Debunk-Donnerstag – Der Mythos der Überbevölkerung (v. 1.5)

in #de-stem6 years ago (edited)

Guess who’s back? Back again. Ego’s back, tell a friend. Ahem. Ok, genug von meinen mangelhaften Rap-Skills.
Wie vor zwei Wochen versprochen, bin ich mit vollem Tatendrang zurück. Ich habe viele neue Ideen, worüber ich schreiben kann, angefangen mit einem der ärgerlichsten Mythen, mit denen ich in der jüngeren Geschichte zu tun hatte: Die Welt ist überbevölkert und wird letztendlich durch zu viele lebende Menschen untergehen. Natürlich könnte nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein .


Update

Werte Leser, der ein oder andere von euch wird es womöglich mitbekommen haben, dass im Zuge der englischen Fassung dieses Artikels eine Debatte über die Qualität der verwendeten Daten entbrannt ist. Maßgeblich geht es um die Extrapolation von Prognosen auf Basis vorhandener Daten.
In der englischen Version dieses Artikels habe ich nicht eindeutig darauf hingewiesen, dass diese Daten mit etwas Vorsicht zu genießen sind. Vielleicht, weil ich dachte, es sei offensichtlich, dass diese Schlussfolgerungen nur Schätzungen sind, aber die Art und Weise, wie ich darüber geschrieben habe, hat das nicht sehr deutlich gemacht.
Deshalb weise ich darauf hin, dass die Extrapolation von Daten zuweilen etwas problematisch sein kann, wenn die verwendete Datengrundlage nicht optimal ist. Aber nach meinem Verständnis ist dies etwas, das allen bereits bekannt ist. Steven Pinker zum Beispiel, der häufig Daten von OWID verwendet, weist immer wieder darauf hin, dass es natürlich keine Garantie dafür gibt, dass diese Extrapolationen wahr werden, aber er warnt auch vor gedankenloser Panikmache, weil Angst Apathie auslöst und am Ende die Motivation, die Dinge tatsächlich zu verändern, abnimmt. Warum sich um den Zustand der Welt kümmern, wenn alles scheiße und letztlich sinnlos ist?

Es gibt natürlich keine Gewissheit, dass sich diese Vorhersagen erfüllen werden. Niemand behauptet das (zumindest soweit ich weiß). Nach meinem Verständnis ist das Hauptargument ohnehin ein anderes:
In vielen Ländern, die einen höheren Lebensstandard, eine bessere Ausbildung usw. erreicht haben, haben wir einen Rückgang des Wachstums und der Fruchtbarkeitsrate festgestellt. Dies ist natürlich kein kausaler Zusammenhang, aber die aktuellen Daten deuten darauf hin, dass es zumindest einen Zusammenhang zwischen diesen Variablen gibt - wie stark die Korrelation tatsächlich ist, kann von Fall zu Fall variieren.
Im Falle des GDP erscheint es allerdings so, dass die Daten eine unbedeutende Korrelation zwischen Bevölkerungswachstum und Wohlstand anzeigen, weshalb dessen Einfluss wohl vernachlässigbar ist.
Was man jedoch stets bedenken muss: Selbst wenn die Datengrundlage optimal ist, wird eine Extrapolation auf künftige Entwicklungen immer „nur“ ein (relativ gezielter) Schuss ins Blaue sein. Natürlich kann niemand von uns die Zukunft vorhersagen, aber wir können zumindest versuchen, eine grundlegende Idee dafür zu entwickeln, was passieren könnte.

Andere Faktoren

Aber zusätzlich dazu: Das GDP ist nicht der einzige relevante Wachstumsfaktor. Andere Variablen wie Migrationsmuster, Konflikte, öffentliche Gesundheit (einschließlich demografischer Veränderungen), Bildungsniveau, technische Innovationen und so weiter gehören ebenso dazu.
Ich denke, wir können mit recht großer Sicherheit davon ausgehen, dass es für die meisten fortgeschrittenen Länder wahr ist, dass ihre Bevölkerung, auf Basis ihrer jährlichen Wachstumsrate, vergleichsweise langsam zunimmt. Selbst wenn das GDP unbedeutend ist, gibt es andere Variablen, die wahrscheinlich mit dieser Entwicklung zusammenhängen, die in den unterentwickelten Ländern nicht so dominant sind.
Insbesondere bei der Fertilitätsrate hat Hans Rosling vier wichtige Faktoren genannt, die diese am meisten zu beeinflussen scheinen:

