[DE - ENG] Gedanken zum Sommer von Vivaldi · Thoughts on Summer by Vivaldi

in #deutsch6 years ago (edited)

Die Natur unserer Natur

Ich hatte im Verlauf eines Kommentarverlaufs mit @remotehorst23 eine Assoziation, die ich gerne mit euch teilen würde. Sie ist wie meine Gedichte wieder sehr subjektiv, aber ich denke, es gibt vielleicht jemanden unter euch, der meine Gedanken nachvollziehen kann und dem sie helfen.

Und wenn sie nur mir selbst helfen, habe ich sie hier immerhin dokumentiert.

English summary:

During a commentary process with @remotehorst23 I received an association I would like to share with you. Like my poems it is again a very subjective view, but I think, maybe there are some of you able to follow my thoughts and getting some help out of them.

Even if I am helping only myself by these thoughts, I did at least document them here.

Es geht um die Frage, wie wir mit einem Gefühl des Scheiterns, sei’ es dem Scheitern in einer bestimmten Situation oder dem Scheitern im Leben umgehen. Oder auch um die Frage über den Platz in unserem Leben.

Wann haben wir etwas erreicht, auf das wir stolz sein können?

Ist das kleine, popelige Gedicht, das ich geschrieben und aus Scham niemandem gezeigt habe, etwas wert oder nicht?

Wann weiß ich, ob ich das, was ich zu erreichen im Stande wäre, auch umgesetzt habe?

Sehr schwierige Fragen, auf die es natürlich keine wirklich eindeutige Antwort gibt. Ich möchte euch aber zumindest eine Richtung zeigen.

Meine Assoziation geht vom Stück Sommer in Vivaldis Vier Jahreszeiten aus (ab der Minute 6:05), hat aber auch etwas mit Hegels Weltgeist zu tun. Das sind die Grundlagen, an denen ich mich orientiere.

Die musikalische Zusammensetzung der Musiker ist (Entschuldigt bitte Fehler an dieser Stelle; ich bin Laie, was genaue musikalische Bezeichnungen angeht.) aufgeteilt in eine Violinsolistin und ein Streichorchester.

Die Violine steht für die Natur während sie in einem bestimmten Zustand (dem Sommer) ist.

Im Sommer glaubt die Natur, endlich den Höhepunkt ihrer Schaffenskraft erreicht zu haben. Die Obstbäume liegen schwer und träge in der Mittagssonne und wollen jetzt nur diesem Gefühl der Trägheit nachgehen und reagieren nur schwach auf äußere Anregungen. Dennoch kündigen sich in der Ferne Wetterleuchten und auch schon das erste Donnergrollen an (die tief spielenden Streicher 6:50).

Der zweite (7:36) und der dritte (7:59) Donner kommen. Ein Wolkenbruch (8:12) und der zweite (8:18). Und plötzlich Sturzbäche (8:23). Die schlafende Natur wird vom Regen voll getroffen. Sie ergibt sich ihm geradezu und stimmt in seinen Ton ein. Sie geht sozusagen unter.

Bei Hegel würde es an dieser Stelle heißen, dass sie sich einem selbst gesetzten Widerstand gegenüberstellt.

Die gerade noch so sanfte und schläfrige Natur wird vom Regen nahezu übertönt und muss sich erst wieder emporarbeiten (08:57).

Bei 09:11 hat sie erkannt, dass sie noch nicht am Ende ihrer Schaffenskraft ist. Die Geigerin dreht sich zum Orchester um und die restlichen Instrumente helfen ihr, sich selbst auf einer neuen Ebene zu verwirklichen und prompt schafft sie es auch, deutlich gegen den Regen (die tiefen Streicher) anzuspielen. Sie behauptet sich gegen ihren selbst gesetzten Widerstand, den Regen.

Gerade waren die Streicher noch ein Widerstand, jetzt schwingen sie als Eins zusammen mit der Geige. Es ist der Höhepunkt des Stückes. Sein wahrer Ausdruck.

