Cicero und die Sache mit der Freundschaft / Cicero and the matter of friendship

in Deutsch Unplugged3 years ago (edited)

english below...

Letztens habe ich an dieser Stelle ein wenig über Freundschaft geschwafelt. Fragen aufgeworfen und Eindrücke geschildert. Wie den Kommentaren zu entnehmen war, gibt es trotz minimalistischer Definitionsversuche wenig Allgemeingültiges, Verbindliches über dieses sehr individuelle Konstrukt - das wir alle zu kennen glauben, das wir alle wertschätzen. Meine Verblüffung über die weitgehende Vernachlässigung dieses großen Themas in Fachliteratur und vor allem Philosophie hält weiter an...

Als ich um Anregungen bat, wo ich entsprechendes finden und nachlesen könnte, war @ty-ty mit einem Tipp zur Stelle und empfahl mir einen Cicero: "Laelius. Über die Freundschaft" und unmittelbar nach ausschreiben der Empfehlung schnippte er mir das kleine gelbe Reclam-Bändchen elegant über den Tisch ;-))

Sperrig zu lesen, aber wenn man sich in den antiken Sprachstil eingefuchst hat und auch noch das grundlegende Gebilde verinnerlicht, sind die 86 Seiten in winziger Schrift schnell eingeatmet... Cicero "protokolliert" ein Gespräch zwischen vier erhabenen, weisen Menschen, dem er lauschend beiwohnen durfte, über Freundschaft. Seinen eigenen Standpunkt läßt er durch Überzeichnung und Glorifizierung eines der Protagonisten einfließen. So weit, so passend.

Bei allem, was sicher zutreffend und zeitlos festgestellt wird, bin ich über zwei Punkte gestolpert, die zumindest aus heutiger Sicht elitär abgehoben und anmaßend wirken.

Zum Einen gibt es dort die feste Überzeugung, daß zu wahrer Freundschaft nur wahrhaft weise Menschen fähig wären. Im Einklang mit den damals herrschenden Ansichten bezeichnet er Menschen als weise, die in hervorragender Güte und allumfassend gebildet sind, vor allem im philosophischen Bereich. Darüber hinaus aber untadelig leben, von ausgezeichneter Tugendhaftigkeit wären. Die Besten der Besten der Besten, sozusagen. Und nur unter diesen wäre eine wahre, gleichberechtigte Freundschaft überhaupt möglich. Nun ja... Ich will das so nicht akzeptieren. Natürlich ist es ein hehres Ideal, ein guter Mensch zu sein. Das schafft allerdings aus meiner Sicht niemand in jedem einzelnen kleinen Detail seines Lebens. Wir alle machen Fehler, sind 'mal engstirnig oder unüberlegt oder einfach nur außer Kontrolle. Also sind wir, bis auf die wenigen in diesem Sinne perfekt lebenden Menschen, die es vielleicht vereinzelt geben mag, nicht zu echter Freundschaft fähig?

Ein krasses Gegenbeispiel aus meiner Praxis: ich habe viele Jahre ehrenamtlich Strafgefangene betreut und sie über lange Etappen ihrer Prozesse, ihrer Haftzeit und teils auch darüber hinaus begleitet. Dabei durfte ich Freundschaften erleben zwischen Menschen, die ich nun wirklich nicht umfassend tugendhaft oder auch nur vorbildlich nennen würde. Aber sie fühlten sich in berührender Tiefe miteinander verbunden, trotzten den widrigen äußeren Umständen und pflegten die Freundschaften intensiv als letzte Bindung an die Normalität...

Außerdem wage ich zu bezweifeln, daß es nur zwischen gleich gebildeten, gleich sozialisierten oder gleich denkenden Menschen Freundschaft geben kann. Wenn es denn zu Zeiten Ciceros so empfunden wurde: lag das nicht vor allem an der Isolation innerhalb der einzelnen Schichten? Heute würde man das eventuell "Filterblase" nennen...?

