Der Reset Button meines Lebens - Genesungstagebuch 2017 - Teil 4

in #deutsch7 years ago (edited)

"Die Zukunft gehört denen, die an die Wahrhaftigkeit ihrer Träume glauben." Eleanor Roosevelt


Der Traum von der eigenen Yacht. Cala d'or, Mallorca im Juni 2011.

Eine eigene Yacht zu besitzen war nur ein kurzes Gedankenexperiment. Die Kosten für Anschaffung und Unterhalt sind viel zu hoch. Aber ein bis zwei mal im Jahr im Urlaub eine Yacht chartern zu können!!! Dies wurde zu meiner Vision, an der ich ab sofort arbeitete.

Am 14.06.2011 begann ich mit dem interaktiven Onlinekurs zum Erwerb des erforderlichen theoretischen und teilweise auch praktischen Wissens. Lernen für die Prüfungen zum Erwerb des Sportbotführerscheins-See (SBF-See). Der zu verinnerlichende Stoff war tatsächlich sehr umfangreich, besonders wenn man wie ich, bei NULL beginnen muss. Ich legte schriftlich fest: An 3-4 Abenden pro Woche wird für jeweils 3-4 Stunden gelernt. Der Fernseher bleibt aus. Im Laufe der nächsten Tage bestellte ich mir im Internet noch zwei weitere Hilfsmittel: Prüfungsbögen SFB-See zum Üben und ein Navigationsbesteck. Ich lernte in den folgenden Wochen sehr intensiv. Schließlich bin ich es von mir gewohnt, Prüfungen im ersten Anlauf zu bestehen. Alles andere wäre Zeitverschwendung.


Navigationsbesteck und Prüfungs-Übungsbögen SFB-See

theoretische und praktische Prüfungen

Nebenher galt es herauszufinden, wo ich zeitnah die theoretische Prüfung zum SBF-See ablegen kann. Außerdem brauchte ich eine 'Fahrschule' in der ich Bootsfahrstunden nehmen kann und die mich für die praktische Prüfung fit macht. Das geht nicht am Computer. Hier erwies sich der gebuchte Onlinekurs wiederum als nützlich. Eine Auflistung von Bootsfahrschulen nebst Prüfungsorten und -terminen findet man nämlich im geschützten Bereich der Website .

Jetzt konnte ich also weiter planen (schriftlich!):

  • eintägiges praktisches Intensivtraining (Einzelbetreuung) in der Segelschule Braun, Berlin Köpenik. Termin: 22.07.2011.
  • Übernachtung buchen. Hotel Spree Idyll vom 22. zum 23.07.2011. Meine Ehefrau Sabine, meine Tochter Julia und meine Labradorhündin Khira werden mich auf dieser Kurzreise begleiten und zwei schöne Tage an einem Berliner See verbringen.
  • theoretische Prüfung SBF-See in Grünheide, "Haus am Werlsee" am 23.07.2011 Vormittags.
  • praktische Prüfung SBF-See auf der Müggelspree, Berlin Köpenik am 23.07.2011 Nachmittags.


Eine kleine Stärkung vor der Heimfahrt. Die junge Dame ist meine Tochter Julia. Der Labrador ist unsere Khira. Meine Frau Sabine steht hinter der Kamera.


Die erste Etappe ist geschaft!

Zeitsprung. 4. Quartal 2015: Vorfreude.

Im Herbst jedes Jahres planen wir für gewöhnlich die Urlaubsreisen für das folgende Jahr.
Für mich beanspruchte ich um den Männertag im Mai 2016 eine Woche Urlaub. Segeltraining im Tyrrhenischen Meer :-) nur mit Freunden, ohne Ehefrauen. Unseren gemeinsamen 14-tägigen Haupturlaub planten wir zusammen mit zwei befreundeten Ehepaaren im August 2016 zu verbringen. Wir, das sind Carmen, Carsten, Grit, Ulf, Sabine und ich. Wir drei Männer sind allesamt begeisterte Segler, die Frauen machen mit, wollen aber nicht nur Segeln. Daher teilten wir die zwei Wochen wie folgt auf: 13. bis 19. August 2016 Erholung in einem Landhaus in der Toscana, in Pescia, Italien. Auf dem Programm stehen unter anderem Ausflüge nach Pisa, Lucca und Florenz. Die zweite Woche, vom 20. bis 27. August 2016 werden wir gemeinsam eine Segelyacht, eine Elan Impression 45 chartern, in der nördlichen Adria segeln und Venedig auf dem Wasserweg erkunden. Ein detailierter Reisebericht hierzu erfolgt später.


