Verrückt! (joru032)

joru (47)in #writing • 6 years ago

Verrückt!

Das weiße Laken liegt peinlich genau gestrafft über der dünnen Matratze auf dem mit weißem Gummi überzogenen Eisengestell. Darauf: Festgezurrt, mit abgeschabten Lederriemen zur Bewegungsunfähigkeit verdammt: Ein Mann. Die Augen rotgeschwollen und geschlossen. Mit friedlicher, gelöster Miene; er schläft jedoch nicht. Er ist nur „weg“, weit weg ohne zu wissen, wo und was „dort“ ist. Nur so friedlich ist es jetzt, so ruhig.

Wenige Minuten zuvor hat er noch geschrien und getobt. Doch die bewährten ledernen Fesseln haben gehalten und seine ohnmächtigen Befreiungsversuche erstickt - wie schon viele Male zuvor auch. Er hatte diese Spritze nicht wollen, hatte sie noch nie wollen. Obwohl dieser so nett und vertrauenswürdig aussehende, weißbekittelte Arzt ihm beteuert hatte, immer und immer wieder, jeden Tag, dass sie alle nur sein Bestes wollten; ihm helfen aus seiner „momentanen depressiven Phase“ wie er sagte, herauszukommen und wieder gesund nach Hause gehen zu können. Obwohl auch die beiden stiernackigen Pfleger, die ihn und das Bett festhielten, gutmütig freundlich lächelten. Doch er wollte diese Spritze wirklich nicht und nie wieder eine. Er wollte wieder denken können, wieder frei atmen und reden. Er glaubte nicht, dass sie ihn wirklich gesundmachen wollten.

Ja, da war er vor ein paar Tagen, vielleicht waren es auch nur Stunden oder sogar Wochen, ausgeflippt. Sein Verstand hatte plötzlich einfach ausgeklinkt und er hatte dann alles zusammengeschlagen in seiner Wohnung und sich dann die Pulsadern beider Hände aufgeschnitten.

Aber er war doch betrunken gewesen, hatte eine schlimme Zeit mit seiner Frau durchgemacht und zu trinken angefangen. Sowas kann doch vorkommen. Da ist man doch nicht gleich verrückt. Das hatte er ihnen immer wieder gesagt, es in ihre immer lächelnden Gesichter geschrien. Doch sie haben nur gemeint, er brauche viel Hilfe und dass sie ihn verstünden, seine Freunde wären. Wussten sie auch, wer sie gerufen hatte? Jetzt hatte sie die Wohnung doch bekommen – seine Ex-Frau.

Und nun war er „weg“, wusste nicht, ob er dachte, ob er träumte, wo er war. Es war alles gut jetzt. Es war warm und er fühlte sich wohl. In ein paar Stunden werden sie wiederkommen – dann, wenn er die Augen aufschlagen und merken wird, dass er „hier“ ist.