"Ilumnia ~ Vermisst"//(32) Kapitel 4: Teil 10
Zwar war er ganz zufrieden mit seinem Aussehen und erhielt dafür auch breite Anerkennung von seiten der Rekrutinnen, ja, sogar von Seiten Arinas, jedoch war Sajit ihm scheinbar immer einen Schritt voraus.
Wann immer Moshe ihm eine Rekrutin zeigte, die ihm gefiel, konnte er davon ausgehen, dass Sajit schon mindestens einmal mit ihr ausgegangen war.
Wobei man unter ausgehen hier meist einen gemeinsamen Gang zum Abendessen bezeichnete. Sonderlich viele Ersatzmöglichkeiten bot die Wüste nicht.
Sajit hatte für dieses Verhalten jedoch auch schon oft Ärger von Seiten der Lehrer und Ausbilder erhalten. Beziehungen zu anderen Mitgliedern waren absolut tabu. Ein No-go! Daran hatte sich jeder zu halten. Die Vereinigung duldete diese Form zwischenmenschlicher Kontakte nicht.
Sie fürchtete, dass es die Rekruten von ihrer eigentlichen Aufgabe ablenken und die Seriosität der Vereinigung gefährden könne.
Einerseits fand Moshe das gut, da andernfalls ansonsten sicher recht zeitnah der halbe Campus zerstritten wäre, da es einfach nicht sonderlich viele Rückzugsmöglichkeiten und Auswahl bezüglich der Partner gab, auf der anderen Seite hielt er diese Regel jedoch für total überzogen und nicht länger zeitgemäß.
Überhaupt hielt er so einiges nicht länger für zeitgemäß. Die Vereinigung war seiner Meinung nach, von ihrer Mentalität her, irgendwo im Mittelalter stecken geblieben und hatte seit dem aufgehört, sich weiter zu entwickeln. Viele der noch heute geltenden Regeln waren heute kaum noch umsetzbar, oder gar sinnvoll, da sich seit der Gründung der Vereinigung doch einiges getan hatte in der Welt.
Wofür brauchte man heute noch ein Verbot des Tragens eines Schwertes in den Unterrichtsräumen? Oder noch besser, dem Verbot des Tragens eines Coltes in öffentlichen Bereichen?
Diese Regeln waren so eingestaubt wie die Epochen, aus denen sie stammten. Zwar wurde das Standardregelwerk, zum Leben innerhalb der Vereinigung, alle paar Jahre einmal überarbeitet, jedoch fügte man meist bloß neue Vorschriften hinzu, machte sich jedoch nicht die Mühe, die alten zu entfernen.
Das hatte zur Folge, dass es sich bei dem Regelwerk mittlerweile um ein beinahe 2000 Seiten starkes Buch handelte. Etwa vergleichbar mit den Gesetzessammlungen ganzer Staaten.
Absolut keiner blickte bei der Fülle an Vorschriften und Normen überhaupt noch durch.
Ganz zuletzt natürlich die Anwärter und Rekruten, für die diese Regeln in erster Linie gelten sollten. Mittlerweile hatte man sogar ein spezielles Unterrichtsfach eingeführt, in welchem den Schülern die Gesetze sowie der Umgang mit dem Regelwerk beigebracht wurden.
Dennoch gab es nur ein gewisses Grundkontingend an Normen, die wirklich jeder beherrschte. Dazu zählten etwa die Hausordnung, die Verordnung über das Verhalten in Unterrichts- und Gemeinschaftsräumen sowie die
Regelungen zu den Sperr- und Ruhezeiten.
Die meisten anderen waren für fast alle einfach nur befremdlich und abstrakt.
Wieder ging die Dusche aus und der Wasserregen versiegte. Moshe hatte ohnehin lange genug hier gestanden. Der Rekrut auf der anderen Seite duschte noch immer gedankenverloren und merkte nicht einmal, dass Moshe sein Handtuch nahm, es sich um die Hüften band und das von Wasserdampf gefüllte Gemeinschaftsbad verließ.
Seine Tagesuniform hatte er sorgsam auf einer der Holzbänke des Umkleideraumes zusammengelegt, seine durchschwitzte Sportkleidung lag auf einen Haufen geworfen am Boden. Er würde sie sowieso direkt in die Reinigung bringen müssen.
Sport bei diesen Temperaturen war die reinste Schwerstarbeit.
Er ließ das Handtuch fallen, stieg in seine Unterhose und striff sich sein Freizeitshirt über den Kopf. Auch dieses konnte demnächst eine Wäsche vertragen.
Sein Deo hatte unschöne gelbe Flecken auf dem hellgrünen Stoff hinterlassen.
Er nahm seine kurzen Shorts und schlüpfte schnell hinein. Die Uniformjacke war ihm jetzt zu warm, also ließ er sie, ebenso wie seine benutzten Sportsachen, in die Tasche fallen. Auch seine neongelben Turnschuhe mit dem dunkelgrünen Nike-Symbol und der ebenfalls dunkelgrünen Sohle wanderten hinterher, dann nahm er die Tasche vom
Haken und verließ die muffige Umkleidekabine.
Seine weißen Sneakers hatte er sich, an den Schnürsenkeln zusammengebunden, über die Schulter gehängt. Jetzt, da die Sonne nicht mehr direkt auf den Boden knallte, konnte man problemlos barfuß laufen.
Es tat gut, den nur noch angenehm warmen Boden unter den Füßen zu spüren. Moshe liebte die Veränderungen der Bodenstrukturen, wenn er den sandigen Weg mit den kleinen Kieselsteinen, welcher vom Sportkomplex bis zum Campus führte, hinter sich gelassen hatte und die mit Steinplatten ausgelegten Wege zwischen den Gebäuden erreichte.
Damittlerweile auch die Sprinkleranlagen abgeschaltet waren, konnte er über das nun trockene Gras abkürzen. Auf diesem Wege musste er nicht erst durch die gesamte Anlage laufen.
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