"Ilumnia ~ Vermisst"//(31) Kapitel 4: Teil 9
Er genoss das kalte Wasser, das seinen Rücken hinab rann und von seinen Haaren tropfte. Es gab nichts Schöneres, als eine kühle Dusche nach einem erfolgreichen Training.
Ganz sicher würde ihr Team den Wettkampf gewinnen. Sie hatten so viel geübt und trainierten täglich. Sie konnten gar nicht verlieren. Auch wenn die Konkurrenz ebenfalls hart arbeitete, sie waren die Einzigen, die wirklich nahezu jede freie Minute auf dem etwas abgelegenen Kugelball-Übungsfeld verbrachten.
Sajit hatte sich bereits umgezogen und war zurück zum Campus gegangen. Er duschte lieber zuhause in seinem eigenen Badezimmer.
Moshe aber liebte es, sich nach dem Sport hier in den Umkleidekabinen, zwischen alten Sportsocken und dem Geruch von Turnschuhen, abzuduschen und das vorangegangene Training noch einmal Revue passieren zu lassen.
Seiner Meinung nach, konnte man nur hier im Sportkomplex die richtige Atmosphäre spüren.
Sajit hatte natürlich Recht, hier draußen war es warm und stickig. Und der Geruch nach vor sich hin gammelnden Schuhen war alles andere als angenehm. Doch genau das, übte das besondere Flair dieses Ortes aus. Eine
Umkleidekabine ohne Schweißgeruch war keine echte Umkleidekabine.
Auch den riesigen Duschraum mochte er. Die Duschen waren im Abstand von etwa 2 Metern an der Wand befestigt, ohne Abtrennung dazwischen.
Manchmal, wenn Moshe der Sinn danach stand und sich außer ihm kein anderer hier befand, was zumeist der Fall war, aktivierte er alle acht Duschen und rannte der Reihe nach unter ihnen durch.
Dabei zählte er, wie oft er hin und her rennen konnte, bis die erste Dusche ausging. Sein Rekord lag bei 14 Bahnen. Sieben mal hin und her.
Es war nicht einfach, auf dem gefliesten, klitschig nassen Boden zu laufen. Immer wieder rutschte er aus oder fiel beinahe hin. Doch bisher hatte er sich meist wieder gefangen.
Nur einmal war es ihm passiert, dass er zu schnell beschleunigen wollte und in einer Pfütze aus Wasser und Duschgelresten weggerutscht und schmerzhaft auf den Hintern gefallen war.
Damals konnte er ganze drei Tage kaum noch sitzen. Daraus hatte er gelernt. Er war nun um Einiges vorsichtiger als zuvor.
Auch wenn ihm das meist eine halbe Bahn kostete. Noch einmal sollte ihm das nicht passieren.
Auch heute hätte er dieses Spiel gerne gemacht, doch in der anderen Ecke des Duschraums stand einer der Rekruten und wusch sich gerade die Haare. Er hatte auf der Tartanbahn trainiert und war zwei Stunden lang im
Kreis gelaufen.
Moshe fragte sich regelmäßig, wieso einige Rekruten sich dies freiwillig antaten. Auch am Abend war es hier draußen heiß und das Laufen fiel einem bereits nach wenigen Minuten schwer.
Anders als beim Kugelball, bei dem man die Anstrengung leicht einmal vergessen konnte, rannte man beim Training auf der Tartanbahn nur im Kreis herum.
Immer und immer wieder. Bereits nach einer halben Stunde fühlte man sich so geschafft, als wäre man einen 40 Kilometer Marathon gelaufen.
Es gab einfach keine Möglichkeit um sich abzulenken. Dadurch spürte man die Erschöpfung umso schneller.
Manche Rekruten versuchten, bei Musik zu laufen und hatten sich MP3-Player an die Sportkleidung geheftet. Sie schworen darauf.
Moshe hatte ebenfalls einmal versucht, jedoch schon bald bemerkt, dass ihn die
Musik das Laufen nicht erleichterte, sondern im Gegenteil, recht schnell nur noch auf die Nerven schlug. Zum Laufen brauchte er Ruhe.
Meist verbrachte er die Zeit damit, über irgendetwas nachzudenken. Er wusste zwar, dass er durch das Denken wertvolle Energien verschwendete, welche er besser in sein Training hätte investieren sollen, jedoch hatte er bisher keine andere Alternative gefunden.
Schon oft hatte er versucht, einfach an gar nichts zu denken, einen Tipp, den Sajit ihm vor einiger Zeit gegeben hatte, jedoch war er jedes Mal bereits an dem Aspekt gescheitert, dass er krampfhaft versuchte, nicht zu denken.
Was zur Folge hatte, dass er in eben diesem Moment wieder an etwas gedacht hatte, nämlich daran, dass er an nichts denken wollte.
Moshe schüttelte den Kopf und eine Strähne seines mittlerweile wieder länger gewordenen dunklen Haares rutsche ihm in die Stirn. Er würde es bald wieder abschneiden müssen.
Normalerweise bemühte er sich, seine Haare auf der Länge von eingen wenigen Zentimetern zu halten. Sie wuchsen jedoch so schnell, dass dies kaum möglich war. Schon wieder waren sie so lang, dass er sie zurückgelen musste, um sie nicht permanent über die Stirn hängen zu
haben.
Er war immerhin kein Mädchen und ein Pony war seiner Meinung nach absolut nicht männlich.
Sajit störte sich dagehen kein bisschen an seinen meist relativ langen Haaren. Zwar hatte er auch schon gelegentlich versucht, sie abzuschneiden, jedoch war er dafür meist schlichtweg zu faul.
Nicht selten trug er sogar einen Pferdeschwanz. Moshe konnte das nicht nachvollziehen, obwohl er neidisch feststellen musste, dass nicht wenige der Rekrutinnen und Anwärterinnen sehr wohl darauf standen.
Sajit hatte beinahe an jeder Ecke des Campus eine Verehrerin stehen. Der Inder schien irgendetwas zu besitzen, von dem sich die Mädchen magisch angezogen fühlten.
Bisher war es Moshe jedoch nicht gelungen, herauszufinden, worum es sich dabei handelte.