"Ilumnia ~ Vermisst"//(29) Kapitel 4: Teil 7
"Früchte- oder Schwarztee?" Collmann kam mit zwei dampfenden, gut riechenden Kannen zurück in den Aufenthaltsraum.
Unter den Arm hatte er sich eine Packung Kekse geklemmt und versuchte nun, alle drei Sache auszubalancieren.
Es gelang ihm erstaunlich gut und er schaffte es, sowohl die Kannen als auch die Kekse sicher auf dem kleinen Tisch abzustellen. Noch einmal verschwand er, diesmal jedoch nur kurz, um ein Tablett mit drei Teetassen sowie den passenden Untertassen und einer kleinen Schüssel für das Gebäck herbeizuholen. Auch dieses stellte er auf dem Tisch ab, dann zog er einen Sessel heran und ließ sich darauf fallen.
Während er in der Küche war, hatte McAlbert den Fremden bereits in ein Gespräch verwickelt. Sie unterhielten sich angeregt über die preisliche Entwicklung auf dem amerikanischem Ölmarkt und dessen Wert an der internationalen Börse.
"Früchtetee." Unterbrach McAlbert den hitzigen Dialog. "Schwarztee" entgegnete Marcus.
Damit wurde die Diskussion wieder aufgenommen. McAlbert, selbst ein Liebhaber des Börsenhandels, war hin und weg von der offenkundigen Fachkenntnis ihrer Besuchers. Immer wieder stellte er Fragen, ließ sich Tipps für das Spekulieren an der Wallstreet geben und berichtete von seinen bisherigen Erfolgen und Misserfolgen. Nicht selten hatte er schon,
oft von Erfolg gekrönt, auf Aktien diverser Ölförderfirmen gesetzt.
Marcus redete und redete. Auch wenn es ihm anfangs nicht leicht gefallen war, hatte er sich doch schnell in die Rolle des Ölsachkundigen hineingefunden. Früher hatte er gern Theater gespielt, das kam ihm nun zugute. Er konnte improvisieren wie kein anderer und tat dies auch allzu gern.
Mittlerweile hatte er sogar Spaß daran, seine Geschichte mit vermeintlichen Erlebnissen und Anektdoten immer weiter
auszuschmücken. Man merkte ihm nicht an, dass er in Wirklichkeit keine Ahnung von irgendwelchen, den Ölhandel betreffenden, Belangen hatte, ja auch mit der Börse war er noch nie in Berührung gekommen war. Er hatte lediglich einige Reportagen auf CNN angesehen, wenn ihn der triste Alltag in Nevada wieder einmal nervte.
Dankbar dafür, nutzte er nun sein brillantes Gedächtnis und rief die bereits etwas trüben Erinnerungen ab. Es war lange her, dass er diese TV-Reportagen gesehen hatte, trotzdem fielen ihm jetzt beim darüber Erzählen viele, bereits vergessen geglaubte, Details wieder ein.
Er konnte die Preisentwicklung des Ölmarktes für die letzten zehn Jahre herunterbeten, ebenso wie die Erklärung, weshalb man nun auch am Nordpol große Mengen an Rohöl vermutete und erforschte.
Auch der Aspekt des Umweltschutzes blieb nicht außen vor, sondern Marcus legte die globalen Bedeutungen der Ölförderung, ganz besonders auch hier an den Polen, eindrücklich dar.
McAlbert war bereits vollauf begeistert, von dem Fremden. Er genoss es, einmal einen anderen Menschen, als täglich
nur seine drei Kollegen, um sich zu haben und freute sich, dass sie ausgerechnet einen vermeintlichen Ölforscher aufgegriffen hatten.
Collmann war weniger begeistert. Der Ölhandel interessierte ihn kein bisschen und er hatte es bereits als störend und nervend empfungen, wenn McAlbert gelegentlich anfing, darüber zu philosophieren. Jetzt noch jemanden von dieser Sorte hier zu haben, war nicht unbedingt das, was er sich brennend wünschte.
McAlbert hatte nun zwar einen Gesprächspartner gefunden, jedoch musste sich Collmann nun die nächsten Stunden über Geschichten aus der Ölbranche anhören.
Viel lieber hätte er Näheres zum plötzlichen Auftauchen des fremden Mannes erfahren, McAlbert lenkte das Gespräch jedoch immer in die selbe Richtung. Ölförderung, Ölhandel, Börsenspekulation, Aktien und Entwicklung der Marktpreise.
"Warum haben sie uns dann nicht gleich gesagt, woher sie kommen?" Collmann wollte nicht weiterhin nur schweigend daneben sitzen und den führ ihn langweiligen Ausführungen beiwohnen müssen, doch anstelle von Marcus antwortete ihm McAlbert.
"Aber Harry, was soll denn diese Frage? Dir ist doch sicher bewusst, welch riskantes Geschäft der Handel mit einem so wichtigen Rohstoff ist. Kannst du denn nicht nachvollziehen, dass Herr Deluvian sich nicht vor jedem Fremden zu erkennen geben möchte? Die Basis hier oben ist ein als vertraulich eingestuftes Projekt der USA. Dir ist doch sicher klar, dass Herr Deluvian versuchen soll, ein solch schwieriges Thema zu vermeiden? Sicher gefällt es seinen Chefs nicht, wenn er jedem Zweiten von seiner Arbeit erzählt. Wir können von großem Glück sprechen, dass er uns dieses Privileg zukommen lässt."
Er klatschte entzückt in die Hände.
"Ja, wir sollten sogar dankbar sein. Wann hat man schon einmal die Chance, Anlegertipps von einem echten Profi zu erhalten?"
Damit war die Sache für ihn erledigt und er widmete Marcus wieder seine volle Aufmerksamkeit.
Besorgt stellte Collmann fest, dass der so sympathisch wirkenden Fremde seinen Kollegen vollkommen in seinen
Bann gezogen hatte. Dabei war McAlbert sonst nicht so einfach zu beeindrucken.