  1. Kinder überleben
  2. Viele Kinder werden für die Arbeit nicht benötigt.
  3. Frauen erhalten Bildung und steigen in die Arbeitswelt ein.
  4. Familienplanung ist möglich

Wenn diese Variablen positiv sind, sinkt auch die Fertilitätsrate, und da dies in vielen Ländern der Fall zu sein scheint, wurde eben jene Extrapolation vorgenommen, die man im Artikel sehen (und kritisieren) kann. Aber natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass diese Vorhersage Wirklichkeit wird.
Die von Rosling genannten Faktoren stimmen allerdings mit der Arbeit von Gary Becker überein, der die Fertilitätsraten aus ökonomischer Sicht untersucht hat. Auch Leute, die nicht mit jeder seiner Schlussfolgerungen einverstanden waren, unterstützten seine Grundidee:

In the long run, however, standards of living and child quality standards adjust to a secular rise in income. The secular rise in income causes an increase in the quality of children, and therefore expenditures per child rise. This tends to diminish the quantity of children demanded, and the well-known empirical inverse relation between income and the birth rate reasserts itself.

Auch habe ich im Ursprungsartikel nicht sehr stark spezifiziert, wie sich die Lebensqualität aller Menschen entwickeln wird, wenn plötzlich ein paar Milliarden mehr existieren. Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass wir relativ gut damit umgehen können werden. Die aktuellen Daten deuten darauf hin, dass der weltweite Lebensstandard trotz höherer Weltbevölkerung langsam aber stetig steigt. Dieser Trend muss natürlich nicht anhalten, falls dem aber so ist, könnte das bedeuten, dass wir auch mit mehr Menschen umgehen zu lernen werden. Natürlich wird es noch viele Jahre dauern, bis wir an den Punkt kommen, an dem jeder Mensch mindestens den Lebensstandard eines Westeuropäers erreicht, oder vielleicht erreichen wir ihn auch nie – aber das wird wohl erst die Zukunft zeigen. Auf Basis der aktuell verfügbaren Informationen bleibe ich allerdings relativ optimistisch. Sollte sich in ein paar Jahren herausstellen, dass ich und viele andere mit dieser Prognose gründlich daneben lagen, dürft ihr gerne mit dem Finger auf mich zeigen und laut „HAHA!“ schreien.

Das soweit vorweg als Update zur Originalversion und nun viel Spaß mit dem restlichen Artikel.


Fakten vs. Ängste

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Quelle

Angst ist beliebt. Vor allem unter Politikern aller Couleur. Die Linken und Umweltschützer weisen meist auf die vielen schädlichen Dinge hin, die passieren werden, wenn die Weltbevölkerung weiter wächst. Mutter Natur wird langsam einen schmerzhaften und schrecklichen Tod sterben, die friedlichen und unzivilisierten Ureinwohner der Regenwälder werden ausgelöscht und ganz allgemein wird alles immer schlimmer.
Rechte Politiker kümmern sich meist nicht so sehr um die Umwelt oder indigene Kulturen, sondern viel mehr um ihre eigenen Länder. Sie werden nie müde, auf die Gefahren der Masseneinwanderung hinzuweisen (nein, das werde ich hier nicht diskutieren, da dies ein Thema für einen ganzen Artikel oder gar eine eigene Serie ist) und wie problematisch es ist, dass viele Menschen aus einkommensschwachen Ländern mit hohen Fertilitätsraten in ein einkommensstarkes Land mit niedrigen Fertilitätsraten ziehen. Nach dem Verständnis dieser Politiker werden sich die Menschen nicht ändern, nur weil sich ihre Lebensumstände wandeln. Sie werden sich so verhalten, wie sie es immer getan haben - egal, wo sie sind und womit sie es zu tun haben. Darüber hinaus neigen diese Politiker auch dazu zu glauben, dass die Fertilitätsraten bei manchen Völkern immer hoch sind und sich daran nichts ändern könnte, weshalb wir uns irgendwann mit den Folgen der Überbevölkerung auseinandersetzen müssen. Das ist umso dramatischer, wenn die sehr fertilen Menschen in zivilisierte Länder ziehen. Am Ende werden wir alle sterben.
Oder werden wir?
Das Hauptproblem bei diesen Befürchtungen ist ihr Mangel an Beweisen. Ich leugne nicht, dass Masseneinwanderung mehrere Probleme für das Gastland verursachen kann, wenn sie nicht richtig gehandhabt wird. Aber wieder einmal ist das ein Thema für einen anderen Artikel. Was ich meine, ist das Fehlen von Beweisen für Überbevölkerung und hohe oder sogar steigende Fertilitätsraten und dass sich die Menschen nicht ändern werden, sobald es ihnen besser geht.