"Unsere" Elan Impression 45 "Histria" auf Am Wind Kurs im Golf von Venedig.

Ein Ehrentag steht bevor

Am 22.12.2015 wird meine Ehefrau Sabine ihren 50. Geburtstag feiern. Das verlangt nach einem ganz besonderem Geschenk. Gemeinsam mit meinen beiden Töchtern und Schwiegersöhnen überlegten wir uns eine spezielle Überraschung: wir nehmen uns die Woche vom 2. Juli bis 9. Juli 2016 alle arbeitsfrei. Ich chartere heimlich, also ohne das Sabine davon etwas mitbekommt, ein Hausboot. Groß genug für sieben Personen. Mit drei Schlafkabinen und zwei Nasszellen. Sieben Personen, das werden sein: das Geburtstagskind Sabine, unsere Tochter Susann, Schwiegersohn Johannes, unsere Tochter Julia, Marcus, klein Lotta und ich. Der 'Gutschein' für diesen gemeinsamen Familienurlaub auf den Wasserstraßen der Niederlande und ein abschließender gemeinsame Ausflug nach Amsterdam wird sicher eine gelungene Überraschung für meine liebe Frau und Mutter unserer Kinder zu ihrem bevorstehenden runden Geburtstag werden. Ich weiß, das Sabine schon immer mal von einem Hausbooturlaub geschwärmt hatte.

Urlaubsfotos Niederlande, 02. bis 10. Juli 2016


I'm so Happy


Johannes hält auf dem Vorschiff ausguck


Lotta als Steuermann


am Ijsselmeer


Sonnenuntergang am Kanal


Wassertor in Sneek


Drei Generationen bei der Mittagsruhe im Salon des Hausbootes


Blumenmarkt in Amsterdam

Das Tal der dunklen Schatten

Wenige Tage nach der Rückkehr aus diesem Urlaub suchte ich meinen Hausarzt auf. Ich fühlte mich überhaupt nicht mehr wohl und bekam schon bei geringer Anstrengung Herzschmerzen. Der Arzt untersuchte mich eingehend, machte u.a. ein EKG: das Herz ist in Ordnung. Die Lunge auch. Die Schwester entnahm mir mehrere Röhrchen Blut, und ich wurde für die darauffolgende Woche wieder bestellt. Doch schon am nächsten Tag klingelte mein Telefon. Ich soll mich sofort in der Praxis einfinden und mir eine Einweisung in die Hämatologische Abteilung des Küchwald-Klinikum Chemnitz abholen. Mit meinem Blutbild stimmt etwas ganz und gar nicht.

Am nächsten Tag lag ich im Krankenhaus. Wieder Blutentnahmen, EKG, CT von Herz und Lunge und am unangenehmsten: eine Knochenmarkpunktion im Beckenkamm. Am nächsten Tag klärte mich der behandelnde Arzt auf:

  1. ich habe viel zu wenig Erythrozyten (rote Blutkörperchen). Meine Sauerstofftransport-Kapazität beträgt nur 60% des minimal Wertes eines gesunden Menschen. Die Herzschmerzen kommen von den Herzkranzgefäßen, die bei Belastung unter akutem Sauerstoffmangel leiden.
  2. ich habe viel zu wenig Thrombozyten (Blutplättchen). Schon eine kleine Verletzung kann bei mir zu starken Blutverlust führen. Daneben besteht die Gefahr, das ich spontan innerlich verblute.
  3. mir fehlt es massiv an Leukozyten (weißen Blutkörperchen). Ich muss mich in acht nehmen vor Krankheitskeimen und den Kontakt mit anderen Menschen auf das notwendigste reduzieren. Ohne Abwehrkräfte könnte aus einem an sich harmlosen Infekt schnell eine tödliche Lungenentzündung werden.