Außerdem geht Cicero noch einen Schritt weiter; nach seiner Meinung müssen diese sehr edlen und weisen Menschen, die in echter Freundschaft miteinander verbunden sind, in jedem Fall männliche Menschen sein! Frauen fehle es an Bildung und Tugendhaftigkeit, der Wunsch nach Freundschaft bei Frauen bedeute einfach die Suche nach Schutz, Geborgenheit, Sicherheit und Versorgung. Okay. Da fühle ich mich doch gleich... Spätestens an der Stelle halte ich seinen Blick auf das Thema für überholt und unangemessen. Ob er zu seiner Zeit damit richtig lag, wage ich nicht zu beurteilen - erlaube mir aber ebenfalls leise Zweifel.

Allerdings bringt es mich auf eine Frage, die @leroy.linientreu mit seinem Kommentar schon ein bißchen getriggert hat bei mir: unterscheidet sich weibliche von männlicher Freundschaft? Was ist mit gemischten Freundschaften - haben die noch einmal eine andere Qualität...?

Leider las ich mitten in den Grübeleien über diese spannende Frage einen aktuellen Krautreporter-Artikel (ich mag das Konzept des wirklich freien Journalismus, ich fördere es und trotzdem habe ich gelegentlich deutliche Kritik) über "Freund:innenschaften". Abgesehen davon, daß ich Gendersprech und -schreib richtig schlimm finde und das nicht nur aus sprachästhetischen Gründen - merkt da niemand, daß mit diesem Aufsplitten unterschiedliche Qualitäten und Gegebenheiten nur noch mehr hervorgehoben werden, statt sie zu egalisieren (meine Vorstellung von Gleichstellung...)

Ich bin weiter voller Fragen und Unsicherheiten. Ebenfalls weiter offen für Anregungen, wo ich noch Erhellendes suchen könnte. Wie @moecki treffend schrieb: in Literatur und Film ist Freundschaft eins der größten und komplexesten Themen überhaupt. Und trotzdem beschäftigt sich niemand wissenschaftlich damit? Bei Richard David Precht (beispielhaft als Zeitgeist-Philosoph unserer Tage) sehe ich Beiträge zu Liebe. Zu Sex. Zu Liebe ohne Sex. Zu Sex ohne Liebe. Zu vielfältigen Partnerschaften. Das Wort "Freundschaft" finde ich nirgends...

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english version:

The other day I rambled a bit about friendship in this space. I raised questions and described my impressions. As the comments indicated, despite minimalist attempts at definition, there is little that is universally valid, binding about this very individual construct - which we all think we know, which we all value. My bafflement at the widespread neglect of this great subject in specialist literature and especially philosophy continues....

When I asked for suggestions on where I could find and read about it, @ty-ty was on hand with a tip and recommended a Cicero: "Laelius. On Friendship" and immediately after writing out the recommendation, he elegantly flicked the little yellow Reclam volume across the table ;-))

It's a bulky read, but once you've familiarised yourself with the ancient linguistic style and also internalised the basic structure, the 86 pages in tiny type are quickly breathed in... Cicero "records" a conversation between four sublime, wise people, which he was allowed to listen to, about friendship. He incorporates his own point of view by exaggerating and glorifying one of the protagonists. So far, so appropriate.

For all that is certainly true and timeless, I stumbled across two points that seem elitist and pretentious, at least from today's perspective.

Firstly, there is the firm conviction that only truly wise people were capable of true friendship. In line with the prevailing views of the time, he describes people as wise who are outstandingly good and all-embracingly educated, especially in the philosophical field. But beyond that, living blamelessly, would be of excellent virtue. The best of the best of the best, so to speak. And only among them would a true, equal friendship be possible at all. Well... I don't want to accept it like that. Of course it is a noble ideal to be a good person. However, from my point of view, nobody achieves that in every single little detail of their life. We all make mistakes, are narrow-minded or inconsiderate or simply out of control. So, apart from the few people who live perfectly in this sense, who may exist in isolated cases, we are not capable of real friendship?

