Jeden Donnerstag werde ich einen bestimmten Mythos, eine Urban Legend, Verschwörungstheorie oder ein Stück Pseudo-Wissenschaft thematisieren. Dieses Mal führt uns die Reise unter die Haut. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir werfen einen näheren Blick auf die angeblichen Vorteile der Akupunktur.

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Verdorbenes Kind

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Als Kind war ich sehr häufig „krank“. Natürlich war ich nicht wirklich krank im eigentlichen Sinne. Ich gab lediglich vor, mich nicht gut zu fühlen, denn ich habe es immer gehasst zur Schule zu gehen (Ironie der Geschichte: Aufgrund dieses Verhaltens brauchte ich zwei Jahre länger als üblich, um mein Abitur abzulegen).
Einer der Wege, um meinen Zustand zu behandeln war das Verschreiben von Kuren. Das bedeutete, dass ich für etwa sechs Wochen ins Niemandsland geschickt wurde, um geheilt zu werden und erneut ein produktives Mitglied der Gesellschaft zu sein. Eines dieser zwei Ziele wurde erreicht. Ihr könnt raten, welches davon.
Abgesehen davon, dass ich dort den wohl zynischsten Psychologen traf, den man sich überhaupt vorstellen kann, wurde mein arrogantes Ego in ungeahnte Höhen gepusht, sobald ich die Ergebnisse des IQ-Test bekam, den ich zur Ankunft ablegen musste.
Hach, die gute, alte Zeit.

Aber genug von meiner seltsamen Kindheit. Wir sind schließlich hier, um über Wissenschaft zu reden. Als ich in der Klinik war, begannen die Ärzte irgendwann damit, Akupunktur zu nutzen, um mich zu kurieren. Damals hatte ich keine Idee davon, was Akupunktur erreichen sollte – und offenbar ging es denen ebenso.
Für jene von euch, die mit der Praxis der Akupunktur nicht vertraut sind, empfehle ich, den Film Matrix anzuschauen. Nachdem Neo aus der Matrix befreit wird und in der realen Welt aufwacht, steckt die Crew der Nebuchadnezzar Nadeln in seien Körper, um seine Schmerzen zu lindern und nie benutzten Muskeln zu entspannen. Aber vielleicht ist Akupunktur genauso Fiktion wie Matrix.
Lasst uns einen Blick auf die wissenschaftliche Forschung werfen und sehen, wie stark die Beweise für ihre Behauptungen sind.

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Eine Nadel für dich, eine für mich

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Studien sind immer schön, aber Meta-Analysen dieser sind sogar noch besser. Mit solchen kann man die Schwächen verschiedener Studien identifizieren und angemessen ansprechen. Da Akupunktur während der letzten Jahre recht populär geworden ist, verstärkte sich die Forschung hinsichtlich ihrer Vorteile ebenso. Das Problem dabei ist, dass der Großteil der verfügbaren Forschung, die gesundheitliche Vorteile unterstützt, methodisch schwach ist^[1].
Es gab einige Versuche, die Qualität der Forschung zu erhöhen, doch aufgrund der invasiven Natur der Akupunktur, ist das immer noch recht schwierig zu bewerkstelligen.
Obwohl einiges an Forschung verfügbar ist, werden lediglich zwei Symptome positiv von Akupunktur beeinflusst: Übelkeit/Brechreiz^[2][3] und Kopfschmerz^[4].
Doch wie ich bereits dargestellt habe, existieren methodische Probleme. Es ist daher nicht klar, ob diese medizinischen Erfolge eine Folge des Prozesses der Akupunktur sind oder lediglich ein Placebo-Effekt. Das Design der Studien, die unterstützende Beweise für die Behandlung genannter Symptome zeigen, kann das Auftreten von Placebo-Effekten nicht kontrollieren – weshalb es schwierig ist, die Effektivität einer verabreichten Behandlung konkret einzuschätzen.

Um dieses Problem angemessen zu lösen, versuchten andere Studien ein besseres Verständnis der Mechanismen, die für Akupunktur relevant sind, zu erreichen. Allerdings scheint es so zu sein, dass die Mehrheit dieser Studien nicht imstande ist, einen relevanten therapeutischen Einfluss auf die gesundheitliche Verfassung ihrer Patienten zu demonstrieren^[6].
Tatsächlich ist es so, dass Akupunktur grundsätzlich recht nutzlos ist. Wenn die Behandlung mit Akupunktur gegen eine Kontrollgruppe mit Place-Akupunktur getestet wird, treten dieselben Effekte auf – weder ist es relevant, wo die Nadeln platziert werden, noch ob man sie überhaupt irgendwo reinsteckt. Lasst mich das klarstellen:
Ihr werden denselben Einfluss der Akupunktur spüren, unabhängig davon ob ihr überhaupt damit behandelt werdet – solange ihr denkt, dass ihr es werdet^[7]. Das ist wirklich faszinierend. Stellt euch ein Unternehmen vor, das Fernseher verkauft, die nicht funktionieren. Doch solange ihr denkt, dass sie es tun, werdet ihr Filme sehen können – zumindest in eurem Kopf. Menschen wurden bereits für weniger ernste Halluzinationen ins Krankenhaus eingewiesen.