Daten, nicht Gefühle

Eine meiner Lieblings-Websites ist Our World in Data. Es gibt wohl nur sehr wenige bessere Quellen für Daten über den aktuellen Zustand der Welt (vielleicht nur mit dem World Factbook der CIA und den Daten der UNO vergleichbar). Aber überraschenderweise sind diese Websites selbst unter Studenten der Sozialwissenschaften kaum bekannt und die Vorstellung, dass die Welt besser wird, scheint fast ketzerisch zu sein. Das war zumindest die Beobachtung während meines Studiums, aber ich wäre nicht überrascht, wenn meine voreingenommenen Beobachtungen sehr nahe an der Wahrheit wären.

Overly increased population

Overly Populated.png

Aber fangen wir mit einer Definition an. Die Autoren Anne Roback Morse und Steven W. Mosher haben in ihrem Artikel Debunking the Myth of Overpopulation[1] Überbevölkerung wie folgt definiert:

Überbevölkerung beschreibt eine Situation, in der die Zahl der Menschen die Ressourcen in einer geschlossenen Umgebung erschöpft, sodass diese die Bevölkerung nicht mehr versorgen können.
(CC BY-ND 3.0)

Wir konzentrieren uns auf den wichtigsten Aspekt: "Ressourcen in einer geschlossenen Umgebung".
Länder, Städte, die Erde - sie sind keine geschlossenen Umgebungen. Überhaupt nicht. Ein einfaches Beispiel:
Wenn die Erde eine geschlossene Umgebung wäre, könnten wir die Sonne nicht zur Energiegewinnung nutzen oder für eine Vielzahl von Forschungen und Möglichkeiten der Erschließung neuer Lebensräume ins All reisen.
Ich empfehle dringend, sich den zitierten Artikel zu Gemüte zu führen, da er ein kurzweiliges, aber unterhaltsames Lesenvergnügen ist und euch die wichtigsten Ideen, über die ich schreibe, auf eine leicht verdauliche Weise präsentiert.
Natürlich gibt es noch viele andere Aspekte zu beachten, aber dazu später mehr.
Zunächst einmal müssen wir uns fragen, warum so viele Menschen glauben, dass die Erde ein geschlossenes System mit endlichen Ressourcen ist, die nur auf eine ausbeuterische Weise gewonnen werden können.

Dafür ist vor allem ein Mann verantwortlich: Thomas Robert Malthus[2] und das auf seiner Arbeit basierende Modell - das Malthusianische Wachstumsmodell[3].
Dies gipfelte in der berühmten Gleichung:

P(t)>P(t) = P0ert

mit
P0 = P(0) ist die Ausgangspopulation,
r = die Bevölkerungswachstumsrate
t = Zeit.

Um daraus eine sinnvolle Aussage zu machen, ist es hilfreich, sich Malthus' Schriften anzusehen. Er sagte, dass die Bevölkerung jedes Lebewesens den Wunsch hat, exponentiell zu wachsen, solange es genügend Ressourcen gibt, daher ist der Wachstumsfaktor hauptsächlich durch die Verfügbarkeit von Ressourcen begrenzt.
Wenn man den Artikel von Morse und Mosher, den ich vorhin verlinkt habe, liest, weiß man bereits, warum dies eine viel zu vereinfachende Sichtweise ist, wenn es um menschliche Gesellschaften und ihre Lebensbedingungen sowie das Bevölkerungswachstum geht.

Warum schreibe ich über Ressourcen, Wachstumsraten und geschlossene Umgebungen, wenn ich euch etwas zum Thema Überbevölkerung erzählen will?
Weil es wichtig ist, diese Zusammenhänge zu verstehen. Ich habe bereits erklärt, warum die Erde oder ihre jeweiligen Städte/Länder keine geschlossenen Systeme sind. Daher werde ich mich eingehender mit den Ressourcen (und deren Verfügbarkeit) sowie den aktuellen Wachstumsraten der menschlichen Bevölkerung beschäftigen.
Ihr werdet sehen, die Menschen sind in der Tat sehr unterschiedlich zu allen anderen Arten, die diesen wunderschönen blauen Planeten bewohnen.

Outgesourced

Die Ressourcen, die der Mensch derzeit benötigt, sind vielfältig. Daher wäre es viel zu viel, sie alle sowie ihre Verfügbarkeit in einem kurzem, populärwissenschaftlichen Artikel aufzulisten. Aus diesem Grund konzentriere ich mich nur auf die wichtigsten Ressourcen, die der Mensch zum Überleben braucht: Nahrung und Wasser.

