Dein Gewicht ist nicht dein Schicksal – Übergewicht als Problem

in #de-stem7 years ago (edited)

For my English readers: this is a German translation of one of my earlier series, so you will not miss anything. You can find the original posts here:


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Quelle

Während dieses zweiten Teils werde ich auf einige der verbreitesten Mythen bezüglich Gewicht, Gesundheitsproblemen und ökonomischer Konsequenzen eingehen.

Mythos 1: Adipositas und Übergewicht sind keine globalen Probleme

Zu den größten Gesundheitsproblemen gehören in immer mehr Ländern gewichtsassoziierte Krankheiten und Einschränkungen. Eine erschreckende Anzahl von 1.9 – 2.1 Milliarden Menschen (Die WHO (1) spricht von ersterem, einige Studien behaupten Letzteres) der globalen Bevölkerung werden als übergewichtig oder adipös kategorisiert. Wie ein Meer an Studien zeigt, ist Übergewicht stark mit einer hohen Anzahl verschiedener Gesundheitsprobleme korreliert. Smith (2) schrieb dazu in einem 2016 veröffentlichten Artikel:

Übergewicht ist eine chronische Krankheit, welche mit einer höheren Erkrankungsrate und Sterblichkeit verbunden ist, inklusive Krebs, Herz- Kreislauferkrankungen, Behinderungen, Diabetes Mellitus, Bluthochdruck, Osteoarthritis und Schlaganfälle. […] Übergewicht und Adipositas sind die fünfthäufigste Todesursache weltweit, verantwortlich für beinahe 3,4 Millionen Tote jährlich.

(Übersetzung von mir)

Zu behaupten, es existieren keinerlei gewichtsbezogenen Probleme ist etwas, das kein Mensch bei Verstand weiterhin tun sollte. Natürlich hoffe ich, dass die meisten von euch das bereits wissen, aber wie ich im ersten Teil der Serie erklärt habe, gibt es leider eine ganze Reihe von Leuten, die das anders sehen.

Aber Übergewicht ist nicht nur ein Problem für die individuelle Gesundheit. Die Kosten für die Behandlung von übergewichtsassoziierten Krankheiten steigen ebenfalls. Obwohl es nicht so einfach ist, die genaue Höhe für jedes Land festzustellen, gibt es ein paar Daten für die Vereinigten Staaten. Hammond und Levine (2008) (3) zufolge gibt es drei ökonomische Faktoren, die man beachten muss:

  1. Eine konservative Schätzung der medizinischen Kosten von Adipositas bewegten sich 2008 etwa um die 147 Milliarden USD. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Zahl mittlerweile sehr viel höher ist.

  2. Die Kosten geringerer Produktivität – die Studie unterteilt das in vier verschiedene Kategorien (Abwesenheit, Anwesenheit, Behinderung und frühzeitiges Ableben) – welche auf etwa 66 Billionen USD pro Jahr geschätzt werden.

  3. Die zusätzlichen Kosten von Übergewicht beziehen sich auf Transport und Anhäufung von Humankapital. Diese sind recht schwierig konkret zu bestimmen, weshalb zusätzliche Forschung benötigt wird. So weit wie ich das verfügbare Material hierzu durchgesehen habe, war es mir nicht möglich, dazu konkrete Zahlen zu finden. Wenn also irgendjemand mehr Details hat, möge er sie mir bitte mitteilen.

Das war, natürlich, nur eine sehr kurze Übersicht der Probleme, den wir als Gesellschaft gegenüberstehen, wenn es um gewichtsbezogene Fragen geht. Dennoch hoffe ich, meinen Standpunkt recht deutlich gemacht zu haben: Übergewicht hat definitiv sowohl einen großen Einfluss auf individuelle Gesundheit als auch die gesellschaftliche Ökonomie.
Daher ist es notwendig, noch mehr falsche Überzeugungen zu besprechen.


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Quelle

Mythos 2: Gesundheit bei jedem Gewicht (Health at every size)

Wie ich im ersten Teil geschrieben habe, ist diese Aussage recht zynisch, wenn sie von Leuten kommt, die unermüdlich für „Fat-Acceptance“ werben.
Das Problem ist, dass, abseits des medizinischen Unwissens, die Menschen, die euch das erzählen, nicht wirklich glauben, was sie sagen. Sie meinen nicht „jedes Gewicht“, sondern „mein Gewicht“.
Das ist ein wichtiger Unterschied, den man sich bewusst machen sollte.

