"Ich bin Diaspra"//(12) Kapitel 1: Teil 7
Während die Nachbarn noch ungläubig in den Himmel starrten, lief mein Vater, der die seltsamen Worte ebenfalls gehört hatte, beunruhigt mit schnellen Schritten zurück zum Haus um in meinem Zimmer in der ersten Etage, in dem der Sender des Babyphons neben meinem Bett stand, nach dem Rechten zu sehen.
Doch ihm sollte nichts Ungewöhnliches auffallen. Ich schlief vollkommen unbeeindruckt und hatte von dem Trubel vor dem Haus nichts mitbekommen.
Draußen unterhielten sich die Nachbarn und meine Mutter noch immer angeregt und die wildesten Spekulationen kamen auf.
Waren das tatsächlich Ufos?
Oder vielleicht ein geheimes Projekt der Regierung mit Tarnkappenflugzeugen? Vielleicht auch einfach ein Wetterballon?
Doch keine der Theorien konnte überzeugen und so löste sich die Versammlung irgendwann ergebnislos auf.
Auch in den nächsten Tagen wurde im Dorf darüber gesprochen doch erklären konnte dieses Phänomen niemand, obwohl auch andere Anwohner das seltsame Leuchten am Himmel gesehen hatten.
Einige fragten später bei der örtlichen Zeitung nach, doch auch dort konnte keiner Auskunft geben. Ein Artikel wurde abgelehnt da die zuständige Redaktion den Vorfall für nicht relevant genug hielt und insgeheim dachte, die Anwohner hätten einfach zu tief ins Weinglas geschaut.
So ließ man die Angelegenheit, die bald in Vergessenheit geriet, auf sich beruhen.
Nur meine Eltern wurden am nächsten Morgen noch einmal abrupt an die Vorfälle der vergangenen Nacht erinnert. Als sie mich weckten entdeckten sie drei, symmetrisch angeordnete, rötliche Punkte an meinem Fuß, deren Herkunft sie sich nicht erklären konnten, die aber offensichtlich völlig ungefährlich waren und mich in keinster Weise beeinträchtigten wie ihnen unser damaliger Kinderarzt, den sie vorsorglich aufgesucht hatten, erklärte.
Doch auch dieser konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, woher sie so plötzlich kamen oder worum es sich dabei handelte.
Ich versuchte, mich daran zu erinnern, in welchem Zeitraum dieses Ereignis ungefähr stattgefunden haben musste und blätterte in den Einträgen des Buches, in der Hoffnung, einen Hinweis oder möglicherweise sogar eine Erklärung zu finden.
Schneller als erwartet wurde ich im Eintrag des 13.6. fündig.
Sonntag, 13. Juni – Außenposten Magna Germania III
Was ich bereits befürchtete und wovor ich lange gewarnt hatte, ist heute bei einem Routinebesuch bei der Prinzessin eingetreten.
Zwei unserer Schiffe, die Elon und die Avex wurden bei ihrem Besuch am Außenposten erkannt und von den Menschen als unbekanntes Phänomen identifiziert. Auch eine unserer internen Kommunikationen wurde wohl von der menschlichen Technik teilweise aufgefangen.
Zu unserem großen Glück schlug der Vorfall bisher keine großen Wellen und ich werde mich sofort darum kümmern, dass er keine unangenehme Berichterstattung nach sich zieht.
Die Menschen die unsere Raumschiffe am Himmel entdeckt haben gehören keiner menschlichen Regierung an und die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ihren Ausführungen Glauben schenken wird, ist sehr gering.
Dennoch müssen wir vorsichtig sein. Wir können keine Aufmerksamkeit riskieren. Dies würde unser Versteck möglicherweise verraten und unsere Feinde, die Rebellen von Asgeanus in dieses Sonnensystem locken.
Wir wissen nicht, wo im Universum sie ihre Spione platziert haben und welche Zivilisationen sie unterstützen. Aktuell stufen wir die Menschen als rückständig und harmlos ein, doch mit Sicherheit wissen können wir dies nicht.
Genau wie wir überall in der Galaxis unsere Aufklärungs- und Beobachtungsposten haben, könnten die Rebellen ebenso agieren, auch wenn sie selbstverständlich nicht über die technologischen Mittel verfügen, die wir in Verwendung haben.
Doch sind in den vergangenen Jahren einige unserer Schiffe spurlos verschwunden und wir können nicht ausschließen, dass sich diese in Rebellenhand befinden.
