Land der großen, weißen Wolke – VII

in #deutsch7 years ago (edited)

XXX-Terrasse-Uebersicht.JPG

Auf der Terrasse über der Gracht standen drei rote Garnituren, runde Tische mit den üblichen Holzsitzen im gescherten Eisengestell. Zur Gracht hin war das Geländer an einer Stelle geöffnet, so dass man mit einem Boot dort festmachen und aussteigen konnte. Sehr zufrieden nahmen wir Platz und Pieter besorgte Amstel mit zwei Gläsern, während ich uns zwei schöne Zigaretten drehte. So saßen wir inmitten des größten Touristentrubels zufrieden in der Nachmittagssonne, um den Tag gemütlich und in aller Ruhe in einen gepflegten Abend übergehen zu lassen. Der nächste Termin war Sushi mit Onkel, Kusine und der Kinderbande, wobei der Beginn um zwanzig Uhr kaum Anlass zu Eile gab. Was auch weder Pieters noch meinem Naturell entsprach und so blieb Zeit genug, weiterhin gemütlich die Seele baumeln zu lassen. Die Umgebung dieser Terrasse empfand ich als geradezu sensationell. Es war ein unglaublich intimer Platz in der City von Amsterdam. Man muss so einen Ort bewusst suchen um ihn überhaupt zu erkennen. Reiner Zufall bringt niemanden an solch ganz besondere Stellen.

Auf Augenhöhe

Dort saßen wir höchstens einen Meter über dem Wasser. Der Bootsverkehr der Schleuse war unterhaltsam und vom Cafébetrieb über uns drangen die Laute fröhlicher Menschen herab. Gegenüber blickten wir in eine lange Gracht hinein, die in einer Häuserlücke abzweigte und von hohen Backsteinspeichern mit den unterschiedlichsten Fronten gesäumt war. Direkt links von uns gab es eine sehr schmale Durchfahrt, vor der die Boote auf den Gegenverkehr warten mussten. Wechselweise fuhren die Boote heraus und hinein. Da wir praktisch auf Augenhöhe der Insassen waren, gab es viele Blicke, Lächeln, Zuwinken und gar freundliche Worte, die wir natürlich nicht verstanden. Es war ein Samstag Nachmittag und an Wochenenden mit gutem Wetter, herrscht auf den Grachten immer reger Betrieb. Ganz besonders im Zentrum geht es dabei um Sehen und Gesehen werden. Kapitänsmützen, weiße Hemden, der dunkle Club–Blazer mit goldenen Knöpfen gehören dabei ebenso zum Standard–Outfit der Bootsführer, wie die Schaumweinflasche im silbernen Kühler, die selbstverständlich an einem prominenten Ort auf den Booten zur Schau steht, während viele möglichst so taten, als sei man beinahe schon tot vor Langeweile.

Bild der Olav–Statur in der Niesche einer Backsteinmauer. Olav hat den Mund geöffnet uns schaut sehr grimmig. er hält eine Art Schriftrolle senkrecht vor den Körper.

St. Olav, Amsterdam

Der Dicke

So gab es viel Menschliches zu sehen und vom luxuriösen Mahaghoniboot bis hin zum ordinären Fischerkahn tuckerte so ziemlich jeder Bootstyp den Amsterdam zu bieten hatte, gemächlich an unserem Honigmannplatz vorbei. Über all dem geschäftigen und abwechslungsreichen Treiben auf dem Wasser ragte gegenüber die Seitenwand des Eckhauses hoch auf und dort stand St. Olav in einer Niesche, der grimmig auf uns herab blickte. Zu Lebzeiten wurde er Olav der Dicke genannt, doch sein offizieller Name war Olav der Zweite Haraldsson. Geboren ist er vermutlich um 995 n.Chr. als Wikinger und wurde in seinem geradezu abenteuerlichen Leben König der Norweger, konvertierte zum Christentum und hat der Legende nach den Norden des Kontinents von den Trollen befreit. Er konnte der Sage nach Felsen teilen, um sich im so entstandenen Spalt zu verstecken. In der Schlacht von Stiklestad wurde er am 29. Juli 1030 getötet und auffallend eilig heilig gesprochen. Um seinen Leichnam herum sollen angeblich Wunder geschehen sein. Er regierte von 1015 bis 1028. Seine Heiligsprechung war nach den Erkenntnissen moderner Historiker eher eine kirchenpolitische Notwendigkeit, als Folge tatsächlichen Wundergeschehens. Der Norden Europas stand damals noch in recht enger Beziehung zum heidnischen Brauchtum und so bedurfte es perfider Methoden, das abergläubische Volk vom neuen Geschäftsmodell zu überzeugen.