A blatant counter-example from my practice: I spent many years voluntarily looking after prisoners and accompanying them through long stages of their judicial processes, their time in prison and sometimes even beyond. In this way, I was able to experience friendships between people whom I would really not call comprehensively virtuous or even exemplary. But they felt connected to each other in a touching depth, defied the adverse external circumstances and intensively cultivated the friendships as the last bond to normality ...

Moreover, I dare to doubt that friendship can only exist between equally educated, equally socialised or equally thinking people. If it was felt that way in Cicero's time: wasn't that mainly due to the isolation within the individual classes? Today, this would possibly be called a "filter bubble"...?

Moreover, Cicero goes one step further; according to him, these very noble and wise people, bound together in true friendship, must in any case be male! Women lack education and virtue, the desire for friendship in women simply means the search for protection, security, safety and provision. Okay. That makes me feel... At this point, at the latest, I consider his view of the subject to be outdated and inappropriate. Whether he was right in his time, I don't dare to judge - but I also have my doubts...

However, it brings me to a question that @leroy.linientreu has already triggered a bit in me with his comment: is female friendship different from male friendship? What about mixed friendships - do they have another quality...?

Unfortunately, in the midst of pondering this exciting question, I read a recent Krautreporter article (I like the concept of truly free journalism, I promote it and yet I occasionally have clear criticisms) about "girl:friendships". Apart from the fact that I find gender-speak and -writing really bad and not only for reasons of linguistic aesthetics - nobody notices that with this splitting up different qualities and realities are only emphasised even more instead of equalising them (my idea of equality...).

I am still full of questions and uncertainties. I am also still open to suggestions on where I could look for more enlightenment. As @moecki aptly wrote: in literature and film, friendship is one of the greatest and most complex themes of all. And yet no one deals with it scientifically? In Richard David Precht (exemplary as the spirit-of-the-time philosopher of our day) I see contributions on love. On sex. On love without sex. On sex without love. On diverse partnerships. I don't find the word "friendship" anywhere...

Zur freundlichen Beachtung: / For kindly note:

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 3 years ago 

Vergiss Cicero. Ich empfehle Heine.
Helme Heine.
Dort erfährst du innerhalb weniger Minuten, was wahre Freundschaft ausmacht, dass man für eine Freundschaft weder gleich stark noch gleich intelligent sein muss, und dass es definitiv gemischte Freundschaften gibt... ;-)

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 3 years ago 

Ich empfehle Vorsicht ⚠️ und gemäßigte Erwartungen zum Thema Freundschaft
VgA

 3 years ago (edited)

Dort erfährst du innerhalb weniger Minuten, was wahre Freundschaft ausmacht

Das meinst du nicht im Ernst, oder?

Edit:
Ich habe nichts gegen Heine, ich nehme deinen Satz aus seinem Kontext dieser Empfehlung im allgemeinen:
Es kann doch niemand aus Büchern oder anderen externen Quellen erfahren, was wahre Freundschaft ausmacht, sondern sie - so meine ich - lediglich wiedererkennen, wenn er ihr dort begegnet. Oder?

 3 years ago 

Das meinst du nicht im Ernst, oder?

Nö:

;-)

Obwohl ich die Idee sehr reizvoll finde, dass Freundschaft miteinander wippen oder schaukeln, miteinander Nase-Nase oder Popo-Popo spielen bedeutet. Vor allem aber, für einander da zu sein, sich gegenseitig zu unterstützen...

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Es kann doch niemand aus Büchern oder anderen externen Quellen erfahren, was wahre Freundschaft ausmacht

Denke ich auch: Nein, das ist nicht möglich. Selbst das Wiedererkennen halte ich für schwierig, da die Definition von Freundschaft sicher auch ein individuelles Ding ist. "Freundschaft" ist ein extrem komplexes Phänomen (weshalb es vermutlich auch so viele Bücher bzw. Gedanken dazu gibt) und ich glaube, du kannst sie nur "erklären", wenn du sie selbst erfährst, erlebst. Und selbst dann ist deine Erklärung - ebenso wie das Konstrukt "Freundschaft" selbst - sehr fragil, denn du wirst sie ganz anders definieren, wenn du z.B. von einem Freund so enttäuscht wirst, dass du das, worauf du vielleicht jahrelang geschworen hast, vollständig in Frage stellst.

