Biestjaeger: Die Schwarze Pyramide -027- Der Bergpass(2)

in #deutsch6 years ago

Das Ohr eines nahe schlafenden Wolfes richtete sich auf. Doch bevor er vollends wach wurde, zeigte Magnus auf das Leitwolfpärchen und sie warfen die Scheite mit lautem Gebrüll auf sie. Ruckartig schossen die Wölfe in die Höhe als der Leitwolf schmerzlich getroffen, auffuhr und andere Wölfe ebenfalls jaulten. Er rannte unter gequältem Heulen in Richtung Klamm davon. Das Rudel folgte ihm rennend hinterher und schon bald hörten sie das Jaulen und Heulen nicht mehr. Schnell packten die Abenteurer ihre Sachen und zogen weiter zum Bergsee hinunter. Doch vorher schlossen sie wieder das Tor, falls sie auf dem Rückweg hier rasten wollten.


Vom Plateau aus führte ein steiniger Weg herab. Zu ihrer Linken stiegen spitze Felsen empor die in der Sonne glitzerten. Die oberen Hälften waren allesamt mit einer dicken Schneedecke überzogen und kleine Wolken trieben zwischen ihnen umher. Nach einer Stunde, in der das Gefälle des Pfades seichter wurde, waren sie auf der Höhe des Bergsees angelangt.

Am Ufer schlug ihnen der kalte Wind ins Gesicht und sie zogen ihre Mäntel bis über die Nasen. Die freien Stellen prickelten nach nur wenigen Minuten und röteten sich zusehends. Mörme war wieder in der Satteltasche und in Starre gefallen. Dampf bildete sich vor den Nüstern der Feren bei jedem Ausatmen. Dimitrion ritt neben Grayden.

»Gegen Mittag liegt der See hinter uns, dann kommt eine Schlucht in der wir vor dem Wind geschützt sind«, rief er über den stark zugenommenen Wind hinweg.

Grayden nickte zum Zeichen, dass er verstanden habe. Sie ritten so schnell sie die Feren antreiben konnten und nach drei Stunden war das Ende des Sees erreicht. Der Pfad führte sie in eine tiefe Schlucht, dessen Wände zerklüftet waren. Hervorstehende Felsen waren mit großen Eiszapfen behangen und alle hofften, dass keiner von ihnen herunterfallen würde. Langsam trabten sie den gewundenen Weg entlang. Die Schlucht war an die hundert Meter tief aber nur vierzig Meter breit. Sie endete nach fünfhundert Metern in eine enge Stelle und in Hüfthöhe von Schnee und Eis verschlossen war. Dieses Hindernis zog bis in die nächste Schlucht hinein.

Grayden schaute an den Wänden empor um festzustellen ob sie eine Lawine auslösen würden wenn sie durch den Schnee stampfen. Doch die Felsvorhänge waren frei und sie hatten sowieso keine andere Wahl. Dimitrion stellte sich auf einmal vor sie und webte wieder einen Feuerspruch. Bevor auch nur irgendjemand etwas sagen konnte, war der Schnee geschmolzen und verdampfte. Nachdem der Dampf sich aufgelöst hatte, ritten sie weiter zur nächsten Schlucht. Diese fiel in mäßigem Gefälle zum Ende hin ab und war auch nur halb so lang wie die erste.
Danach kamen sie auf ein weiteres Plateau, das zum Süden in eine Klippe mündete und an dessen Grund ein Bach plätscherte. Grayden trat einen Kiesel los und schätzte die Tiefe. Nach kurzer Zeit platschte der Stein auf und der Schildmeister wusste, dass es zwischen fünfzig und sechzig Meter sein mochten. Die Wände glitzerten feucht und waren mit Blaumoos bewachsen. Das Plateau ging in einen schmalen Pfad über an dessen Ende eine steinerne Brücke über den tiefer liegenden Bach führte und drei Meter breit war. Zum Schutz gab es eine anderthalb Meter hohe Brüstung. Die Steine waren alt aber griffig, sodass keine Gefahr bestand auszurutschen. Drüben bestiegen sie wieder die Feren und ritten ein weiteres Stück den Pfad entlang der sanft nach unten auf eine weite Ebene führte.

