"Ilumnia ~ Vermisst"//(15) Kapitel 2: Teil 7
"Bringen wir ihn erst einmal hinein in die Basis."
Professor Collmann hatte den Motor des Fahrzeugs abgeschaltet und ließ das GPS-Gerät in die Tasche seiner Fleecejacke gleiten.
Es hier draußen in der Kälte zu lassen kam nicht in Frage. Die Technik trotzte den Temperaturen zwar für eine gewisse Zeit, irgendwann jedoch würde die Elektronik des Gerätes einfrieren und unbrauchbar werden.
Dr. McAlbert war mittlerweile vom Raupenfahrzeug geklettert und half seinem Kollegen, den Fremden in die Station zu schaffen.
Die dicke Polarkleidung machte dies jedoch nicht einfach. McAlbert, schon von Natur aus nicht der Kräftigste, musste sich sehr anstrengen. Ohne Collmann hätte er es nicht geschafft, den Unbekannten in die Forschungsbasis zu transportieren.
Die gefütterten Handschuhe verhinderten, dass er richtig zufassen konnte und die Tatsache, dass der Fremde ebenfalls dicke Kälteschutzkleidung trug, erschwerte das ganze noch zusätzlich.
Er fand kaum eine richtige Griffstelle.
Nach einigen Bemühungen gelang es ihnen endlich. Sie hatten den Eingang der Basis erreicht.
Schnell schoben sie sich durch die Schleuse und waren mehr als erleichtert, als die Wärme der Station sie empfing.
Das andere Team schlief anscheinend noch immer, denn bis auf das gelegentliche Piepsen der Computer war nichts zu hören.
Auch gut. Dachte McAlbert.
Dann stehen sie uns fürs Erste nicht im Weg herum.
Collmann war bereits damit beschäftigt, sich aus seinen massigen Wintersachen zu befreien. Es war jedes Mal eine Wohltat, die schwere Kleidung abzulegen und sich wieder frei bewegen zu können.
Auch McAlbert entledigte sich seiner Schutzkleidung und atmete erleichtert auf.
Es war nicht angenehm, sich in den dicken Mänteln zu bewegen. Aber hier am Pol gab es keine andere Möglichkeit.
Wollte man die Forschungsstation verlassen, ging dies nur mit der ungeliebten Schutzkleidung. Andernfalls konnte man die Kälte bloß wenige Sekunden aushalten.
"Ich koche heißen Tee." Sagte Collmann und machte sich auf dem Weg zur Küche.
"Kümmerst du dich um unseren Gast?"
McAlbert nickte, obwohl er wusste, dass Collmann bereits um die Ecke gebogen war.
Es war eine Tradition, dass der, der als Erster mit dem Umziehen fertig war, den Tee kochen ging. Auch in dieser ungewöhnlichen Situation hielten sie an ihrer Gewohnheit fest.
McAlbert würde es schon alleine schaffen, dem Unbekannten die Polarkleidung zu entfernen.
Zuerst zog er ihm die eiskalten Handschuhe aus, dann befreite er ihn von Schal und Mütze und anschließend von der stark gefütterten Felljacke. Es ging leichter und schneller als gedacht und endlich konnte er den Fremden richtig ansehen.
Nein, ein verlaufener Inuit war das ganz sicher nicht.
Er hatte leicht welliges, etwas längeres blondes Haar und helle Haut.
Außerdem war er recht groß, soweit McAlbert das einschätzen konnte. Er zog ihn ins Labor, das ihnen gleichzeitig als Aufenthaltsraum diente und legte ihn auf das dort stehende Sofa. Ohne die dicke Kleidung ging es nun viel leichter.
Noch immer bewegte sich der Fremde nicht.
McAlbert berührte vorsichtig seine Hand. "Harry, bring eine Decke mit, ich glaube er ist ein bisschen unterkühlt!"
Rief er in Richtung Küche, erstaunt darüber, dass der Unbekannte trotz der dicken Polarkleidung ziemlich ausgekühlt war.
"Und ein Fieberthermometer, falls du eins findest!" Fügte er noch hinzu.
Professor Collmann kam mit zwei Tassen dampfend heißem Tee um die Ecke gebogen.
"Moment, Moment. Hier ist erst mal der Tee."
Er stellte die Tassen auf einem der grauen Schreibtische ab und verschwand wieder. Nur Sekunden später kam er mit einer dicken Baumwolldecke zurück. "Hier, nimm die. Das dürfte ausreichen. Hier drinnen ist es immerhin schön warm. Ach ja, hier hast du dein Thermometer." Er reichte ihm beides und ließ sich auf einen in der Nähe stehenden Bürostuhl fallen.
"Ist das ein Russe?"
Überrascht betrachtete er den blonden Mann.
"Sieht auf jeden Fall nicht nach Polarbewohner aus." Er rollte näher mit seinem Stuhl heran.
"Hat er irgendwelche Papiere bei sich?"
McAlbert schüttelte den Kopf. "Nein, es sieht nicht so aus. Seine Taschen sind komplett leer. Keine Papiere, kein Geld, kein gar nichts."
Er sah verunsichert aus. "Meinst du wir haben einen russischen Flüchtling eingesammelt? Einen Verbrecher aus Sibirien?"
Collmann zuckte mit den Schultern. "Und wenn schon. Was tut das zur
Sache?"
Dann machte er eine kurze Pause.
"Bist du sicher, dass wir im Iglu nichts übersehen haben? Eine Tasche oder einen Rucksack vielleicht? Irgendein anderes Gepäckstück?"
Für einen kurzen Augenblick dachte McAlbert nach, dann erst antwortete er.
"Nein, ich bin mir ganz sicher, dass dort nichts war. Nichts außer dem Lagerfeuer, den Decken und dem Holz. Ach ja und dem Kochtopf natürlich." Er stand auf und ging zum Satellitentelefon.
"Soll ich den Chef anrufen?"
Collmann zog die Stirn in Falten. "Was willst du ihm denn sagen? Warte lieber ab, bis wir genauere Infos haben. Noch wissen wir immerhin gar nichts. Lass uns erst einmal mit dem Mann reden, sobald er wieder zu sich gekommen ist. Er saß sicher nicht grundlos hier oben am Pol in einem kleinen Iglu."
Dr. McAlbert legte das Telefon zurück. Collmann hatte recht. Erst einmal mussten sie sich Klarheit über die Situation verschaffen und herausfinden, wer der Fremde war.
Bericht erstatten konnten sie auch später noch.