Es ist auch der Grund, warum sie jene Leute angreifen, die versuchen, ihre Lebensweise zu verändern und Gewicht verlieren möchten. Wenn sie wirklich „Health at every size“ meinten, würden sie die Entscheidung anderer Menschen einfach akzeptieren und sich um ihr eigenes Leben kümmern. Aber, leider, ist das selten der Fall.

Daher ist es an der Zeit, diese Behauptung von einem rationaleren Standpunkt aus zu untersuchen.
Jene, die schon dabei sind, meinen alleinigen Fokus auf Übergewicht und Adipositas zu kritisieren, bitte habt etwas Geduld. Ich werde zum Thema Untergewicht später auch noch ein paar Dinge sagen.
Der Grund, warum ich so auf das eine Extrem fixiert bin, ist, dass, basierend auf den verfügbaren Statistiken, es jenes ist, worunter mehr Menschen leiden. Und in meiner Wahrnehmung ist mit diesem Extrem auch etwas einfacher umzugehen. Es steht euch allerdings frei, mich da zu korrigieren.

Wie oben bereits erwähnt, gibt es viele verschiedene ernste medizinische Konsequenzen, die von Übergewicht verursacht werden können.
Bitte behaltet im Hinterkopf, dass ich hier von „versursacht werden können“ spreche. Jede seriöse Studie kann lediglich mehr oder weniger bedeutsame Korrelationen zwischen verschiedenen Variablen hervorheben. Es ist wichtig, diesen Umstand deutlich zu machen, denn ich habe von Aktivisten geschriebene Artikel gelesen, die behaupten, dass Wissenschaftler sagen, Übergewicht würde immer Krankheiten und frühen Tod bedeuten. Diese Aktivisten verwechseln Korrelation mit Kausalität und ich möchte vermeiden, dass irgendwelche Unklarheiten bei den Dingen entstehen, über die ich hier schreibe.
Alles, was ich zitiere oder schreibe, sollte immer mit einer „das kann passieren, muss aber nicht“ Idee im Hinterkopf gelesen werden.
Um diesen Punkt noch deutlicher zu machen, ist es hilfreich, auf die nackten Zahlen einiger Krankheiten zu schauen.

Diabetes

Graham et al. (1995) (4) veröffentlichten eine Langzeitstudie, die vierzehn Jahre und mehr als 100.000 Frauen umfasste, um gewichtsbezogene Risiken zu erforschen.
Ihren Ergebnissen zufolge ist es so, dass sobald der BMI 24 oder höher war, das Risiko an Diabetes zu erkranken stieg. Frauen, die im Vergleich zu normalgewichtigen Frauen zwischen 5-8kg an Gewicht zunahmen, hatten ein erhöhtes Risiko von 90%. Für jene, die zwischen 8-11kg zunahmen, erhöhte sich das Risiko sogar auf 270%.
Wohingegen Frauen, die mehr als 5kg verloren, nur halb so wahrscheinlich an Diabetes litten.

Eine Meta-Studie von Guh et al. (2009) (5) spricht von dementsprechend von einem sechsfachen Risiko für adipöse Männer im Vergleich zu normalgewichtigen. Das Risiko für adipöse Frauen stieg um ein alarmierendes Zwölffaches an.

Herz-Kreislauferkrankungen

Das ist ein weiteres medizinisches Problem, welches auftreten kann. Reis et al. (2013) (6) haben hierzu eine 25 Jahre andauernde Langzeitstudie genutzt, um einige interessante Ergebnisse zu präsentieren.
Keiner der 3.300 Teilnehmer war zu Beginn der Studie in den 80ern adipös. Am Ende waren es allerdings 40%. Die Ergebnisse sind ziemlich spannend:
Für jedes Jahr, das ein Teilnehmer adipös lebte, erhöhte sich sein Risiko für Herzerkrankungen um 2-4%. Von denjenigen, die während der Studie mehrere Jahre adipös waren, litten am Ende 27% an Herzerkrankungen. Zudem erklärt die bereits erwähnte Studie von Guh et al. (2009), dass ein 29%-iges Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen für übergewichtige Männer besteht, welches auf 72% bei adipösen ansteigt.
Frauen sind eine noch gefährdetere Spezies. Die übergewichtigen hatten ein erhöhtes Risiko von 82% und die adipösen Frauen waren bei erschreckenden 269%.