Essen für alle.

Eines der Hauptargumente von angstmachenden Politikern und Aktivisten ist die Annahme, dass es einfach nicht genug Nahrung gibt, um eine höhere menschliche Bevölkerung zu ernähren. Das ist falsch.
Im Moment produzieren wir genug Nahrung, um 10 Milliarden Menschen zu ernähren(4). Das Problem ist nicht so sehr die Nahrungsmittelknappheit, sondern ihre Verteilung. Ungleichheit der Ressourcenverfügbarkeit sowie Armut und schlechte Politik (z.B. korrupte Regierungen in Ländern der Dritten Welt, Kriege, etc.) sind die Schlüsselfaktoren, wenn es um Hunger und Unterernährung geht. Selbst wenn die Weltbevölkerung plötzlich um weitere drei Milliarden Menschen zunimmt (was wahrscheinlich nicht bald der Fall sein wird, aber später mehr dazu) - wir hätten genug Nahrung, um sie zu ernähren und müssen nur herausfinden, wie wir es tatsächlich tun können.
Derzeit wird ein großer Teil der produzierten Getreidekulturen für Biokraftstoffe und Futtermittel verwendet. Es ist also ein wenig fragwürdig (wenn nicht sogar scheinheilig), sich über die schreckliche Situation in Bezug auf Lebensmittel in Ländern der Dritten Welt zu beschweren, während euer Auto mit genau dieser Nahrung fährt. Eines Tages werde ich herausfinden, wie Umweltschützer mit dieser Form der kognitiven Dissonanz zurechtkommen.

Jedenfalls ist nicht jede Hoffnung verloren. Ich habe euch vorhin gesagt, die Welt wird besser, nur viele Leute wissen nichts davon.
In den letzten Jahrzehnten ist das Angebot an Nahrungsmitteln in den meisten Ländern(5) gestiegen. Im Durchschnitt benötigt ein Mann 2500 kcal/Tag und eine Frau 2000 kcal/Tag. Diese Mengen variieren natürlich, aber es ist hilfreich, eine allgemeine Vorstellung davon zu haben, während man über Essen spricht.
Ab dem 18. Jahrhundert beispielsweise, hatten deutsche Bürger bis zur Post-Zweiter-Weltkriegs-Ära nicht viel mehr Kalorien pro Person zur Verfügung, als Länder wie Äthiopien und Haiti heute haben.

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Aus globaler Sicht gibt es auch einen deutlichen Trend zu mehr Nahrung für alle. Die Unterschiede zwischen den Menschen auf verschiedenen Kontinenten in Bezug auf die Menge an Nahrungsmitteln, die sie zur Verfügung haben, nehmen ständig ab.

food-supply-by-region-in-kilocalories-per-person-per-day-1961-2013.png

Natürlich leiden weltweit immer noch über 800 Millionen Menschen an Hunger - das sind 800 Millionen zuviel. Aber wir sollten die historische und globale Perspektive nicht verlieren. In etwa ein bis zwei Generationen gehörten Länder, die früher relativ wenig Kalorien pro Person und Tag hatten, heute zu den Ländern mit fast gar keinem Hunger. Diese Dinge brauchen Zeit, aber das Tempo der aktuellen Entwicklung scheint zu zeigen, dass sich die Lebensbedingungen der Menschen zum Besseren verändern - schneller als je zuvor in der Geschichte der Menschheit. Das ist eine beachtliche Leistung, die wir uns immer vor Augen halten sollten.

Be water, my friend

Wenn es um Wasser geht, ist der Trend noch deutlicher(6). Dort müssen wir nur einen Blick auf einen Zeitraum von 25 Jahren werfen, der von 1990 bis 2015 reicht. Viele verschiedene Aspekte sind wichtig für den Zugang zu sauberem, trinkbarem Wasser, aber für mich ist vor allem eine Statistik sehr interessant: die Anzahl der Menschen, die Zugang zu einer verbesserten Wasserquelle haben (wie öffentliche Wasserhähne, Trinkbrunnen oder geschützte Quellen).

Nummer-mit-ohne-Zugriff-auf-verbessertes-Wasser.png

Wie man sieht, hatten 1990 1,26 Milliarden Menschen keinen Zugang zu diesen verbesserten Wasserquellen - aber in 25 Jahren sank diese Zahl auf 665,66 Millionen im Jahr 2015 (was einem Rückgang um fast 50 Prozent entspricht), während gleichzeitig die Weltbevölkerung um weitere 2,08 Milliarden anstieg. Wir hatten also mehr Menschen, für die wir Wasser bereitstellen mussten, aber insgesamt ging die Zahl der Menschen, die keinen Zugang zu verbesserten Wasserquellen hatten, innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums drastisch zurück. Ich bin gespannt, wie die Zahlen im Jahr 2040 aussehen werden.
Wieder einmal bin ich ziemlich zuversichtlich, dass die Welt besser als schlechter wird.