Warum ich beim Kommentieren auf ein Kinderbuch zurückgegriffen habe? Ganz einfach: Ich hatte keine Lust, lange zu philosophieren, wollte dennoch meine Auseinandersetzung mit diesem guten Artikel zum Ausdruck bringen.

 3 years ago 

Die Besten der Besten der Besten, sozusagen.

An der Stelle tun sich mir schon die größten Zweifel auf. Ich würde mal annehmen (mangels Präsenz muss es bei einer Annahme bleiben), dass es auch zur damaligen Zeit wenig bis gar keine Menschen gab, die dieses Ideal erfüllten.

Ich habe keine Bedenken dahingehend, dass es auch zwischen unterschiedlichen Schichten, Geschlechtern, Interessen etc. Freundschaften überhaupt und gute im Besonderen gibt.
Das, was eine gute Freundschaft ausmacht, müssen alle der Beteiligten unabhängig von Stand und Geschlecht erfüllen.

 3 years ago (edited)

Es gibt keine guten und schlechten Freundschaften. Nur Freundschaft und tatsächlich existiert sie sogar zwischen Individuen der verschiedensten Arten. Ich meine Freundschaft, nicht Symbiose.

 3 years ago 

Da stimme ich dir zu. "wirklich" wäre hier tatsächlich zutreffender als "gut" gewesen.

Nun, bei so viel Bildung und so viel passender Literatur zum Thema habe ich ein wenig Anlaufzeit benötigt. Die Hemmschwelle zum Kundtun war eine zu überwindende Hürde. Aber mit ein wenig Mum und entschlossenem Willen würde ich jetzt auch gerne meine persönliche Ansicht zum Thema beisteuern.

Ich halte mich für multikulturell eingebunden und habe viele Freundschaften auf der ganzen Welt schließen können, um diese später teilweise erneut zu verlieren. Nicht längst alle Freundschaften sind haltbar, aber einige halten stattdessen erstaunliches aus. Dabei kommt es nicht nur auf die Personen selbst an, sondern auch auf die Umstände, auf die Entfernungen etc. und schon kommen zahlreiche übergreifende neue Variablen ins Spiel. Diese Beziehungen sind dabei so vielfältig, wie
es menschliche Verknüpfungen gibt. Denken wir kurz an die unterschiedlichen Werte. Es können sich auch je nach Umstand, die ausschlaggebenden Werte verschieben. Der Freund handelt eventuell wie immer, aber unsere eigenen Umstände haben sich verändert und plötzlich passt eine Verbindung nicht mehr wie vorher.

Auch erscheint mir kein Freund wie der andere. Auch dies hat bestimmt mit der gemeinsamen Geschichte zu tun.

Freundschaftsarten erscheinen mir derartig vielfältig, dass wirklich keine allgemeingültige Aussage spezifisch zutrifft. Die Definition von Freundschaft unterliegt derartig vielen Varianten und Kontexten, dass scheinbar keine Schublade groß genug ist, um alle Formen und Dimensionen in ihr aufzunehmen. Die Literatur scheint diese Ansicht zu spiegeln. Jeder Definitionsversuch scheint andere Prioritiäten zu setzen und keiner trifft es so richtig, oder? Es wäre wohl eher eine vollgestopfte Rumpelschublade, wenn jemand den Versuch starten würde, Freundschaft umfangreich zu klassifizieren und einzuordnen.

Nicht nur, dass wir von unterschiedlichen Freundschaftsarten sprechen können, sondern auch noch von komplizierten Kontexten, wie gesellschaftsbedingte Voraussetzungen, unterschiedliche Mentalitäten, Werte, Gebräuche, individuelle Zustände und zeitliche Begebenheiten.