Auch hier glitzerten Schneeflächen und blendeten die Augen der Abenteurer. Die Tiere brauchten eine Rast und eine Stunde später führten sie sie weiter den Pass hinab. Schon gegen Abend hatten sie das Gebiet hinter sich gebracht und mit jedem Schritt wurde es wärmer. Nun gab es nur noch unzählige kleine Rinnsale aus Schmelzwasser.


Der Boden wechselte sich großflächig mit Geröll und Grasflächen ab, die wiederum bald mit einzelnen Tannen gesprenkelt waren. Der Süden der Gebirgskette fiel wesentlich flacher ab als die Nordseite und sie konnten schon von weitem das üppige Blätterdach eines weiteren Waldes sehen. Dazu Bergziegen, die munter umher sprangen und die Gruppe bekam die Chance ihre Vorräte an Fleisch großzügig aufzufüllen.
An der Baumgrenze wuchsen andere Bäume als im Graanwald. Hier hatten sie dünnere Stämme und Äste. Ihre Blätter waren handbreit, dicklich und mit Zacken versehen. Andere ähnelten Sträuchern dessen Blätter wie eine Spirale geformt waren und gelbe Tropfen an den Spitzen herab hingen. Insekten blieben daran kleben und sie beobachteten wie sich die Blätter um ihre Opfer wickelten. Neugierig öffnete Shana solch eine Spirale und auf der Innenseite hafteten nur noch Reste der Insekten. Überrascht öffnete sie noch eine und drinnen sah sie dasselbe. Daraus folgerte sie, dass diese Pflanzen nicht viel von Licht und Wasser hielten. Nein, sie fraßen Fleisch wie Tiere oder Menschen.
Shana war fasziniert. So etwas hatte sie noch nie gesehen oder davon gehört.
Fleischfressende Pflanzen.

Sie nahm ihren Aetherfächer und skizzierte den Strauch in allen Einzelheiten. Grayden kannte dieses Verhalten und alle saßen ab. Die Bogenschützin und Alkemystin war von dieser Entdeckung vollkommen gefangen. Angezogen von Shanas Aura hopste Mörme herbei. Sie schnappte nach einem Fluginsekt, spuckte es aber wieder aus und strich sich angewidert mit ihren Füßen über die Zunge. Shana nahm das ausgespuckte Insekt mit spitzen Fingern und hielt sie an einen der gelben Tropfen. Blitzschnell kringelten sich die Blätter zusammen und schlossen das Opfer ein. Aufgeregt wiederholte sie den Versuch mit Insekten aus Spinnennetzen und schrieb sich alles genauestens auf.

In der Zwischenzeit hatten die anderen das Lagerfeuer entfacht und Magnus und Dimitrion zogen los um etwas Essbares zu erlegen. Sie kamen nahezu gleichzeitig mit Shana zum Lager zurück. Ohne auf die anderen oder gar auf Grayden zu achten blätterte sie in ihren Aufzeichnungen herum. Ab und zu warf sie einen Blick auf die fleischfressenden Pflanzen oder tippte sich mit dem Stift gedankenverloren an ihr Kinn, das hinterliess wilde Strichmuster und Grayden warnte die anderen, die sich ihr Lachen hinter vorgehaltener Hand verkniffen. Mit jedem Mal zeichnete sich mehr und mehr auf ihrem Kinn ein dunkler Bart ab. Ramloc konnte es als erster nicht mehr zurück halten und die anderen fielen in das ansteckende Lachen mit ein. Mit großen, fragenden Augen schaute sie die anderen der Reihe nach an.