Seid fruchtbar und mehret euch

Endlich haben wir den Höhepunkt erreicht. Wachstumsraten(7) und Fertilität(8). Mit den letzten Absätzen habe ich versucht, euch davon zu überzeugen, dass es derzeit genügend Ressourcen gibt, um ein paar Milliarden Menschen mehr aufzunehmen, und ich werde nun erklären, warum das Malthusianische Wachstumsmodell nicht unbedingt wahr ist, wenn es um Menschen geht, zumindest nicht auf globaler Ebene.
Im Moment verfügen wir über mehr Ressourcen als je zuvor in der Menschheitsgeschichte und sind in der Lage, sie noch effizienter zu gewinnen oder gar gänzlich neue zu schaffen. Doch statt einer weiteren Bevölkerungsexplosion wie zwischen 1950 und 1987 - einer Verdoppelung der Weltbevölkerung innerhalb von 37 Jahren (2,5 Milliarden auf 5 Milliarden) - sinken die Wachstumsraten und die Zeit für jede weitere Milliarde an Menschen scheint zu steigen.

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Die höchste jährliche Wachstumsrate der menschlichen Bevölkerung war vor Jahrzehnten: zwischen 1962 und 1963 mit 2,2% pro Jahr. Seitdem nimmt die Wachstumsrate stetig ab. Einige Länder wie Russland und Japan haben sogar eine negative natürliche Wachstumsrate, was bedeutet, dass ihre Bürger mehr Todesfälle als Geburten haben, was letztendlich dazu führen wird, dass sie in sehr ferner Zukunft und ohne Berücksichtigung der Migration aussterben werden.
Einige mögen jetzt argumentieren, dass dieser Rückgang der Wachstumsrate nur in den entwickelten Ländern zu beobachten ist, da wir alle wissen, dass die ärmeren Länder im Vergleich zu den reicheren Ländern höhere Fertilitätsraten haben. Tatsächlich ist dieses Argument bei vielen Menschen, die der Einwanderung aus diesen armen Regionen in reichere kritisch gegenüberstehen, sehr beliebt.
Wenn es nur wahr wäre.
Die aktuellen Trends scheinen genau das Gegenteil zu zeigen: Nahezu jede Region, egal ob entwickelt oder nicht, wird einen kontinuierlichen Rückgang der Wachstumsrate erleben.

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Dafür gibt es viele Gründe. Entgegen der allgemeinen Meinung gehört die dominante Religion eines Landes oder seiner Bevölkerung zu den am wenigsten entscheidenden Faktoren, die zu ihrer Fertilität und damit zu ihrer Wachstumsrate beitragen.
Gemäß eines Papers von Timo Wacker lässt sich dies wie folgt zusammenfassen(9):

Es wurde aufgezeigt, dass die religiöse Zugehörigkeit einer Familie - im Gegensatz zum Haushaltseinkommen, dem Substitutionsverhalten bei steigendem Einkommen, der Mortalitätsrate sowie weiteren sozialen und gesellschaftlichen Faktoren – nur einen geringen Einfluss auf die tatsächliche Fertilität dieser Familie hat. Während bei den anderen Faktoren ein direkter Zusammenhang theoretisch und praktisch nachgewiesen werden konnte, hat die Betrachtung der Religion ergeben, dass es im Durchschnitt keinen signifikanten Unterschied zwischen den Fertilitätsraten verschieden religiös-geprägter Länder aufgrund ihrer Religion gibt.

Diese Schlussfolgerung bleibt gültig, sobald man sich die verfügbaren Daten genauer ansieht. Wenn es um Einwanderer aus islamischen Ländern geht, gibt es eine Menge Ängste. Ein sehr beliebtes Argument ist, dass diese Einwanderer so viele Kinder produzieren werden, wie sie es früher getan haben, als sie noch in ihren Heimatländern waren. Als Hardcore-Atheist, der zufällig eine solide Bildung in Wirtschaft und Psychologie hat, fand ich das immer schwer zu glauben. Vor allem, wenn man bedenkt, dass unentwickelte Länder mit muslimischer oder christlicher Mehrheit derzeit die höchsten Fruchtbarkeitsraten aufweisen. Es wäre also nicht nur eine bestimmte Religion, sondern mindestens zwei.
Aber, wie gesagt, im Vergleich zu anderen Faktoren ist die Religion relativ unbedeutend.
Um die Dinge ins rechte Licht zu rücken, können wir Max Roserref zitieren:

In Catholic Italy the fertility declined from 2.5 in 1966 to 1.2 at its lowest rate in 1997, and in Muslim Iran the fertility declined from 6.5 children per woman in 1982 to 1.8 in 2005!

