"Ich bin Diaspra"//(52) Kapitel 6: Teil 5
Ich beobachtete noch eine Weile wie er irgendetwas an den an der Wand hängenden Monitoren machte, dann döste ich ein.
Es war eher ein kleines Mittagsschläfchen, lange konnte ich nicht geschlafen haben. Balthazareon war noch da als ich wach wurde. Im ersten Moment erschrak ich. Er saß wieder neben mir, doch dieses Mal lagen einige seiner Finger auf meinem unversehrten, rechten Handgelenk.
Am Linken trug ich noch immer das Pflaster von gestern. Er zog seine Hand zurück und legte sie behutsam auf meinen Brustkorb, wie er es bereits zuvor getan hatte, dann sah er mich erleichtert an. „Levayes hatte Recht, dein Herz schlägt schon viel regelmäßiger. Ich denke, wir können noch heute Richtung Maelenar starten, wenn du bereit dafür bist.“
Maelenar... Nathaniels Warnung drängte sich wieder in mein Gedächtnis. Was, wenn Balthazareon mich tatsächlich nur nutzen wollte um die Macht über Asgeanus an sich zu reißen?
Was würde Nathaniel tun, nachdem ich die Bordwaffen der Pentay deaktiviert hatte, so wie er es von mir verlangte? Oder hatte Balthazareon vielleicht Recht und der Xeadnar-Meister auf Maelenar konnte mir wirklich helfen?
„Mir geht es gut, aber schafft die Pentay das überhaupt?“ Ich erinnerte mich an die Beinahe-Katastrophe. Nur mit Mühe war es mir gelungen, Balthazareons Flaggschiff zu retten. Einige Minuten später wäre es uns wohl um die Ohren geflogen. War es eine gute Idee, mit diesem Schrotthaufen weiterzureisen?
Balthazareon stand auf, winkte ab und reichte mir die Hand. „Komm mit auf die Brücke, ich zeige es dir dort.“
Neugierig folgte ich ihm. Wir verließen das Quartier und gingen die langen aber engen Korridore entlang. Der seltsame Qualm war schwächer geworden und drang nur noch an einigen wenigen Stellen durch die Eisengitter und sammelte sich an den Wänden.
Ich beäugte ihn weiterhin misstrauisch, doch Balthazareon schien ihn noch nicht einmal zu bemerken.
„Was ist das?“ Fragte ich als wir eine große Rauchwolke durchquerten und der Qualm in alle Richtungen davon stob. „Was meinst du?“ Erst langsam realisierte er den Nebel um uns herum.
„Ach das... Keine Sorge das ist nur Stickstoff aus dem Maschinenraum. Wir verwenden ihn zur Kühlung des Ionit-Kerns und leiten ihn anschließend über die Gänge ab. Absolut ungefährlich, mach dir deshalb keine Sorgen.“
Ich hatte bereits auf der Erde gesehen wie flüssiger Stickstoff zu Gas wurde, wenn er mit etwas Wärmeren als er selbst in Berührung kam und wusste, dass davon tatsächlich keine unmittelbare Gefahr ausging. Auch wenn ich den Sinn dieses Systems nicht nachvollziehen konnte.
Eine Methode zum Recyceln erschien mir vorteilhafter. Balthazareon pflichtete mir bei dass es eher eine Notlösung war und ursprünglich einmal anders konzipiert wurde, doch auch das Kühlsystem der Pentay hatte im Laufe der Zeit schwere Schäden davon getragen.
Diese Methode war zwar nicht sonderlich schön, dafür aber zuverlässig. Auch auf unserem Weg zur Brücke hatten wir bisher niemand anderen gesehen, es schien beinahe so, als versteckten sich die Xeadnar vor uns.
Es herrschte eine völlig andere Atmosphäre als auf der Immortal, wo überall Crewmitglieder umhereilten und fleißig arbeiteten.
Kurz bevor wir die Brücke erreichten mussten wir eine lange Stahltreppe passieren. Am oberen Ende befand sich ein breites Tor, dass die Kommandobrücke vom restlichen Teil der Pentay trennte und nur durch Eingabe eines Zahlencodes geöffnet werden konnte.
Unter dem Eingabefeld gab es eine kleine Vertiefung in der Wand. Balthazareon tippte einige Nummern und hielt seinen Arm anschließend unter das Zahlenfeld.
Sein Qech-Armband leuchtete grün auf, die Tür öffnete sich und ließ uns die Brücke betreten. Auch diese wirkte eher schäbig und provisorisch, aber war dennoch auf ihre eigene Weise beeindruckend.
Vor uns befand sich eine riesige Glasfront die den Blick hinaus in den Weltraum freigab. Gleichzeitig schien sie als eine Art Monitor zu fungieren und an den Rändern liefen merkwürdige Texte, Symbole und Diagramme entlang.
Im Gegensatz zur Immortal war es auch hier auffallend still. Außer uns befanden sich lediglich drei andere Personen im Raum und waren so vertieft in ihre Arbeit, dass sie uns gar nicht bemerkten. Es schien ihnen vollkommen egal, dass ihr Captain gerade die Brücke betreten hatte.
Balthazareon ignorierte sie ebenfalls und führte mich wortlos an ihnen vorbei zu einem der Computer-Terminals. Er drückte eine Taste auf dem Keyboard und der Bildschirm erwachte zum Leben.
Er zeigte einen Querschnitt des Schiffs, verschiedene Statusmeldungen und ein großer Balken zog sich über die gesamte Unterkante.
„Das ist die Energie unseres Ionit-Kerns. Er ist fast vollständig aufgeladen, einen Sprung nach Maelenar sollten wir problemlos schaffen.“
Ich beobachtete den blauen, sich langsam füllenden Streifen und versuchte das Gesagte zu verstehen. Thalus hätte es mir sicher nachvollziehbar erklären können, doch für Balthazareon schien alles selbstverständlich.
„Wir nutzen die Methodik der Raumkrümmung und falten das Universum einfach so um uns zusammen, dass wir auf der anderen Seite kurz vor Maelenar wieder herauskommen.“
An meinem fragenden Blick sah er, dass ich rein gar nichts verstanden hatte. Ich kam mir schrecklich dumm vor, doch seine Ausführung ergab für mich einfach keinen Sinn.
Wie wollte er das Universum zusammenfalten und was sollte das bringen?
Balthazareon sah sich um und entdeckte eine dünne Mappe aus Kunststoff in unserer Nähe. Er nahm sie zur Hand und zeigte sie mir.
„Stell dir vor, das ist unser Universum.“ Er tippte auf beide gegenüberliegende Enden.
„Wir sind hier und wollten nach dort. Um dahin zu gelangen müssten wir nun die gesamte Strecke zurücklegen, soweit verständlich?“
Ich nickte zaghaft auch wenn ich absolut nicht wusste, was ich mir darunter nun vorstellen sollte.
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