"Ilumnia ~ Vermisst"//(22) Kapitel 3: Teil 7
"Für heute bist du entlassen. Aber bilde dir nicht ein, du würdest eine Strafe umgehen. Nein, sobald der göttliche Rat getagt hat, werden wir das Gespräch fortsetzen. Bis dahin dürfte auch Marcus aufgefunden sein."
Bevor sie irgendetwas erwidern konnte, wies er sie aus dem Raum.
Ohne jegliche Verabschiedung betrat sie den Flur und ging in Richtung ihres Zimmers davon.
Mit jedem Meter wurde sie schneller und am Ende rannte sie die Korridore entlang, über den Campus zu ihrem Wohngebäude, die Treppen hinauf zum dritten Stock und bliebt erst vor ihrer Tür stehen.
Schniefend murmelte sie "Indubtio" und zeichnete den gewohnten Kreis in die Luft.
Sofort schwang die Tür auf gab den Weg frei.
Tränen standen ihr in den Augen und sobald sie die Tür geschlossen hatte, ließ sie sich auf ihr Bett fallen, vergrub den Kopf in den Kissen und weinte lautlos. Dabei wusste sie nicht einmal wieso.
Einerseits war sie wütend. Wütend auf alles um sie herum und ganz besonders auf den Counsellor.
Warum behandelten sie sie wie Gefangene?
Andererseits war sie traurig, dass Marcus nicht hier war.
Wie gern hätte sie mit ihm geredet und einen Plan überlegt um es dem Counsellor so richtig heimzuzahlen. Sie hätte nie geglaubt, dass sie ihn jemals so vermissen würde, gingen sie sich doch auch auf die Nerven und stritten über belanglose Kleinigkeiten.
Aber trotz allem, man konnte mit ihm immer und über alles reden. Seit zwei Monaten war er nun schon weg und Leticia kam es bereits vor, als wären Jahre vergangen.
Sie wünschte ihm zwar, dass seine Flucht gelang und die Vereinigung ihn nicht finden würde, insgeheim jedoch hoffte sie auf das Gegenteil. Auch wenn dies mehr als eigennützig gedacht war, wenn sie schon hier fest saß, dann wollte sie ihn wenigstens zur Gesellschaft.
Mit Arina, Sajit und Moshe konnte man das einfach nicht vergleichen. Alle fünf waren gute Freunde und verstanden sich die meiste Zeit über ausgezeichnet, jedoch war das Verhältnis weder zu Arina, noch zu Sajit oder Moshe auch nur annähernd so wie zu Marcus. Es fehlte einfach irgendetwas.
Sie und Marcus verstanden sich ohne Worte und auch in Teamübungen im Unterricht gehörten sie immer zu den besten.
Doch nicht einmal ihr hatte er von seinen Fluchtplänen erzählt!
Wütend schleuderte sie ihr großes Daunenkissen gegen die Wand.
Warum hatte er sie so belogen?
Allen anderen hätte sie diesen Verrat zugetraut. Allen, außer Marcus.
Sicher, er hatte bestimmt seine Gründe. Aber in diesem Moment waren sie Leticia vollkommen egal.
Für diese Tat hasste sie ihn.
Sie ignorierte das Klopfen an ihrer Tür.
Bestimmt Arina.
Sie wollte jetzt keinen Besuch, niemand sollte sehen, dass sie geweint hatte. Ihr sonst trotz der Hitze so perfektes Make-Up war verschmiert und ihre Augen gerötet.
Nicht einmal Ari durfte sie so sehen.
"Lety, bist du da?"
Arina klopfte ein weiteres Mal.
Leticia kroch unter die Bettdecke, darauf bedacht, nicht das kleinste Geräusch von sich zu geben. Sicher, es war feige, aber sie hatte gerade keine Lust, irgendjemanden sehen, geschweige denn, mit irgendwem reden zu müssen.
"Man Lety, ich hab doch gehört, dass du hochgekommen bist..." Sie wartete noch einen Augenblick und drehte dann ab.
"Na wie du meinst. Komm einfach nachher rüber. Und erzähl mir, wie es gelaufen ist."
Einen Augenblick später, hörte Leticia Arinas Tür ins Schloss fallen. Sie blickte zum Fenster, konzentrierte sich und ließ die Jalousien heruntergleiten.
So konnte niemand von der Terrasse aus in ihr Zimmer sehen. Der abgedunkelte Raum wirkte beruhigend. Durch die Spalten dran zwar noch ausreichend Licht, dass sie ihre Umgebung erkennen konnte, jedoch fühlte sie sich nun sicher und geborgen. Sie schob sich unter ihrer Decke und rollte sich wie eine Katze zusammen.
Heute würde sie den Raum nicht mehr verlassen.
Mehr denn je hatte sie das Gefühl, eine Gefangene der Vereinigung zu sein.
Ein Sklave dieser Sekte.
Auch wenn sich die Vereinigung vehement gegen diese Bezeichnung wehrte, im Grunde genommen war es doch nichts Anderes.
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