Was sind also die Faktoren, die für die Fertilitätsraten am wichtigsten sind?
Wie Wacker sagte, sind einige dieser Faktoren vor allem das Haushaltseinkommen sowie die (Kinder-)Sterblichkeitsrate. Letzteres ist ganz logisch: Wenn Eltern nicht befürchten müssen, dass ihr Kind in den ersten Jahren stirbt, müssen sie nicht so viele davon produzieren, um zumindest einige Nachkommen zu haben. Während im 18. Jahrhundert innerhalb der ersten fünf Jahre mehr als 40% aller Kinder starben(10), ist diese Zahl im Jahr 2015 auf nur noch 4,25% gesunken. Unnötig zu sagen, dass auch die Zahl der Geburten pro Frau deutlich zurückgegangen ist.

fertility-vs-child-mortality.png

Neben einem höheren Einkommen und einer geringeren Kindersterblichkeit möchte ich auf einen weiteren Faktor hinweisen, der zu weniger Kindern beiträgt: das Selbstbestimmungsrecht der Frauen.
Dies bedeutet im Allgemeinen eine bessere Bildung und Gesundheitsversorgung für Frauen, was dazu führen kann, dass sie im Durchschnitt weniger Kinder bekommen.
Wie einige von euch vielleicht wissen: Ich hasse Kinder. Ich halte sie für lästige und nervige, kleine Gören - deshalb bin ich zu meinem eigenen Wohl ein Feminist. Je besser es den Frauen geht, desto geringer ist das Risiko, dass ich mit Kindern zu tun habe.
Einige Autoren argumentieren sogar, dass Bildung der wichtigste Faktor des demografischen Wandels überhaupt ist (11). Und die verfügbaren Daten scheinen diese Idee zu unterstützen, denn in Ländern, in denen Frauen zunächst eine Ausbildung von etwa null Jahren hatten, die sich später auf etwa sechs Jahre änderte, sanken die Fruchtbarkeitsraten um etwa 40%. Was für ein Segen.


Die Welt wird besser, nicht schlechter

So, hier sind wir also. Ich habe mein Bestes getan, um euch überzeugende Argumente zu liefern, dass der aktuelle Zustand der Welt bei weitem besser ist, als die meisten Menschen glauben.
Wir haben genug Nahrung und Ressourcen, um mehr Menschen aufzunehmen, und die Wachstumsrate der Menschheit scheint jedes Jahr abzunehmen. Mit mehr auszugebendem Einkommen, besserer Bildung und Gesundheitsfürsorge wird dies höchstwahrscheinlich nur noch weiter zunehmen (obwohl es einige Autoren gibt, die anders argumentieren(12)).
Die Menschen werden überall auf der Welt älter, reicher und gebildeter - irgendwann wird womöglich der transhumanistische Traum wahr und Frage, ob wir sterben wollen, wird nur noch eine Wahl sein. Das könnte interessant werden.
Apropos Träume: Es gibt etwas, worüber ich bei meiner umfangreichen Darstellung verschiedener Faktoren, Theorien und Statistiken nicht wirklich gesprochen habe - menschlicher Einfallsreichtum.
Die menschliche Rasse hat ihre Cleverness schon immer genutzt, um mehr Ressourcen aus ihrer Umwelt zu gewinnen, als sich irgendein anderes Tier jemals erträumen könnte. Wir haben so viele technologische Fortschritte entwickelt, dass wir letztlich die dominierende Spezies dieses Planeten wurden. Man könnte leicht argumentieren, dass wir eigentlich niemals in Frieden und Harmonie mit der Natur gelebt haben, weil wir immer auf der Suche nach neuen und anderen Wegen waren, das Beste aus unserer Umgebung zu machen. Ich warte immer noch auf ein Pyramiden-Äquivalent von Schimpansen.
Selbst wenn die Zahl der Menschen, die auf diesem Planeten leben, steigt, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir mehr Möglichkeiten finden werden, mit ihnen richtig umzugehen. Der wissenschaftliche Fortschritt hat zu besserer Ernährung, besserer Gesundheitsversorgung, sauberem Wasser und so viel mehr geführt.
Aus diesem Grund sollten wir immer Fakten und Daten wertschätzen - nicht Gefühle und Ängste.