Charmeure

Ich frage mich noch immer, was dieser heilige Norweger–König in Amsterdam zu suchen hat, aber vielleicht beschützt er ja ein ehemaliges, norwegisches Kontor. Vom historischen Aspekt hatten wir damals natürlich nicht die geringste Ahnung. Wir fühlten uns unter seinem strengen Blick nur ein kleines bisschen, wie beobachtet. Dann traten zwei junge Damen auf unsere Terrasse, etwa zwischen dreißig und vierzig Jahren alt und so fröhlich, wie neugierige Touristen auf Entdeckungstour eben fröhlich sind. Mit ihren großen Sonnenhüten und sehr konservativer, sommerlicher Kleidung wirkten sie etwas altbacken, was uns aber nicht etwa zur Zurückhaltung animierte sondern zum Gegenteil. Es spornte uns an, den ganzen Charme spielen zu lassen. Würde uns der geneigte Leser kennen so wüsste er, Pieter und ich waren Großmeister des gepflegten Charmes und es gab nicht eine Dame, die dem nicht erlegen wäre. Natürlich hat diese Art des Erliegens nicht das Geringste damit zu tun, wovon jeder echte Waidmann träumt. Wir verstanden es einfach nur, hinreißend charmant zu unterhalten und dabei unwiderstehlich zu wirken. Besonders Pieter war darin ein solcher Routinier, dass ich ihn nur schlicht als großartigen Chameur bezeichnen kann.

Satellitenbild der Terrasse  mit der Grachtenanlage und der Brücke, von der aus die Terrasse entdeckt wurde Satellitenbild mit Dank von Google

Zeitlos

Es begann eine fröhliche Plauderei, wobei sich herausstellte, dass die Damen Belgierinnen waren. Wir zeigten ihnen unsere bereits entdeckten Besonderheiten der Terrasse, erklärten die Lage im Bootsverkehr und selbstverständlich auch Olav, der daraufhin reichlich Anlass zu gemeinsamer Heiterkeit gab, in deren Verlauf die Damen simultan einige Postkarten schrieben. So wie wir, schienen auch sie jedes Zeitgefühl verloren zu haben. Mittlerweile hatte auch das Personal entdeckt, dass die Terrasse zum Betrieb gehörte und versorgte unsere fröhliche Gruppe über die Türe des etwas unaufgeräumten Wirtschaftsraumes hinter uns, mit angemessener, diskreter Gastlichkeit. Gerade zu der Zeit, als wir uns langsam hätten mit dem Gedanken beschäftigen müssen, wer mit wem den Termin am Abend schwänzen würde, erschrak eine der Damen ganz fürchterlich. Ein paar heftige französische Worte flogen hin und her, hektisch wurden Uhren kontrolliert, Ziffern verglichen und die Damen verschwanden unter großem Goodbye flugs im Angesicht der Zeit und einer offenbar vergessenen Verabredung. Es wurde wieder eben so ruhig, wie vor diesem fröhlichen Intermezzo. Ich drehte zwei weitere Zigaretten und die wahren Knüller des Nachmittags lagen noch vor uns, was aber noch niemand ahnen konnte und vielleicht kann Olav doch Wunder wirken. Deshalb ist die Geschichte auch noch lange nicht zuende.

In dieser Reihe sind bisher erschienen:
Land der großen, weißen Wolke I, II, III, IV, V und VI.


… …    …    …     …    …    …    … … ||| … …    …    …    …    …     …    … …


Just a Frog in the STEEM of whales.



Steemit bietet einmaligen, werthaltigen Content.
In diesem Posting ist es neben der Geschichte natürlich das Foto der St. Olav-Statur. Es handelt es sich dadurch um Content, der für die Stadt Amsterdam von gewisser Bedeutung ist, weil das Motiv bisher vermutlich noch nie veröffentlicht wurde. Ich habe die Statur jedenfalls vergeblich gesucht.
STEEM ON STEEMIT!!!

Sort:  

Ich liebe Deine Geschichten, und freue mich mit Dir über die großartige Unterstützung des @non-english-comm.

Danke lieber Schamane und ich liebe meine Leser. Ich muss mich schon sehr wundern, dass es immer wieder neue Seilschaften gibt, die hier Autoren pushen. Dich unterstützen sie ja auch sehr gerne. Ich muss mal nachsehen, wer neuerdings so toll votet. Wenn es die Koreaner sind, dann frage ich mich, ob dort wirklich soviele Deutsch lesen können und wen ich dann wohl im Gegenzug voten sollte, den ich aufgrund seiner Sprache nicht lesen kann. An und für sich ist diese Bewegung für die nichtenglischen Sprachen zu begrüßen. Aber wenn die gar kein Deutsch lesen können, die da voten, ist es eine politische Bewegung die genau so aufplatzen kann, wie die Guild mit ihrem Whalegeschwader. Das endete dann widerum in der nächsten Frustrationsperiode. Aber einstweilen genieße ich den Erfolg und sage all meinen Lesern und gewogenen Bots: Danke für eure Aufmerksamkeit. Letztere verstehen es ja überhaupt nicht, was ich hier schreibe. Du hast es sicher als Scherz auf Kosten der Bots erkannt, @schamangerbert.