Aber was ist mit den zwei Symptomen, die von Akupunktur beeinflusst werden?
Nun, wie bereits gesagt, momentan ist keine Richtung wirklich klar. Ja, ich bin immer vorurteilsbeladen, wenn es um Pseudo-Medizin geht, doch ich bin es meiner intellektuellen Aufrichtigkeit schuldig, euch widersprüchliche Beweise ebenso vorzustellen. Es existieren tatsächlich einige Studien, die eine positive Verbindung zwischen der Behandlung mit Akupunktur nach einer Chemotherapie und deren Nebenwirkungen zeigen^[8]. Doch die Forscher sind sich methodischer Schwächen bewusst, daher kann weder eine abschließende Bestätigung oder Ablehnung ausgesprochen werden, ob therapeutische Vorteile der Akupunktur vorliegen.

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Die Welt ist grau

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Für mich ist es immer sehr spannend, sich durch Forschung und ihre Ergebnisse zu wühlen. Normalerweise beginne ich mit einer Idee von „Das MUSS doch Bullshit sein, oder?“ – sehr oft liege ich damit richtig. Doch manchmal ist es nicht ganz so schwarz-weiß, wie ich es gerne hätte.
Sicher, ich bin immer noch nicht von der Idee der Akupunktur überzeugt und dass sie eine sinnvolle Behandlung für medizinische Belange ist, doch es existiert zumindest etwas an Forschung, die auch gegen die Prüfung durch Meta-Analysen recht gut standhält. Vielleicht wird es an einem Punkt in der Zukunft abschließende Beweise für oder gegen diese Praxis geben. Wir werden sehen, denke ich.

Wie dem auch sei, momentan empfehle ich dennoch nicht, Akupunktur zu nutzen und gesundheitliche Effekte über den Placebo-Effekt hinaus zu erwarten. Außer ihr leidet an den Nachwirkungen einer kürzlichen Chemotherapie. Doch da die meisten von euch sich, hoffentlich, bester Gesundheit erfreuen, gibt es keinen Grund, Akupunktur als eine Behandlungsmethode für euren täglichen Schmerz und Überlebenskämpfe zu nutzen.
Wenn ihr das unbändig starke Verlangen danach habt, eine Nadel in etwas zu stecken – versucht es mit dem Arschloch an eurem Arbeitsplatz. Ich habe gehört, das wirkt Wunder.

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Fühlt euch jederzeit frei, meine Ideen zu diskutieren und eure Gedanken über die Dinge, die ich thematisiere, zu teilen. Niemand ist allwissend und wenn wir alle ein bisschen klüger als zuvor daraus hervorgehen, werden wir eine Menge erreicht haben.
Danke fürs Lesen und bleibt gesund.
Ego

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_{Logo by @lianaakobian}

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Quellen

_{[1] A. R. White, J. Filshie, T. M. Cummings. Clinical trials of acupuncture: consensus recommendations for optimal treatment, sham controls and blinding
[2] Ezzo JM, Richardson MA, Vickers A, et al. Acupuncture-point stimulation for chemotherapyinduced nausea or vomiting. Cochrane Database Syst Rev 2006;(2) DOI: 10.1002/14651858.CD002285. pub2. Art. No.: CD002285.
[3] Lee A, Done ML. Stimulation of the wrist acupuncture point P6 for preventing postoperative
nausea and vomiting. Cochrane Database Syst Rev 2004;(3) DOI: 10.1002/14651858.CD003281.pub2. Art. No.: CD003281.
[4] Melchart D, Linde K, Berman B, et al. Acupuncture for idiopathic headache. Cochrane Database of Syst Rev 2001;(1) DOI: 10.1002/14651858. CD001218. Art. No.: CD001218.
[5] Ernst, Edzard. Acupuncture: What Does the Most Reliable Evidence Tell Us?
[6] Ernst E. Acupunctureda critical analysis. J Intern Med 2006;259:125e137
[7] Gorski, David H. (2014). "Integrative oncology: really the best of both worlds?". Nature Reviews Cancer. 14.
[8] M. Kay Garcia, Jennifer McQuade, Robin Haddad, Sonya Patel, Richard Lee, Peiying Yang, J. Lynn Palmer, and Lorenzo Cohen. Systematic Review of Acupuncture in Cancer Care: A Synthesis of the Evidence. Journal of Clinical Oncology. 2013 Mar 1; 31(7): 952–960.}

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