PS: Der populäre Youtube-Channel "Kurzgesagt" hat das ganze Thema auch nochmal recht anschaulich dargestellt:


Fühlt euch jederzeit frei, meine Ideen zu diskutieren und eure Gedanken über die Dinge, die ich thematisiere, zu teilen. Niemand ist allwissend und wenn wir alle ein bisschen klüger als zuvor daraus hervorgehen, werden wir eine Menge erreicht haben.
Danke fürs Lesen und bleibt skeptisch.

@egotheist


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Falls ihr euch für Wissenschaft begeistern könnt, dann schaut unbedingt unter #steemstem bzw. #de-stem vorbei.


Quellen

(1) The Myth of Overpopulation
(2) Thomas Robert Malthus
(3) Malthusian Growth Model
(4) Food for 10 billion people
(5) Food trends
(6) Water trends
(7) Growth rates
(8) Fertility rates
(9) Wacker, Timo. „Droht Europa eine demografische Islamisierung? – Eine familienökonomische Betrachtung“. 2016. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
(10) Child mortality
(11) Murtin, F. (2013). “Long-term determinants of the demographic transition, 1870–2000.” Review of Economics and Statistics, 95(2), 617–631.
(12) Reverse Fertility Declines


Debunk-Donnerstag

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Hallo,

interessanter Artikel! Habe mich mit dieser Thematik bisher noch nicht in diesem Umfang auseinandergesetzt. Ich bin nach deinem Artikel tatsächlich überraschend positiv gestimmt, was mich allerdings auch kritisch bzw. nachdenklich stimmt, ist der weitere Ressourcenverbauch, wie er hier in den Kommentaren bereits angesprochen wurde. Auch der Raubbau an der Natur und die Umweltverschmutzung sind Faktoren, die mich nachdenken lassen. Auch wenn wir "alle Leute mit Nahrung versorgen können" und auch genügend Wasser vorhanden ist - was machen wir, wenn wir unsere Erde durch unseren Konsum zerstören und das dann gar nicht mehr möglich ist? Und neben Nahrung und Wasser gibt es da wie @sco sagt eben auch noch einen Haufen anderer Dinge, die wir Menschen konsumieren und besitzen möchten.

Was die Geburtenrate angeht, habe ich tatsächlich auch das Gefühl (ja, ich weiß, keine Daten 😝, habe aber keine Statistik erhoben), dass zumindest in meinem näheren Umfeld wesentlich weniger Kinder das Licht der Welt erblicken. Das scheint ganz klischeehaft allerdings auch mit dem Bildungsstand zu korrelieren - da das falsch zu sein scheint, muss ich vielleicht nochmal genauer hingucken 🙃.

Zum Abschluss: Danke für den Artikel, hat mir gefallen - auch das Video am Ende :)

Grüße
Marla

PS: Musste schon am Anfang deines Posts schmunzeln, da ich selbst 4 Monate keinen Artikel hochgeladen habe ;) Danke für den Ohrwurm 😝.
Guess who's back, back again...🎜

was machen wir, wenn wir unsere Erde durch unseren Konsum zerstören und das dann gar nicht mehr möglich ist?

Ja, das ist tatsächlich eine Möglichkeit. Eine andere Alternative wäre, dass wir vermehrt Wege finden, um ressourcenschonender zu produzieren. Wie genau das am Ende aussieht? Who knows.

dass zumindest in meinem näheren Umfeld wesentlich weniger Kinder das Licht der Welt erblicken. Das scheint ganz klischeehaft allerdings auch mit dem Bildungsstand zu korrelieren - da das falsch zu sein scheint, muss ich vielleicht nochmal genauer hingucken 🙃.

Na ja, es muss nicht unbedingt falsch sein. Es ist durchaus häufig so, dass ein höherer Bildungsstand mit weniger Kindern korreliert. Hatte ich, glaube ich, auch so geschrieben^^

PS: Gerne :)

Eines Tages werde ich herausfinden, wie Umweltschützer mit dieser Form der kognitiven Dissonanz zurechtkommen.

Viel Glück! Ich denke es ist sinnvoller sich auf die Suche nach dem Stein der Weisen zu begeben. ich denke, man kommt da schneller ans Ziel. 😉

Ich werd jetzt einfach mein Kommentar zum englischen Artikel wiederholen und etwas ausbauen: Also gratuliere ich zuerst mal zur Recherchearbeit und zur Schlussfolgerung was Essen und Trinken betrifft, ich gebe zu, dass das für mich etwas überraschend kam.