Auf Asgeanus kursieren derzeit Gerüchte, die eine Steuerung der Rebellion von außen vermuten. Dies wäre nicht abwegig, da die Rebellengruppen erstaunlich gut ausgerüstet und organisiert auftreten und über Raumschiffe verfügen, wie wir Ynaer'i sie gar nicht fertigen.
Möglicherweise ist die Rebellion gar nicht auf Asgeanus entstanden sondern wurde bewusst, von uns noch unbekannten Feinden, inszeniert.
Auch erhielten wir kürzlich Nachricht, dass König Caemor seinen Besuch auf der Immortal aus nicht näher genannten Gründen verschieben muss.
Wir wurden gleichzeitig angewiesen,die Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prinzessin weiter zu verschärfen.
Die Immortal befindet sich nach den gestrigen Vorfällen auf einer geheimen Position im Schutze des Erdtrabanten Mond und ist von der Erde aus nicht auszumachen.
Dort wird sich bis auf Weiteres verbleiben und wir werden den umliegenden Weltraum sehr genau im Auge behalten.
Unterzeichnet:
Laemus Merodem, Kommandant des Raumschiffs Immortal, Aktuelle Position, Oberfläche des Planeten Erden, Außenposten Magna Germania III, Jahr 3 der Rebellion
Ich las den Eintrag aufmerksam und wunderte mich ein wenig, dass Nathaniel bisher mit keinem einzigen Wort im Buch erwähnt worden war.
Wenn man mich aus Sicherheitsgründen von Asgeanus zur Erde gebracht hatte, weshalb dann meinen Bruder, der eigentlich Kronprinz sein müsste, nicht ebenfalls? Er hatte mich kleine Schwester genannt...
Somit wäre er, zumindest nach irdischen Gepflogenheiten, der Thronfolger unserer Familie und sollte viel dringender in Sicherheit gebracht werden müssen als ich. Auch irritierte es mich vor diesem Hintergrund, dass ich im Buch als Herrscherin der Ynaer'i bezeichnet wurde, was ebenfalls sein Titel hätte sein müssen.
Oder zumindest der, unserer Eltern. Wo auch immer diese gerade sein mochten.
Ich würde ihn später darauf ansprechen. Auch wollte ich wissen, was es mit den anderen Titeln auf sich hatte, die im Notizbuch erwähnt wurden.
Ich streckte mich und bemerkte ein seltsames Kribbeln in meinem Fuß, er war offenbar eingeschlafen. Erstaunt stellte ich fest, dass seit meinem letzten Blick auf die Uhr bereits beinahe zwei Stunden vergangen waren und ich mich schon bald zum Abendessen würde fertig machen müssen.
Ich drehte das Buch um und legte es mit dem Rücken nach oben auf meinen Wohnzimmertisch, bevor ich aufstand und zu meinem Ankleidezimmer ging.
So könnte ich später weiterlesen ohne mir die Seite merken zu müssen. Leider hatte ich in meinem Quartier bisher nichts gefunden, was als Lesezeichen hätte fungieren können. Papier schien es hier nirgendwo zu geben, mit Ausnahme des Notizbuches fanden sich hier nur digitale Geräte.
Ich hätte zwar eine Ecke der Seite zu einem Eselsohr umknicken können, doch das wollte ich nicht, das würde sehr unordentlich aussehen und es wäre schade, um das offenbar gut gepflegte Büchlein.
Unentschlossen stand ich vor einer der Stangen, die sich an den Wänden des Raumes entlangzogen und an denen zahlreiche, beinahe ausnahmslos weiße, Kleider hingen die sich nur schwach von dem dass ich gerade trug unterschieden.
Was zog man bei einem Abendessen mit dem unbekannten Prinzenbruder als intergalaktische Prinzessin an?
Ich überlegte, Danaemes zu rufen, wusste jedoch nicht, wie ich sie erreichen sollte. Dieses Detail hatte sie vergessen, mir bei unserer Einführungstour zu erklären und auch ich hatte nicht daran gedacht.
Ihren Rat hätte ich nun dennoch gut gebrauchen können, sie war mit der Etikette der Ynaer'i sicher weit besser vertraut, als ich es in der nächsten Zeit sein würde.
Ziellos griff ich zu einigen der Kleider, betrachtete sie und hing sie schließlich wieder zurück an ihren Platz. Für mich sahen sie alle gleich aus.
Oft unterschieden sich lediglich die Diamanten und Kristalle mit denen sie dekoriert waren.
Hätte ich nun gewusst, was diese bedeuteten, ob sie verschiedene Rangbezeichnungen darstellten oder ob es sich schlichtweg um optische Dekorationen handelten, wäre mir die Wahl sicher um ein Vielfaches leichter gefallen.
Prolog
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