Nein, das ist kein Scherz. Hier siehst du warum:
https://steemit.com/kr/@yoonjang0707/for-non-english-community-2017-05-01

Und mit automatischer Übersetzung kann man sogar koreanisch verstehen :)

Hallo afrog, bevor hier Gerüchte aufkommen. non-english-comm ist ein Spin-Off des ehemaligen Guilden-Fußvolks, allerdings ohne Steemit Inc (Stinc)-Headquarter Vote Support, und auch ohne Eigenvotes für die Curatoren. Korean, Spanisch, Türkisch und Deutsch wirft die besten Posts in allen 4 Sprachen in einen Topf und votet diese dann gegenseitig.

Lieber @twinner, danke für die rechtzeitige Unterdrückung vagabundierender Gerüchte. Zunächst ist es eine große Ehre für mich, zu den besten deutschen Posts beigetragen zu haben.

Es ist eine bemerkenswerte Initiative und ein vielversprechender Ansatz, was sich da gerade tut. Statt eines erneuten Alleinganges jeder Sprachgemeinschaft tut man sich international zusammen. Bezüglich der täglichen Praxis bedarf es nun natürlich einiger Erkläuterungen und ganz sicher auch vieler grundsätzlicher Überlegungen auf Seiten der Initiatoren. Da bietet sich eine neue Instanz zum Voten an, die vorgestellt und verstanden werden will. Nicht jeder begreift, welche Konsequenzen aus diesem Vorstoß nun für das eigene Voten entstehen, mich mit eingeschlossen.

Mit den vorerst beteiligten Sprachgemeinschaften ist ja auch nicht jede aktive Sprache vertreten. Da fallen mir spontan die Indonesier ein, die sogar selbst viele verschiedene Sprachen haben. Die Skandinavier fingen gar nicht erst an, in der eigenen Sprache zu schreiben. Es ist nicht einmal klar, wie viele Sprachen es überhaupt gibt. Schätzungen liegen zwischen 4000-7000. Wo ist die Grenze zwischen Sprache und Dialekt zu ziehen? Ich sehe schon, selbst beim ersten Überfliegen der Problematik, dass dieses Thema sicher kein einfaches ist. Sollte jedoch eine praktikable Lösung aus dieser Initiative hervor gehen eine, die auch noch gerecht ist, wird den Ex–Guilds Großes gelungen sein.

„Stinc“ ist übrigens eine sehr witzige Abkürzung. Das könnte sich durchsetzen.

Ämüsant erzählt..gefällt mir [email protected] erlaube mir diesen post zu resteemen.Wünsche einen schönen Abend. Liebe Grüße aus der Nachbarstadt Frankfurt

Herzlichen Dank, lieber @germanlifestyle. Es ist immer eine große Freude, von richtig echten Leser zu erfahren, die sich über Inhalte freuen. Das ist der Ansporn für neue Geschichten.

Ich freue mich schon sehr auf deine nächste Geschichte. Wünsche Dir ein schönes Wochenende.

Vielen Dank, @germanlifestyle, die kommt bestimmt. Ich wünsche Dir auch eine schöne Zeit.

Hach, was für eine bezaubernde Froschdame. Da bin ich doch hin und weg!

Dachte ich mir,das sie dich mit ihrem umwerfenden Frog Charme bezaubern wird.

I do not understand the German language but I support your writing selected for the development of non - English language.
Although I run the translator, it seems to be hard to translate German into Korean.

Thank you very much for your support @sochul. As I know from English readers it is also hard to translate German to English. I'm pretty sure, scientists will find a solution for all language problems in future. Until this time we always always have to try it.

@afrog nim
Ich konnte nicht Deutsch war es leicht für Sie haejueo Antwort auf Englisch zu verstehen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich werde versuchen, durch einen Übersetzer ganzen Artikel zu verstehen, Sie schreiben.
Wenn ich manchmal sogar die falschen Antworten würde werden Sie verstehen.
Danke.

Thank you @sochul.
구글의 번역은 여전히 매우 좋지 않다. 종종 당신은 의미가 무엇인지 해석해야합니다. 그러나 당신이 그것을 시도하려는 감사합니다.

Das Gefühl, wenn man dann mal deutsch schreibt und der Frosch es nicht mag.

https://steemit.com/deutsch/@thatgermandude/die-merkwuerdigen-gemeinsamkeiten-der-deutschen-und-koreanischen-sprache-3-deutsche-version

Wollts nur mal linken, falls du es nicht gesehen hast. Hab extra nen alten Post kommentiert, damit es nicht so komisch ist, falls du es nicht gut findest.

Ich will dich nicht um deine 4 cent anbetteln, geht mir mehr um deine Meinung.

Coin Marketplace

STEEM 0.20
TRX 0.13
JST 0.030
BTC 63026.81
ETH 3462.43
USDT 1.00
SBD 2.51