Der Reset Button meines Lebens - Genesungstagebuch 2017 – Teil 16

in #deutsch7 years ago (edited)

Im Angesicht des Todes.


Sternennacht (The Starry Night), Vincent van Gogh. Quelle: Wikipedia, Lizenz: Gemeinfrei.

So wie der November 2016 grau war, wurde es im Monat darauf schwarz. Dabei begann der Dezember 2016 eigentlich "ganz normal".
Vom Montag, dem 5.12. bis Sonntag dem 11.12. erhalte ich meinen 4 Zyklus Vidaza. Mein permanentes Zahnweh wird in dieser Zeit mit Schmerzmitteln unterdrückt. Die Ärzte trauen sich nicht, während der Vidaza-Behandlung den Weisheitszahn zu extrahieren. Aber der Termin steht fest: am Montag, dem 12. Dezember kommt diese schmerzende Bestie endlich raus. Tatsächlich.

Am Dienstag, den 13.Dezember bekomme ich 38°C Fieber, am Mittwoch erreicht das Fieber 39°C und ich lande wieder in der Notaufnahme. Blutentnahme, diverse Abstriche.

Am 14.Dezember der erste Befund: ich hab Klebsilla Pneumanie im Blut. Multiresistente Keime. Schei...
Mein Fieber und die Schmerzen nehmen zu. Am Freitag, den 15. Dezember schwillt meine linke Wange zu einer großen, entzündeten Beule an. Kieferabszess.

Während der Zahn-OP sind da ebenfalls irgendwelche Keime eingedrungen. Am Samstag, dem 17. Dezember erfolgt eine Not-OP. Der Kiefer wird von außen, am Hals stumpf eröffnet und ein Kanal bis in den Mundraum "gegraben". Das eigentliche Ziel war, das nun Wundflüssigkeit ablaufen kann. Doch da kommt nichts. Alles ist trocken. Ich habe keine Leukozyten mehr, daher kann mein Körper nicht reagieren. Mir geht es von Tag zu Tag schlechter. Ich, der Optimist, bekomme Zweifel, ob ich das hier überleben werde. Die Ärzte wohl auch.


Nach der Not-OP, 17.12.2016

Am Mittwoch, dem 21.Dezember erklärt mir Dr. Hatem zur Visite, wie kritisch die Situation ist. Doch er hat noch ein As im Ärmel, will eine erfolgversprechende Behandlungsmethode ausprobieren, die Granulozytenspende eines passenden, freiwilligen, nicht blutsverwandten Spenders.

Zur Info: Granulozyten sind Fresszellen und gehören zu den weiße Blutkörperchen. Ca. die Hälfte aller Leukozyten sind Granulozyten. Granulozyten sind in der Lage, Krankheitserreger in sich aufzunehmen und zu zerstören.

Blutsbrüder

Sofort startet meine Frau einen Rundruf im Freundes- und Bekanntenkreis. Spontan bekommen wir unglaublich viele positive Rückmeldungen. Meine beiden Schwiegersöhne sowie viele Freunde und Bekannte erklären ihre Bereitschaft zur Granulozytenspende. Schon am nächsten Tag beginnen bei einigen von ihnen die Untersuchungen, ob sie grundsätzlich passen. Die statistische Wahrscheinlichkeit beträgt jeweils ca. 50%. In meinen Fall passen ALLE, DIE SICH UNTERSUCHEN LASSEN. Ich bin Sonntagskind :)

Die ärztliche Auswahl des Spenders fällt auf einen meiner beiden Schwiegersöhne.

Vorbereitungen beim Spender


Vorbereitung zur Granolozytenspende 26.12.2016

Für den Spender stellt die Granulozytenspende ebenfalls eine nicht unerhebliche Belastung dar. Am Abend vor der Spende muss er sich einen hormonähnlichen Stoff spritzen (G-CSF, Granulozyten Kolonie Stimulierender Faktor). G-CSF kurbelt die Produktion von Granolozyten im Knochenmark und die Ausschüttung der Selben in das Blut des Spenders an. Am folgenden Tag wird das Blut des Spenders durch eine Maschine geleitet und die Granulozyten mittels einer speziellen Zentrifuge innerhalb der Maschine abgetrennt und gesammelt. Das restliche Blut bekommt der Spender über die andere Armvene zurück. Diese Prozedur dauert mehrere Stunden.


Entnahme beim Spender 27.12.2016


Mein Weihnachtsbaum 2016


Ankunft der Granoozyten bei mir 27.12.2016


Granolozyteninfusion 27.12.2016

Ich erhalte die gespendeten Granulozyten am Dienstag, den 27.12.2017.
Schon am nächsten Tag beginnt meine Wunde im Kiefer zu nässen und mein Fieber steigt noch weiter. Doch ich spüre, es ist ein gutes Fieber. Es räumt auf...

Das Jahr 2016 neigt sich seinem Ende entgegen und ich schöpfe wieder Hoffnung. In den folgenden Tagen lässt das Fieber nach.
Kurz vor Mitternacht des 31.12.2016 treffe ich mich sogar mit einigen Mitpatienten im Gemeinschaftsraum des Krankenhauses und ich stoße mit einem halben Gläschen Sekt auf das Jahr 2017 an.

0:15 Uhr liege ich wieder im Bett und beobachte das Silvesterfeuerwerk im nahen Wohngebiet. Den Rest der Nacht schmiede ich Pläne für 2017.

Mit diesem Genesungstagebuch will ich nicht nur über meine Fortschritte (und eventuelle Rückschläge) berichten. Vor allem möchte Menschen in ähnlichen Situationen Mut machen. Egal ob sie selbst oder Angehörige bzw. Freunde betroffen sind.

Wird fortgesetzt…

Die vorhergehenden Artikel findest du hier:

Teil 15: Grauer November
Teil 14: Carpe Diem
Teil 13: Roller Coaster
Teil 12: Flaute
Teil 11: Abschied und Neubeginn
Teil 10: Land in Sicht - das große Update
Teil 9: Russisch Roulette - Entscheidung fürs Leben
Teil 8: Leben mit MDS - Ich wünsche mir Zeit
Teil 7: Was bitteschön ist Steemit!? - 33. Hochzeitstag
Teil 6: Club Nautique - Die Maus auf dem OP-Tisch
Teil 5: Das Meer ruft - Ab in den Süden
Teil 4: Prüfungen, Vorfreude und das Tal der dunklen Schatten
Teil 3: Die 72 Stunden Regel - Endlich nach Hause
Teil 2: Auf "Am Wind Kurs" - Geburtstag feiern im Krankenhaus
Teil 1: Auf der Isolierstation der Hämatologie - Was passiert da eigentlich in meinem Körper?

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Oh ja letzte Dezember, der war wirklich schwarz. Und emotional. Ein Monat zwischen Hoffen und Bangen. Und ganz viel Dankbarkeit für die Hilfe unserer Freunde und Familie. Ganz besonders die infrage kommenden Spender, die mit mir 1 Tag vor Weihnachten von Chemnitz nach Dresden gefahren sind und sich den Untersuchungs-Marathon unterzogen haben. Das werde ich euch nie vergessen!

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