Die gesamte Natur agiert als Eins und nur dadurch kann sie trotz ihres gerade noch so trägen Status‘ erkennen, dass sie noch nicht am Ende ist, dass sie ihre Höchstform noch nicht erreicht hat UND GLEICHZEITIG SPIELT DIE NATUR / DIE GEIGE auch erfolgreich gegen den Regen an. Weil das ORCHESTER (der Rest der Instrumente, der tatsächlich schon 'im Schlaf lag') ihr hilft.

09:34 Die tiefen Streicher versuchen noch einmal, die Geige herauszufordern.

09:36: Die Geige wehrt sich.

09:49 erneute Herausforderung durch die Streicher. Die Geige spielt mit, bis sie ab 10:03 ein Solo spielt und dagegen hält.

10:09 Das Orchester spielt als Eins. Die verschiedenen unter- bzw. miteinander agierenden Facetten der Natur, ihre eigene ‚Natur‘, haben sie dazu gebracht, ihre Kräfte zu bündeln, mit einer Stimme zu sprechen.

Ich hab das Video grad auf Youtube gesehen und genau diese Assoziation gehabt. Es hat mich buchstäblich zu Tränen gerührt, so sehr hat es mich gepackt. Es ist ein unfassbar schönes Stück, wenn man dabei sein 💗 öffnen kann. (Es regnete, während ich das schrieb. Was für ein lustiger Zufall.)


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26.04.2018 UTC + 1
finché vita in petto avrò

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Diese Geschichte war wundervoll! Man schafft es, in das Musikstück einzutreten. Herzlichen Glückwunsch zum ausgezeichneten Beitrag!

Herzlichen Dank! Es freut mich, wenn es dir gefallen hat!

Ich liebe Klassische Musik und eines meiner Lieblingstücke ist tatsächlich Vivaldis , Vier Jahreszeiten. Mir geht es bei der Musik genau wie dir. Man sieht die Bilder praktisch mit den Augen, obwohl man nur die Musik dazu hört. Ein sehr gelungenes Stück, mit vielen Emotionen.
Gruß Elfe

Ja, es macht so großen Spaß, sich dazu etwas vorzustellen. Kennst du die Arie "Piangero la sorte mia" aus Julio Cesare? Ich habe sie vor einiger Zeit mal im Radio gehört und war hin und weg. Mit der Arie habe ich ähnliche Assoziationen, also ich stelle mir auch vor, dass die Natur als Gebrochene daliegt und trauert, aber insgeheim noch sehr viel Stärke besitzt und diese einsetzen kann.

Darf ich dich fragen, welche klassischen Stücke dir außer den Vier Jahreszeiten noch gefallen? Würde mich wirklich interessieren, da ich mich noch nicht so gut auskenne und immer auf der Suche nach schönen Stücken bin.

Der beste Flötist ist für mich eindeutig Sir James Galway. Von ihm höre ich einfach alles. Aber "Debussy - Clair De Lune " finde ich besonders schön. Außerdem das Irische Lied "Danny boy". Dabei bekomme ich immer eine "Gänsehaut" so schön ist das. Es gibt auch viele schöne Ballettmusik wie die vom "Nußknacker" . Der Tanz der Zuckerfee. Auch höre ich gerne Pachelbel canon in d. Wirst du bestimmt kennen als Hochzeitsmusik. Auch gibt es einige schöne Stücke von Bach. In dem Fall gerne von Emmanuelle Pahud gespielt : Flute Sonata In E Minor BWV1034: II. Allegro. Und wenn du mal Lust auf Cello hast , muss es der Cello Song sein. Den höre ich dann gerne von "The Piano Guys". Die verstehen es übrigens aktuelle Pop Musik mit etwas Klassik zu verbinden.
Gruß Elfe

Ui, danke für die Tipps, ich werde mal reinhören!

Habe ich gerade gefunden. Eine Mischung aus Vivaldis Winter und Disneys Frozen . Auf Y.T. von den Piano Guys.

Thanks for the informative article about your thoughts! My German is not so good, but I think I understood the gist of it! I have resteemed your post, and it will appear in the next curation with a SBD share for you!


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