Mit besorgter Mine verkündete der Arzt die genaue die Diagnose: Hochrisiko-MDS RAEB-II, 20% Blastenanteil im Knochenmark. Ich konnte damit nur wenig anfangen und googelte. Was ich herausfand war niederschmetternd: in diesem Stadium beträgt die statistische Überlebenserwartung nur 1 bis 2 Jahre. Ich hatte den vorläufigen Tiefpunkt meines Lebens erreicht.

Heute ist Sonntag, der 8. Januar 2017

Heute Morgen habe ich mir im Küchwald-Klinikum Chemnitz ambulant die notwendigen Infusionen verabreichen lassen. Den Sonntag Nachmittag und Abend verbringe ich zu Hause mit meiner Frau. Ich schreibe an diesem Artikel. Mir geht es den Umständen entsprechend gut, bin glücklich und zufrieden. Das MDS kann mich mal...

Ich habe Krebs. Einen ganz speziellen. Die blutbildenden Stammzellen im Knochenmark sind betroffen. Konkret: am 29. Juli 2016 wurde bei mir Hochrisiko-MDS RAEB-II diagnostiziert. Ohne die Hilfe der modernen Medizin eine absolut tödliche Krankheit.
So weit ich dazu in der Lage bin, werde ich regelmäßig an meinem Genesungstagebuch schreiben. Sollte sich mein Zustand mal vorübergehend verschlechtern, müsst ihr auf die Fortsetzung eventuell ein paar Tage warten :-)
Mit diesem Genesungstagebuch will ich nicht nur über meine Fortschritte (und eventuelle Rückschläge) berichten. Vor allem möchte Menschen in ähnlichen Situationen Mut machen. Egal ob sie selbst oder Angehörige bzw. Freunde betroffen sind.

Fortsetzung, Teil 5: Das Meer ruft - Ab in den Süden

Die vorhergehenden Artikel findest du hier:

  1. Teil: Auf der Isolierstation der Hämatologie - Was passiert da eigentlich in meinem Körper?
  2. Teil: Auf "Am Wind Kurs" - Geburtstag feiern im Krankenhaus
  3. Teil: Die 72 Stunden Regel - Endlich nach Hause

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Schöner Bericht und tolle Fotos. Ich wünsche Dir auch gute Besserung. In Chemnitz kenne ich mich auch aus, da bin ich nämlich geboren und aufgewachsen :-)

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Toller Bericht! Ich wünsche dir gute Besserung! Deine Lebensfreude und deine Familie werden dir Kraft geben.

Vielen Dank!
Auch du und die gesamte Steemit Community geben mir spürbar Kraft. :-)

einfach mal Klasse!! nehme ich gleich mit!

Vielen Dank für Deinen Bericht, ich habe gerade alle 4 Teile gelesen. Ich wünsche Dir gute Besserung!!

Ganz Herzlichen Dank!
Seit ich aus dem Krankenhaus entlassen und vorläufig (bis 16.01.) zu Hause bin, geht es mir von Tag zu Tag ein klein wenig besser. Mein Lebensmut war nie gebrochen und mein Tatendrang kehrt allmählich zurück. Ich schaffe das! Mit eurer Hilfe.

____/)____

Toller Bericht. Super Photos und sehr spannend.
Weiterhin gute Genesung.

Ich arbeite daran, bis heute Abend den Teil 5 fertigzustellen.
Vielen lieben Dank für die Genesungswünsche. Der vielfältige Zuspruch, den ich erhalte gibt mir richtig Kraft!

Das ist schön dass dich die Community ein bisschen aufbauen kann.
Freue mich auf Teil 5 :-)

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