Biestjaeger-Kompendium: Die Jagd - 2

in #deutsch6 years ago (edited)

--------- Halte deine Ausrüstung immer sauber ---------

Der alte Mann saß vor dem Gasthaus auf einer hölzernen Bank. Er hatte, obwohl es erst auf Mittag zuging, die Augen geschlossen und seine Hände waren entspannt um einen Krug gelegt. Von Weitem mochte es den Eindruck erwecken das er schlief, doch er hörte die Geräusche der Gemeinde um sich herum. Das Hämmern aus der Schmiede, das Gackern der Sawane in ihren Gattern, Menschen redeten beim Vorbeigehen miteinander, das Quietschen ungeölter Räder eines Karrens auf dem Weg in die Stadt und irgendwo fegte jemand den Weg zu seinem Haus.

Kein Wind heute, dachte der alte Mann. Schade, ich mag eine leichte Brise.

Im Gasthaus klopfte jemand gegen den grossen Topf in der Küche. Dreimal. Der Zwerg hatte diese Angewohnheit. Das vertreibt die Küchenkobolde. Je lauter, desto besser, hatte er geantwortet als der alte Mann ihn mal gefragt hatte, warum er das mache. Sekunden später kitzelte ihn auch schon der Geruch eines reichhaltigen Eintopfs in der Nase. Viel Gemüse heute drin, sagte der alte Mann zu sich selbst. Mit Zwiebeln hat der Zwerg, wie immer, nicht gespart. Gut. Es war ein schöner Tag. Ohne Störungen. Was manchmal ganz angenehm war. Es sei denn, man wurde von jemandem gestört. Doch daran wollte der alte Mann auf der Bank nicht denken und sank wieder in seine Sinnesübung zurück.

Schritte vom Anfang der Straße. Klappern von Waffen an den Gürteln.
Heimlich linste der alte Mann unter einem Augenlid hervor.
Na, sieh mal einer an. Das ist doch das Bürschchen von neulich. Wo will er denn hin?
Die Schritte kamen näher. Und sie hielten auf ihn zu. Das Geräusch fester Schritte endete vor dem Sitzenden.
Etwas verdunkelte die Sonne.

»Silberhaar? Seid ihr wach?«
»Lass ihn, er schläft.«
»Es ist Mittag.«
»Alte Leute können immer schlafen. Mein Oheim ratzt auch den halben Tag.«
»Dein Oheim hat auch nichts zu tun. Seine Kinder machen die ganze Hofarbeit.«
»Ich nicht.«
»Er schläft nicht. Seine Lider flackern nicht und der Krug wäre ihm wohl schon aus der Hand gefallen.«
Gut beobachtet, dachte der alte Mann.
Keiner sagte etwas. Sekunden vergingen. Irgendwo entschied sich ein Feren zu wiehern.
»Nun?«, fragte der Bursche.
Silberhaar blies frustriert die Luft zwischen den Lippen aus. Langsam öffnete er ein Auge. Ein dunkler Umriss, umrahmt von einer gelben Korona füllte sein Blickfeld. Er sah aus wie ein Kopf mit zerzausten Haaren.

»Warum stört ihr einen alten Mann?«, fragte das Silberhaar.
»Entschuldigt. Können wir als Wiedergutmachung euch vielleicht einen Krug ausgeben?«
»Mein Krug ist noch voll. Danke.«
Das Mädchen der Gruppe beugte sich vor.
»Ist fast leer.«
»Oh. Naja.«
»Hmm, heute gibt es Zwiebeleintopf beim Zwerg«, sagte der Bursche der neben dem Anführer stand. Er leckte sich die Lippen.
Anscheinend wollte die Gruppe das Silberhaar nicht in Ruhe lassen. Er öffnete sein Augen vollständig und betrachtete sie eingängig. Etwas gefiel ihm nicht. Sie sahen viel zu zerlumpt aus. Ihre Gürtel hingen schief, die Verschlüsse begannen Rost anzusetzen, mehrere Löcher in den Stoffwesten und die Waffen sahen auch nicht gut aus.


