"Ich bin Diaspra"//(49) Kapitel 6: Teil 2

in #deutsch6 years ago (edited)

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...

Balthazareon ließ mich abrupt los und sprang auf. „Es tut mir Leid...“
Er eilte in Richtung Ausgang und ich folgte ihm hektisch. Noch bevor sich die Tür öffnete, hatte ich ihn eingeholt. „Warte!“

Er drehte sich um und ich blickte für einen winzigen Augenblick, nicht länger als der Bruchteil einer Sekunde, in das Gesicht des kleinen verängstigten Jungen, dass ich eben in der Vision gesehen hatte.
„Balthazareon...“ Ich griff nach seinem Arm und starrte ihn an. Direkt darauf hatte er sich wieder gefangen.
„Das wollte ich nicht.“ Betreten sah er zu Boden und folgte mir zurück in den Raum. Gemeinsam setzten wir uns zurück auf die Kante seines Bettes.

„War das Thaemyar?“ Gleich nachdem ich die Frage gestellt hatte, bereute ich es. Der Zeitpunkt hätte unpassender kaum sein können, doch Balthazareon nahm es mir nicht übel sondern nickte traurig.
„Das war Thaemyar, ja. Das was du gesehen hast war der Tag, an dem die Ynaer'i und die Valara unsere Welt angriffen und zerstörten.“ Er sprach langsam und geriet immer wieder ins Stocken.

„Die Xeadnar waren einst ein mächtiges Volk dem die stärksten Telepathen der Galaxis angehörten. Meister wie Ates Loqa bildeten uns aus und gaben ihr Jahrtausende altes Wissen an uns weiter. Irgendwann entschieden die Ynaer'i gemeinsam mit den Valara, dass unser Volk eine Bedrohung für den Frieden des Caenyus-Systems darstellt und beschlossen, die Xeadnar zu vernichten. Einige von uns nahmen sie gefangen und ließen sie auf Maelenar in ihren Minen schuften. Darunter auch Meister Loqa.“

Allmählich fügte sich das Puzzle in meinem Kopf zusammen. Über die Valara wusste ich bisher nicht viel, doch dass die Ynaer'i zwar eine Hochkultur darstellten, jedoch ansonsten keine übersinnlichen Fähigkeiten zu haben schienen, hatte ich bereits mitbekommen. Wahrscheinlich fürchteten sie die Xeadnar deshalb.
Balthazareon bestätigte meine Vermutung.

„Leider ist mein Volk an alledem nicht unschuldig. Die Xeadnar sind seit jeher Krieger und sehen es als ihre Aufgabe an, andere Welten zu erobern. Ziel der damaligen Invasion war die Auslöschung aller Telepathen. Und beinahe wäre ihnen dies gelungen.“
Wieder berührte er mich behutsam. Dieses Mal sah ich meinen Vater vor mir, der hitzig mit einem anderen Mann diskutierte.

„Caemor hat mich damals aufgenommen und gemeinsam mit Nathaniel aufgezogen, obwohl er wusste, dass auch ich ein Telepath bin. Ates Loqa hat es irgendwie geschafft, sich unentdeckt unter die Gefangenen zu mischen, doch all die Anderen hatten kein solches Glück.“
Erneut benötigte er eine Pause und schluckte heftig. Balthazareon war somit einer der letzten Telepathen der Xeadnar...

„Weiß mein Bruder davon?“ Möglicherweise hatte auch diese Tatsache zum Streit der beiden beigetragen. Ich wollte soviel ich konnte herausfinden, vielleicht war es dadurch möglich, sie wieder zu versöhnen.
Balthazareon nickte bedächtig.

„Ja, Nathaniel gehört zu den wenigen die davon wissen. Allerdings haben wir eine Art schweigendes Übereinkommen getroffen. Ich behalte für mich, was ich über ihn weiß und er verrät mich im Gegenzug nicht.
Zwar würde es heute wohl niemand mehr wagen mich offen anzugreifen, doch vielen Ynaer'i, Valara und sogar angehörigen meines eigenen Volkes sind wir Telepathen noch immer ein gewaltiger Dorn im Auge. Sie fürchten uns und machen uns für die Vernichtung von Thaemyar und die Kriege zwischen den Spezies verantwortlich.“

Er zeigte mir weitere Bilder aus der Vergangenheit von Asgeanus. Offenbar war es mein Großvater, König Avenath, der den Angriff auf Thaemyar befohlen hatte.
Avenath wollte die Vorherrschaft der Ynaer'i ein für alle Mal sichern und die Telepathen der Xeadnar hätten ihm dabei in die Quere kommen können. Also entschied er kurzerhand, die gesamte Heimatwelt der Xeadnar zu zerstören. Dadurch allerdings hatte der den ohnehin bestehenden Konflikt zwischen Ynaer'i und Xeadnar noch weiter verschärft.

Wenige Wochen nach der Invasion bestieg mein Vater den asgeanischen Thron und übernahm die Regierungsgeschäfte. Unter seiner Herrschaft versuchte er das angespannte Verhältnis zu normalisieren und stellte den Xeadnar den bis dahin nur dünn besiedelten Planeten Vexnath zur Verfügung, doch die Kolonialisierung verlief schleppend.
Einerseits erhoben auch die Valara Anspruch auf die sogenannten grüne Welt, deren Monde sie seit jeher bewohnten, andererseits war der größte Teil der Xeadnar-Flotte in unbrauchbarem Zustand.
Gleichzeitig holte er Balthazareon nach Asgeanus.

„Aber wenn ihr eine so mächtige Flotte habt mit der ihr Wurmlöcher erzeugen könnt, wieso habt ihr euch dann nicht gegen die Invasion gewehrt?“
Diesen Punkt verstand ich nicht. Balthazareon hatte gesagt, dass er mit seiner Flotte zu jedem beliebigen Ort springen konnte. Es hätte ein Leichtes sein müssen, sich hinter die Invasoren zu setzen und ihre Schiffe anzugreifen. Er durchdachte meinen Einwand, schüttelte aber den Kopf.

„So einfach ist das nicht. Unsere Flotte war zu dieser Zeit geschwächt vom ständigen Krieg, zudem benötigt das Erzeugen einer Einstein-Rosen-Brücke eine enorme Menge an Energie. Hätten wir damals bereits die heutige Tarntechnologie besessen, dann hätten wir uns möglicherweise verteidigen können.
So allerdings war dies nicht möglich, du hast selbst gesehen dass meine Schiffe einen Moment benötigen um sich vollständig zu materialisieren. In dieser Zeit sind sie praktisch wehrlos, Avenaths Flotte hätte uns zerstört noch bevor unsere Kanonen einsatzbereit wären.“

Das klang plausibel. Ein Anflug von Mitleid überkam mich, es musste schrecklich für Balthazareon sein, immer als Außenseiter auf einem fremden Planeten zu leben.
„Was ist mit deinen Eltern?“ Die Frage brannte mir unter den Nägeln auch wenn ich mir nicht sicher war, ob ich die Antwort hören wollte.

Balthazareon lächelte zaghaft. „Sie leiten die Kolonialisierungsvorgänge auf Vexnath. Doch ich soll die Regierungsgeschäfte in Kürze übernehmen.“

...


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