ABER:

Die Ressourcen, die der Mensch derzeit benötigt, sind vielfältig. Daher wäre es viel zu viel, sie alle sowie ihre Verfügbarkeit in einem kurzem, populärwissenschaftlichen Artikel aufzulisten. Aus diesem Grund konzentriere ich mich nur auf die wichtigsten Ressourcen, die der Mensch zum Überleben braucht: Nahrung und Wasser.

Der Mensch will mehr als nur essen und trinken. Wir verbrauchen einen Haufen Ressourcen. Gestern gerade war der Welterschöpfungstag, also der Tag, an dem die Ressourcen, die uns die Erde in einem Jahr geben kann, aufgebraucht sind, wieder mal so früh wie noch nie. Und es wird schlimmer: Kommt Wohlstand, kommt höherer Konsum. Die Leute wollen Smartphones, einen Fernseher, ein Auto, etc. etc. Geht sich hinten und vorne nicht aus. Nicht für 8 Milliarden, und schon gar nicht für 10 Milliarden plus.
Mag sein dass wir irgendwie auch mit 15 Milliarden noch überleben können. Aber was ist der Preis? Und kann man wirklich sagen, dass es kein Problem mit Überbevölkerung gibt, wenn es uns und unserem Planet mit 4-5 Milliarden Menschen wesentlich besser gehen würde?

.2

Länder, Städte, die Erde - sie sind keine geschlossenen Umgebungen.

Sieht man von der Sonne ab, sind ALLE Ressourcen die wir haben in einem geschlossenen System. Der Tag, an dem wir das All kolonialisieren, liegt realistisch betrachtet noch sehr sehr sehr weit in der Zukunft.

u.v.m., für das ich keine Zeit habe.
In einem Punkt stimme ich dann doch noch zu:

Keine Panik!

Ich hatte auch nichts anderes erwartet^^

Der Mensch will mehr als nur essen und trinken. Wir verbrauchen einen Haufen Ressourcen. Gestern gerade war der Welterschöpfungstag, also der Tag, an dem die Ressourcen, die uns die Erde in einem Jahr geben kann, aufgebraucht sind, wieder mal so früh wie noch nie. Und es wird schlimmer: Kommt Wohlstand, kommt höherer Konsum.

Das ist natürlich völlig richtig. Allerdings muss die Konsequenz daraus eben nicht zwangsläufig lauten, dass alles den Bach runtergeht. Wenn man sich z.B. Menschen wie Paul Ehrlich ansieht, die seit Jahrzehnten vor allen möglichen apokalyptischen Szenarien warnen - und damit jedes Mal falsch lagen, scheint es der Menschheit dann doch irgendwie immer wieder zu gelingen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Das muss natürlich nicht immer der Fall sein, aber given the odds...aktuell setze ich dann doch lieber auf die menschliche Innovationskraft und dass es gelingen wird, auch für die aktuellen Probleme noch entsprechende Lösungen zu finden.

Sieht man von der Sonne ab, sind ALLE Ressourcen die wir haben in einem geschlossenen System. Der Tag, an dem wir das All kolonialisieren, liegt realistisch betrachtet noch sehr sehr sehr weit in der Zukunft.

Ja, ist natürlich auch hier eine Frage der Perspektive. Aber mal angenommen, dass Wendelstein und Co. in absehbarer Zukunft ein Durchbruch gelingt und wir via Kernfusion weitaus mehr Energie produzieren als wir es uns jemals vorstellen konnten - das wäre ein nicht zu unterschätzender Zugewinn an positiven Veränderungen, da andere (schädlichere) Methoden irgendwann vernachlässigbar werden.

Ganz persönlich hoffe ich allerdings auf eine Super-AI, die alle Probleme für uns löst - oder uns endgültig löst :)

Joa, aber das ist alles nicht vorhersehbar. Nach momentanen Stand der Technik geht es so nicht lange weiter, und schon gar nicht mit 10 Milliarden +.
Bzw. nicht ist übertrieben. Irgendwie überleben wir schon. Aber irgendwie überleben ist halt wie gesagt weit weit weit weg vom Optimum.

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Eines Tages werde ich herausfinden, wie Umweltschützer mit dieser Form der kognitiven Dissonanz zurechtkommen.

Viel Glück! Ich denke es ist sinnvoller sich auf die Suche nach dem Stein der Weisen zu begeben. ich denke, man kommt da schneller ans Ziel. 😉

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