»Wie lauft ihr denn rum?«
»Wieso, was meint ihr?«
»Eure Kleidung, eure Ausrüstung. Ich meine mich zu erinnern, dass ihr sagtet, ihr wolltet Biester jagen. Das wird so nicht klappen.«
Die Burschen und das Mädchen schauten an sich herab, griffen hier und da hin, Hände rückten gewisse Teile zurecht.
»Der Gürtel da«, sagte das Silberhaar und zeigte auf den Burschen der den Zwiebeleintopf erwähnt hatte. »So wie das Leder aussieht, wird er dir bald abfallen.« Dann zeigte er auf das Mädchen. »Dein Netz hat Löcher, so groß, da könnte ein Leviathan durchschlüpfen. Du dagegen siehst einigermaßen passabel aus.« Mit einem letzten Blick auf den Anführer beendete er seine Beobachtung.
»Ach«, polterte der Zwiebelbursche. »Ist doch nicht so schlimm. Ist ja nicht so als würden wir tatsächlich gegen Leviathane kämpfen.«
»Das war bildlich gemeint«, sagte das Mädchen.
Der Anführer lächelte schief.
»Nun, wir haben nun mal nicht die Jadeis. Und für die ersten paar Aufträge sollte das hier halten. Wichtig ist doch das hier.« Er zeigte beim letzten Wort auf seinen Kopf. »Immer den Kopf schützen, hat mein Vater gesagt.«
»Wenigstens einer mit einem Kopfschutz«, gab der alte Mann zu. »Zwar nur eine Lederkappe aber sie wird dir vielleicht die nötige Zeit verschaffen, sie sich vom Kopf zu reissen wenn das ätzende Gift einer Naja darauf landet.«
»Was ist eine Naja?«, fragte das Netzmädchen.
Der alte Mann machte ein resignierendes Geräusch tief in seiner Kehle.

»Ich glaube, das ist eine Schlangenart. Richtig?«, fragte der Anführer.

Er bekam ein bestätigendes Nicken vom alten Mann.

»Da liegst du richtig. Die meisten sind nicht giftig. Das brauchen sie auch nicht zu sein. Doch es gibt zwei oder drei, die giftige Säure versprühen können. Glücklicherweise treten sie selten auf. Doch solltet ihr ihnen begegnen, sage ich euch, wird ihr erstes Ziel eure Köpfe sein.«

Zwiebelbursche rieb sich über die borstigen Haare.
»Boh, woher sollten wir denn das wissen?«
»Nun, Zwiebelbursche, jetzt weisst du es.«

Das Mädchen blickte unsicher auf ihr Netz.
»Das sieht doch gut aus.«
»Nein, tut es nicht. Ihr müsst eure Ausrüstung immer sauber und funktionsbereit halten. Das Netz wird eine , ach, bleiben wir doch einfach bei der Naja, in Fetzen reissen, denn es wird nicht halten. Und wenn dein Netz reisst, bringst du damit deine Gefährten in Gefahr. Ebenso sind eure stumpfen Waffen eine Gefahr. Für euch und eure Gefährten. Wie wollt ihr denn ein Biest zur Strecke bringen, wenn ihr nicht einmal dessen Stahlschuppen durchdringen könnt oder was die Viecher sonst an Schutz besitzen. Und wenn dein Gürtel im unpassendsten Moment entzwei geht«, und dabei zeigte der alte Mann auf den Zwiebelburschen. »Dann wirst du wohl nicht mehr heile nach Hause kommen. Ausserdem müsst ihr eure Kleidung flicken. Eure rosige Haut fällt auf, wenn ihr euch im Wald oder sonstwo auf die Lauer legen wollt. Ausserdem kommen Parasiten bei den Löchern leichter an euer Blut. Hoffentlich legt kein Svirm seine Eier in eurer Haut ab. Sind wirklich eklig, die Viecher. Stellt euch mal vor, ihr wacht morgens auf, kratzt euch und ihr habt verschmierte Maden an den Fingerspitzen kleben.«
Alle machten ein abgestoßenes Gesicht.


