"Ich bin Diaspra"//(27) Kapitel 3: Teil 5

in #deutsch6 years ago (edited)

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...

Von da an unternahmen wir regelmäßig etwas. Mal waren wir unterwegs, mal saßen wir einfach bei einem von uns zuhause und redeten, spielten Spiele oder philosophierten über Gott und die Welt.
Nathaniel unterbrach mich kein einziges Mal und ließ mich meine Erzählungen in ihrem gesamten Umfang ausführen. Es war das erste Mal, dass er ein so offenkundiges Interesse an mir und meinem bisherigen Leben zeigte.

Bisher hatten wir uns den größten Teil unserer Gespräche eher über Belanglosigkeiten unterhalten oder er hatte versucht, mir etwas über die Ynaer'i beizubringen.
„Vergiss nicht, dass du eine Prinzessin bist und auf Asgeanus über unser Volk herrschen wirst.“ Meinte er schließlich.
„Ein dahergelaufener Jack ist keine wirklich standesgemäße Wahl, so leid es mir tut. Damit solltest du dich besser früher als später abfinden.“

Widerwillig nickte ich. Eine Diskussion über Ynaer'i-Regeln wollte ich nicht vom Zaun brechen und über irgendwelche Dinge, die ohnehin frühestens in ferner Zukunft von Bedeutung sein könnten, wollte ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen.
Wir würden sehen, was die Zeit brächte.

Den Rest des Abends verbrachten wir mit Gesprächen über Asgeanus. Nathaniel erzählte mir einiges zur Geschichte der Ynaer'i und wie sie sich über die Jahrtausende zu der hochentwickelten Zivilisation entwickelt hatten, die sie heute waren.
Nicht immer lief alles reibungslos, der Weg zur Hochkultur war steinig. Vor vielen Jahren befanden sich die unterschiedlichen Völker des Caenyus-Systems beinahe pausenlos im Krieg.

Allianzen wurden geschmiedet und kurz darauf wieder gebrochen doch letztendlich gelang es den Ynaer'i, Frieden in die Galaxis zu bringen und Asgeanus zu einem blühenden Paradies zu machen.
Auch die Freundschaft der Ynaer'i mit den Sphynx sollte, so wurde es zumindest überliefert, aus dieser Zeit stammen und hatte bis zum heutigen Tage überdauert.

Nathaniel schloss seine Erzählungen mit dem Hinweis, dass die meisten Dinge jedoch nicht eindeutig bewiesen werden konnten und es sich in vielen Fällen lediglich um Legenden und wenig eindeutige Überlieferungen handelt.
Viele Aufzeichnungen waren im Laufe der Jahrtausende verloren gegangen, daher wussten selbst die Ynaer'i nicht alles. Ich erinnerte mich an meinen Geschichtsunterricht auf der Erde. Dort war es ganz ähnlich. Viele Epochen der Menschheitsentwicklung konnten nur grob rekonstruiert werden und nahezu alles basierte auf Thesen und Mutmaßungen.
Wirkliche Beweise für oder gegen eine Theorie fanden sich selten.

„Zur Erdgeschichte kann ich dir einiges erzählen, falls du es möchtest. Wir Ynaer'i nutzen seit vielen hundert Jahren eine zentrale Datenbank in der jedes Ereignis das auf einem bewohnten Planeten passiert, registriert wird. Im großen Archiv auf Asgeanus zeige ich es dir gern, vielleicht findest du dort etwas, das dich interessiert.“

Ich wusste, dass es Nathaniel einiges an Überwindung kostete, mir dieses Angebot zu unterbreiten. Er selbst würde vermutlich nahezu alles lieber tun, als sich mit irgendwelchen Themen der Menschen zu befassen, doch gerade deshalb freute ich mich so sehr über diesen Vorschlag. Er tat es nur mir zuliebe und das wusste ich zu schätzen.
Gerade als ich mich verabschieden und zu Bett gehen wollte fiel mir ein, dass ich noch gar nicht gefragt hatte, ob Mirabella und Jack mich besuchen kommen dürften.

Eine Sekunde zögerte ich, doch würde es einen besseren Moment dafür geben? Nathaniel und ich hatten uns trotz des holprigen Starts an diesem Abend gut unterhalten und verstanden uns langsam aber sicher immer besser. Ich musste dieses Thema einfach anschneiden, vielleicht könnte ich dann bereits morgen mit meinen Freunden auf meinem riesigen Sofa sitzen und ihnen die wunderbare Aussicht auf das Weltall zeigen.

Auf dem Weg zum Ausgang nahm ich daher all meinen Mut zusammen und blickte meinen Bruder bittend an. „Meinst du, Jack und Mirabella könnten mich bei mir im Quartier besuchen? Der Ausblick auf das All ist so schön, das müssen sie gesehen haben. Außerdem können wir dann in Ruhe reden, ohne uns im Lagerraum mit hunderten anderen einzupferchen.“

Er lächelte milde und schob mich weiter Richtung Tür.
„Es gefällt mir zwar nicht, aber ich werde den Sicherheitsdienst anweisen, deine Freunde noch einmal ganz genau zu scannen. Sollte alles in Ordnung sein, bin ich gewillt, zeitlich begrenzten Besuchen zuzustimmen. Doch die Brücke und alle sensiblen Bereiche der Immortal sind tabu!“

Ich schlang meine Arme um seinen Hals und grinste breit. „Dankeschön!“ Dann ging ich beflügelt zu meinem eigenen Quartier und drehte mich noch einmal kurz um, um ihm eine gute Nacht zu wünschen.
Aus dem Augenwinkel nahm ich gerade noch ein stummes Seufzen und leichtes Kopfschütteln wahr, dann verschwanden wir beide in unseren Zimmern.

...


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