»Was gibt es denn so lustiges?«, fragte sie unwissend.
»Nichts nichts. Wir sind nur froh endlich über den Berg zu sein. Wortwitz von Ramloc«, konnte Magnus mühsam hervor bringen.
»Ah ja. Muss ich wohl verpasst haben als er das sagte«, sprachs und fing an genauso lachen zu müssen.

Sie lachten alle, die einen wegen Shana und Shana wegen der anderen.
Als es verebbte, lauschte die Renegatin gespannt den Lauten der Nachttiere. Sie klangen anders, die Luft war mit mehr Summen und zirpenden Geräuschen erfüllt. Zusätzlich war sie feuchter und roch unbestimmt anders, fand Shana. Sie versuchte ihre Eindrücke so gut es ging in Worte zu fassen. Als sie aufhörte war nur noch Grayden wach, der die erste Wache innehatte und sie freundlich anlächelte. Er hatte zwar mitgelacht, aber die Gedankenverlorenheit die sich bei ihr einstellte wenn sie neue Pflanzen, Kräutermixturen oder Tiere entdeckte, war Teil seiner Verbundenheit mit ihr. Er winkte sie zu sich herüber.

»Wohl viele Entdeckungen gemacht?«, fragte er.
»Oh ja. Diese Pflanzen sind äußerst interessant. Hast du gesehen wie sie die Fliegen fangen und sie verdauen?«
Wenn Shana anfing über Neu entdecktes zu reden, fiel sie in einen Wortschwall dem man nur schwer folgen konnte. Grayden hörte dennoch aufmerksam zu. Dann wies er auf sein Kinn. Shana verstand nicht worauf er hinaus wollte und schaute fragend. Grayden strich mit dem Daumen über ihren Kunstbart und zeigte ihr den gefärbten Finger.
»Deshalb habt ihr also gelacht?«
»Vielleicht hilft es, wenn du den Stift in etwas einwickeln würdest …«
Das würde sie ihm tagelang nicht verzeihen, das wusste er. Doch das Lachen war so ansteckend gewesen , dass er nicht anders konnte als mit zu lachen.

Verkniffen zuckte er mit den Schultern und versuchte einen entschuldigenden Blick aufzusetzen. Manchmal half das. Shana wollte ihm erst nicht verzeihen, doch der Vorschlag war gut und wickelte den Stift in ein abgeriessenes Baumblatt und es funktionierte tatsächlich. bei nächster Gelegenheit, sagte sie sich, würde sie eine praktikablere Lösung finden. Doch fürs Erste reichte das Blatt. Die Idee Graydens gefiel ihr und sie verzieh ihm, allerdings nur in Gedanken. Nach außen hielt sie ihre ablehnende Haltung aufrecht als sie ihm zum Schlafen demonstrativ den Rücken zu drehte.

Doch bis zur Ablösung von Grayden durch Magnus beschäftigte sie sich mit ihren Entdeckungen. Bei ihrer Wache blieb sie in unmittelbarer Nähe des Lagers und erforschte ihre Umgebung und machte sich weitere Notizen.
Die nachtaktiven Tiere zogen sich zurück um Platz für die Tagjäger zu machen. Das Summen setzte wieder ein. Und vielfältige andere Geräusche. Auch auf dem weiteren Weg untersuchte sie alles was ihr neu erschien. Äußerst zufrieden mit sich selbst dokumentierte sie ihre Entdeckungen in ihren Aetherfächer. Danach faltete sie ihn zusammen und fühlte sich wie die Entdeckerin die sie immer sein wollte.

Fortsetzung folgt in Teil 028 ...


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Biestjaeger: Die Schwarze Pyramide - Teile 001 bis 020


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Leider werde ich in nächster Zeit wohl nicht dazu kommen alle Teile zu lesen. Aber ich werde dir mal ab jetzt folgen und so werde ich durch deine Uploads regelmäßig erinnert.

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