"Ilumnia ~ Vermisst"//(28) Kapitel 4: Teil 6
Die einzige Möglichkeit, den Counsellor davon zu überzeugen, dass solche Unterfangen kaum sinnvoll sein konnten, lag darin, ihm zu beweisen, dass das Elite-Einsatzteam, auch ohne Einflüsse von außen, schnell und präzise arbeiten und rasche Erfolge einfahren würde.
Gelang ihm dies, würde der Counsellor in Zukunft sicher von solchen Experimenten absehen.
Zumindest bei diesem Mal, musste sich der General jedoch mit dieser Situation arrangieren und den Major in seinem Team aufnehmen.
Innerlich schwor er sich, dass es das erste und letzte Mal sein würde, indem er solche, fern jeglicher Vorschriften verlaufenden, Praktiken zuließ.
"Das Team ist bereits zusammengestellt und über den Auftrag informiert wurden. Wir möchten sie daher bitten, Herr Major, sich bei der eigentlichen Umsetzung im Hintergrund zu halten und sich lediglich, auf unser Kommando hin mit dem Flüchtigen in Verbindung zu setzen um zu versuchen, ihn freiwillig zur Aufgabe zu bewegen."
Damit war klar, dass der General Adrian lediglich als einen störenden Zuschauer akzeptieren, nicht jedoch als vollwertiges Mitglied in die Operation eingliedern wollte.
Adrian hatte zwar nichts Anderes erwartet, dennoch machte es ihn wütend.
Immerhin war er der Einzige der Beteiligten, der Marcus kannte. Die anderen Mitglieder der Truppe hatten wahrscheinlich nicht einmal den Hauch einer Ahnung, um wen es sich handelte.
Sicher lag es auch nicht im Interesse des Counsellors, dies überall zu verbreiten, doch nur zu gern hätte Adrian gewusst, wie die Elite reagieren würde, wenn er ihnen sagte, dass es sich bei dem Geflohenen um eines der Kinder der Götter handelte.
"Und wie sieht ihr bisheriger Plan aus? Wie bezwecken sie, den Weggelaufenen zurückzubringen, für den Fall, dass er sich nicht von mir überzeugen lässt?"
Auch wenn er den General verabscheute, Adrian musste an den Auftrag denken. Private Belange waren dabei vollkommen unerheblich.
So sehr er diesen Mann auch hasste, die Aufgabe, Marcus zu finden und zurückzuholen, stand im Mittelpunkt. Mit dem General konnte er auch später noch streiten.
"Ich rede zwar mehr als ungern über die Strategien meiner Einsatzkommandos, dennoch denke ich, dass ich Ihnen, zum besseren Verständnis, die groben Umrisse des Unternehmens skizzieren sollte."
Er sprach im Tonfall eines Erwachsenen, der einem kleinen Kind erklärte, dass es nicht an den heißen Kochtopf fassen sollte.
Scheinbar legte er es darauf an, eine Auseinandersetzung mit Adrian zu provozieren.
Sicher, wenn ihm dies gelang, dann konnte er ihn von dem Einsatz suspendieren, ohne sich vor dem Counsellor rechtfertigen zu müssen. Sollte er eine Gefahr für das Einsatzteam darstellen, konnte man ihn, trotz Einladung des Counsellors, von der Mission, ausschließen.
Insgeheim spekulierte der General noch immer auf diese letzte Möglichkeit, sich des lästigen Gastes zu entledigen.
"Wir haben den Geflohenen am Nordpol ausgemacht, wie sie ja bereits wissen, Herr Major. Unsere bisherigen Nachforschungen ergaben, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit Zuflucht in einer von Menschen betriebenen Forschungsbasis gefunden hat.
Die magischen Signale fallen jedenfalls genau mit den Koordinaten dieser britischen Polarforschungsanlage zusammen, so dass wir davon ausgehen müssen, dass er sich dort versteckt hält."
Er drückte auf einen Schalter an der Tastatur seines in der Ecke des Schreibtisches stehenden Computers und projizierte eine Weltkarte an die gegenüberliegende, leere Wand.
Dann markierte er den Punkt, an dem die energetischen Schwingungen lokalisiert wurden, mit einem roten Ausrufezeichen.
"Genau hier ist es." Sagte er und vergrößerte die Google-Karte so weit, bis man das längliche Gebäude ohne Mühe ausmachen konnte.
Obwohl die Darstellung bei diesem hohen Zoomfaktor nicht die beste Auflösung besaß, war kaum zu übersehen, dass das rote Ausrufezeichen direkt auf dem stahlgrauen Gebäude lag.
"Mein Team wird sich langsam zu der Station durcharbeiten, unbemerkt, um dann mit gesamter Wirksamkeit zugreifen zu können. Wir wollen keine offene Auseinandersetzung, deshalb hoffen wir und gehen davon aus, dass allein die Präsenz der Gruppe dafür sorgen wird, dass der Flüchtige nachgibt und sich uns ohne Protest anschließt.
Sie werden derjenige sein, der den Erstkontakt zu ihm aufbaut und ihm ins Gewissen redet. Wir haben Grund genug zur Annahme, dass der Flüchtige keinen oder gleichsam viel geringeren Widerstand leisten wird, wenn Sie, ein offenbar guter Bekannter, auf ihn einwirken."
Er schlug die Hände zusammen und ließ die Projektion verschwinden. "Nun gehen sie und bereiten sie sich auf den Start der Aktion vor. Wir erwarten sie in einer Stunde am Flugfeld. Pünktlich. Auf Nachzügler können wir nicht warten. Am Besten wäre es, wenn sie bereits ein wenig eher vor Ort sein können. Der Flug zum Pol ist lang und wir wollen unseren
Vermissten im Dunkel der Nacht überraschen."
Damit entließ er Adrian und wandte sich dem Stapel Dokumente zu, der die ganze rechte Seite seines Tisches bedeckte.
Adrian stand auf und verließ den Raum ebenfalls ohne ein Wort. Wenn der General die Strategie der Unhöflichkeit gewählt hatte, dann wollte Adrian nur zu gern mitspielen.
So wie der General ihn die ganze Zeit über behandelt hatte, würde Adrian sich ganz sicher nicht überschwänglich zuvorkommend Verhalten.
Er gab der Bürotür einen Schubs, darauf bedacht, dass diese nicht ganz ins Schloss fiel, sondern einen Spalt breit offen stehen blieb.
"Tür zu!"
Ertönte es kurz darauf hinter seinem Rücken, doch Adrian ignorierte es, lächelte und ging provokativ pfeifend davon.