»Ja ja. Ihr braucht gar nicht so zu gucken. Wenn ihr Biestjaeger werden wollt, und zur Zeit seit ihr noch lange davon entfernt, dann solltet ihr anfangen eure Ausrüstung in bester Kondition zu halten.« Die Kehle des Silberhaares war soviel reden gar nicht gewohnt und entliess ein gurgelndes Husten. Er verschüttete dabei den Rest aus dem Krug.
»Verflucht.«
»Wartet, ich hole euch ein Neues«, sagte der Anführer, bevor er im Gasthaus verschwand.
»Stimmt das was ihr sagt? Ist es wirklich so schlimm?«
Der Husten beruhigte sich allmählich.
»Nein. Viel schlimmer. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Jagst du den Kindern wieder Angst ein?«, ertönte eine tiefe Stimme neben dem Silberhaar.
Im Rahmen der Tür stand der Zwerg. In seiner Hand hielt er einen Krug schäumenden Bieres. Neben ihm guckte der Anführer auf die Sitzbank herüber.
»Hier, trink alter Freund.«, sagte der Zwerg.
»Danke dir.«
»Also, worum geht es?« Die Augen des Zwergs wanderten über das Netzmädchen, den Zwiebelburschen und den Anführer. »Oh, eure Sachen sehen aber gar nicht gut aus.«
Der Zwiebelbursche machte ein verkniffenes Gesicht.
»Nun …«
»Eure Ausrüstung sieht furchtbar aus«, begann der Zwerg und redete danach noch Minuten auf die Gruppe ein. Er zeigte hier hin und dorthin, machte Bemerkungen wie die des Silberhaares und schüttelte den Kopf dann und wann. »Ihr müsst eure Ausrüstung sauber …«
» … und funktionsbereit halten«, beendete der Anführer den Satz.
»Richtig. Euer Leben hängt davon ab. Niemand arbeitet mit kaputtem Werkzeug. Nicht der Schmied, nicht der Soldat. Merkt euch das.«
»Wir werden uns darum kümmern«, versicherte der Anführer.
Die Gruppe sah etwas betreten aus, doch Silberhaar spürte auch eine erneute Zuversicht in ihnen wachsen. Wenn sie zuhören konnten, dann konnten sie
auch lernen. Und dann, würden sie auch überleben.
»Gut. Dann könnt ihr einem alten Mann nun seinen Frieden lassen. Der Eintopf ist fertig, nehme ich an?«
»Natürlich«, antwortete der Zwerg.
Das Silberhaar nickte.
»Nun, wenn dann nichts mehr ist ..?«
»Nein. Danke euch für eure Hilfe Silberhaar. Wir werden euch bald wieder aufsuchen.«
»Tut das. Ihr wisst wo ihr mich finden könnt.«

Der alte Mann stand auf und begleitete den Zwerg ins Innere des Gasthauses. Kurz bevor sie endlich im Haus waren, hörten sie ein Ratschen, dann ein Rummsen. Neugierig sahen die zwei auf die staubige Straße hinaus.

»Ah, verdammt«, fluchte der Zwiebelbursche als er den Staub ausspuckte.
Seine Gefährten halfen ihm wieder auf die Beine. Der Bursche hielt sich die Hose an den Seiten fest als die Gruppe davon zog.
»Besser jetzt als später«, murmelte das Silberhaar und verschwand ins Gasthaus.

Den ersten Teil des Kompendiums findet ihr hier:
Biestjaeger Kompendium 1


Hallo Freunde des Khayrenverse.
Es hat diesmal etwas länger gedauert um den zweiten Teil des Kompendiums zu veröffentlichen. Wie ich in einem anderen post schon geschrieben hatte, waren diverse Umstände daran beteiligt. Jetzt bin ich aber zurück und das Kompendium und die Geschichte über die Schwarze Pyramide gehen wie gewohnt weiter.

Viel Spaß!
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