Krebs

Eine der heimtückischsten Krankheiten, die ein Mensch erleiden kann. Und Adipositas ist verantwortlich für über eine halbe Million neuer Krebspatienten jedes Jahr (Arnold et al., 2014) (7). Wieder einmal können wir auf die Analyse von Guh et al. (2009) schauen und entdecken Zahlen wie diese:
Frauen mit einem BMI zwischen 25-30 haben ein erhöhtes Risiko von Gebärmutterkrebs (53%), Darmkrebs (45%) und Nierenkrebs (82%); jene mit einem BMI über 30 hatten dementsprechend erhöhte Risiken von 222%, 66% und 164%.

Das Leben übergewichtiger Männer ist nicht viel besser (obwohl sie natürlich von Gebärmutterkrebs verschont bleiben). Für jene mit einem BMI zwischen 25-30 existiert ein erhöhtes Risiko von Darmkrebs (51%), Nierenkrebs (40%) und Pankreaskrebs (28%). Jene mit einem BMI über 30 waren entsprechend bei 95%, 82% und 129%.


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Quelle

Zwischenfazit

Puh. Das ist heftiger Scheiß, der hier passiert. Natürlich ist diese Auflistung weit davon entfernt, komplett zu sein. Es gibt noch viel mehr medizinische Probleme, um die ihr euch sorgen solltet. Aber ich will euch nicht zu sehr mit Statistiken und Zahlen langweilen. Für mich ist es wichtiger, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die mit Übergewicht einhergehen.
Allein über diese Zahlen nachzudenken, sollte die Bereitschaft steigern, wesentlich mehr auf euren Körper zu achten und ich hoffe sehr, ich kann dabei helfen, dass dies zumindest ein paar Leute tun.
Wenn ich auf den eben geschriebenen Artikel schaue, ist es traurig, an die betroffenen Menschen zu denken. Ich kann mir vorstellen, dass so ein Leben nicht einfach ist und ich denke, dass jeder etwas Besseres verdient.

Doch nicht alle Hoffnung ist verloren – es gibt einen Weg nach draußen. Es mag nicht einfach oder angenehm sein, doch Schritt für Schritt kann es jeder schaffen.
Im nächsten Teil werde ich über angemessene Ernährung und Mythen über Essen bzw. Essverhalten schreiben. Zusätzlich zeige ich euch, wie ihr feststellen könnt, wie viel euer Körper tatsächlich braucht.


Fühlt euch jederzeit frei, meine Ideen zu diskutieren und eure Gedanken über die Dinge, die ich thematisiere, zu teilen. Niemand ist allwissend und wenn wir alle ein bisschen klüger als zuvor daraus hervorgehen, werden wir eine Menge erreicht haben.
Danke fürs Lesen und bleibt gesund.
Ego


Falls ihr euch für Wissenschaft begeistern könnt, dann schaut unbedingt unter #steemstem bzw. #de-stem vorbei!


Quellen

(1) http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs311/en/

(2) Smith, Breuhl Kristy; Smith, Michael Seth; 2016; MD; CAQ-SM; PharmD, doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.pop.2015.10.001

(3) Hammond, Ross A; Levine, Ruth; Diabetes Metabolic Syndrome and Obesity: Targets and Therapy; 2010; 3; 285-295; doi: https://dx.doi.org/10.2147%2FDMSOTT.S7384

(4) Graham A. Colditz, MBBS, DrPH; Walter C. Willett, MD; Andrea Rotnitzky, PhD; JoAnn E. Manson, MD; Ann Intern Med. 1995;122(7):481-486; doi: 10.7326/0003-4819-122-7-199504010-00001

(5) Guh, D.P., Zhang, W., Bansback, N., Amarsi, Z., Birmingham, C.L. & Anis, A.H. (2009) The incidence of co-morbidities related to obesity and overweight: a systematic review and meta-analysis. BMC Public Health. 9:88.

(6) Jared P. Reis, PhD; Catherine M. Loria, PhD; Cora E. Lewis, MD, MSPH; et al; Association Between Duration of Overall and Abdominal Obesity Beginning in Young Adulthood and Coronary Artery Calcification in Middle Age; 2013; https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/1713590?=

(7) Arnold, M., Pandeya, N., Byrnes, G., Renehan, A.G., Stevens, G.A., Ezzati, M., Ferlay, J., Miranda, J., Romieu, I., Dikshit, R., Forman, D. & Soerjomataram, I. (2014) Global burden of cancer attributable to high body-mass index in 2012: a population-based study. The Lancet Oncology, Early Online Publication, 26 November 2014


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