenn sie ihre Ruhe haben wollte. Die Tatsache, dass sie sich mitten im Weltraum, irgendwo in nirgendwo befand, schien sie kein bisschen zu interessieren oder zu beunruhigen. Wobei Lumina schon immer sehr gelassen war, was das Reisen anging.

Auf Aeles Heaven hatte ich sie oft mitgenommen, wenn ich in der Stadt unterwegs war oder mich mit Freunden am Strand traf.
Wieder überkam mich das schlechte Gewissen. Meine Freunde! Die hatte ich ja auch völlig vergessen! Ich würde mich direkt nach ihnen erkundigen. Vielleicht konnte mir sogar Danaemes dabei helfen.

„Wenn du im Frachtraum unterwegs warst, hast du dann vielleicht auch meine Freunde gesehen?“ Zwar wusste ich, dass sie sich irgendwo auf der Immortal befinden mussten, bei der Evakuierung waren auch sie an Bord der Evakuierungsschiffe gegangen, doch bisher hatte ich die Quartiere der Menschen nicht gesehen. Ich wusste nur, dass die Ynaer'i den großen Frachtraum der Immortal eiligst mit behelfsmäßigen Feldbetten drapiert hatten um ihnen einen Schlafplatz zu bieten.
Normalerweise war die Immortal nicht für eine solch hohe Zahl an Passagieren ausgelegt, deshalb standen nicht genügend Quartiere zur Verfügung.

Die eigentliche Ladung wurde nun von den anderen Schiffen der Flotte transportiert, auf die man sie vor Abflug verteilt hatte.
Nathaniel hegte zwar von Anfang an Zweifel was die Mitnahme der Menschen betraf und er hätte sie nur zu gern auf dem nächst besten Planeten wieder abgesetzt, doch er respektierte meinen Wunsch nach wie vor und setzte alles daran, um ihren Transport einigermaßen erträglich zu gestalten.
Da auch die Vorräte an Bord nicht für so viele Personen vorgesehen waren, galt für die Zivilisten ein hartes Sparprogramm und sie mussten sich an eine festgelegte Rationierung halten.

Mir erschien es zwar ein wenig ungerecht, wenn ich an unser eigenes Festmal von gestern Abend dachte, doch es leuchtete ein, dass es nicht möglich war, die 1000 Personen einen ganzen Monat über ähnlich fürstlich zu bekochen. Zudem galt die Rationierung nur für die begrenzte Zeit unserer Reise. Auf Asgeanus könnten sie sich nach belieben satt essen und ich war mir sicher, dass sie die asgeanischen Spezialitäten ebenso mögen würden wie ich.

„Haben sie mir zugehört?“ Erkundigte sich Danaemes vorsichtig und unterbrach meinen Gedankengang damit.
„Was? Oh Verzeihung!“ Entschuldigte ich mich hastig und hoffte, dabei nicht zu unhöflich zu erscheinen. Danaemes wiederholte ihre vorangegangenen Worte.
„Ihren Freunden geht es gut, sie halten sich mit den anderen Zivilisten im Notquartier auf. Jedoch bittet Prinz Nathaniel Sie, dass Sie aus Sicherheitsgründen zum aktuellen Zeitpunkt auf einen Besuch verzichten.“
Aus Sicherheitsgründen?

„Aber wieso denn das?“ Diese Art der Sicherheitsvorkehrung wollte mir nicht so recht einleuchten. Gerne würde ich zudem mit meinen Freunden über die vergangenen Tage und die ganzen neuen Entwicklungen, mit denen bis vorgestern noch niemand gerechnet hätte, reden.
Danaemes schien meinen Wunsch zu ahnen und fügte hinzu: „Selbstverständlich ist diese Bitte nur von temporärer Dauer. Prinz Nathaniel wünscht, die Zivilisten zuerst durch unsere Sicherheitsoffiziere überprüfen zu lassen. Wir können nicht ausschließen, dass sich Spione der Rebellen unter ihnen aufhalten, deshalb sollen sie den Frachtraum nicht betreten, bis feststeht, dass von den geretteten Menschen keine Gefahr ausgeht. Die Überprüfungen laufen aber bereits und werden höchstens wenige Tage in Anspruch nehmen. Anschließend dürfen Sie ihre Freunde Besuchen und möglicherweise sogar in ihrem Quartier empfangen. Sie müssen jedoch verstehen, dass Ihre Sicherheit und die der Immortal oberste Priorität haben.“

Zwar erschien es mir, nach allem was Nathaniel mir bisher erzählt hatte, als sehr unwahrscheinlich, dass sich Sympathisanten der Rebellen an Bord befanden, wo diese nach Kenntnis der Ynaer'i noch nicht einmal von der Existenz der Erde wussten, doch ich konnte die Bedenken dennoch verstehen. Noch wusste ich nicht in allen Einzelheiten, was es mit der ominösen Rebellion auf Asgeanus auf sich hatte und wie gefährlich diese tatsächlich war. Nathaniel hatte gemeint, dass wir uns darüber unterhalten, sobald ich alle Aufzeichnungen von Kommandant Merodem gelesen hatte. Möglicherweise war ich danach schlauer.

„Der Prinz erwartet Sie übrigens später auf der Brücke um den Status unserer Reise mit Ihnen zu teilen.“ Nach einem Seitenblick auf Lumina fügte sie hinzu: „Aber bitte lassen Sie Ihre Sphynx hier, Prinz Nathaniel hat kein besonders gutes Verhältnis zu ihnen. Ehrlich gesagt mag er sie nicht besonders, daher dachte ich vorhin für einen Moment, dass Sie ihre auch nicht mehr haben möchten. Sonst hätte ich Ihnen natürlich nicht angeboten, die Sphynx im Frachtraum zu transportieren.“

...


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