Letztendlich halte ich das Wort "Freundschaft" lediglich für eine grobe Einzäunung allgemeiner positiver Beziehungstendenzen, in denen individuell und unter einem spezifischen Abstimmungscode der Beteiligten eine Art von individueller Beschreibung definiert werden kann.

 3 years ago 

Schön, daß Du Hürde mit Schwung genommen hast ;-))

In allen Punkten Übereinstimmung. Und dennoch... Im Ausgangspost schrieb ich, daß ich nur sehr zögerlich das Prädikat "Freund" verleihe. Ich kenne überall auf der Welt gute Leute, die ich Bekannte, Kumpel, Kontakte nennen würde. Von einer Freundschaft erwarte ich mehr - ohne daß ich es ganz genau festmachen kann. Brieffreundschaft sehe ich als Möglichkeit. Distanz funktioniert. Aber, aber...

Ich stimme erneut mit Dir überein. Letztendlich ist die Definition wohl auch jedem selbst überlassen, was er als Freundschaft empfindet. Ein Punkt, der mich sehr nachdenklich gemacht hat, ist folgender. Ich glaube, fast alle Kommentare sind vom eigenen Standpunkt ausgegangen. Freundschaft ist aber eben nicht nur, was ich mir vorstelle, sondern auch das, was sich mein Gegenüber vorstellt. Wir können jemanden als unseren Freund bezeichnen und er empfindet uns lediglich als einen netten Bekannten. Selbst wenn ich ihn als Freund empfinde und auch so definiere, muss es längst noch keine solide Freundschaft sein. Ich sprach deshalb von Abstimmungscode der nicht nur meine eigene Meinung, sondern auch die des angeblichen Freundes berücksichtigen sollte. Ansonsten könnte eine Beziehung recht einseitig sein, sogar in eine Art einseitiges Abhängigkeitsverhältnis rutschen und in einer giftigen Obsession enden. Für eine sich beidseitig lohnende Freundschaft können wir keine einseitige Definition verwenden, meine Meinung, sondern nur diesen gemeinsamen Abstimmungscode individuell anwenden. Deshalb finde ich den Begriff so dynamisch. Wenn ich jetzt beispielsweise eine harmonische Freundschaft mit einer bestimmten Person führe, so könnte dieses geschlossene System bei gleichartiger Anwendung mit einer anderen Person eventuell an Harmonie verlieren, weil hier neue erneute Abmachungen notwendig werden. Eventuell haben wir ja gerade deshalb unterschiedliche Freunde für unterschiedliche Umstände. Man kann zum Beispiel nicht mit allen seinen Freunden gleich intensiv über Probleme reden. Es könnte auch Freunde geben, die für unterschiedliche Bereiche unterschiedlich gut harmonieren. Mit wem rede ich lieber, mit wem gehe ich lieber aus, mit wem renoviere ich lieber das Haus, mit wem würde ich ein gemeinsames Geschäft aufbauen etc. (nur Beispiele). Wenn ich meine eigenen Vorstellungen über Freundschaften anderen überstülpe, dann habe ich 50 % der Meinung ausgeklammert und agiere gemäß meiner eigenen Projektion, also was ich persönlich für richtig halte. Dies hat aber wie gesagt für den Gegenüber unter Umständen gar keinen Wert.

 3 years ago (edited)

Ja, Du hast recht. Und da werden auch die Grenzen schon wieder fließend zu Kooperationen und Zweckgemeinschaften - gemeinsame Firma könnte so ein gemeinsamer Zweck sein. Sympathie, Loyalität, Zuverlässigkeit und Vertrauen wie in einer Freundschaft selbstverständlich - aber ausgerichtet auf das Funktionieren eines Unternehmens. Weites Feld, tatsächlich...

Ich finde Du hast die Gabe, mit 5 Worten das zu sagen, wofür ich 5 Seiten benötige. Ist mir schon öfters bei Dir passiert. Da kommt ein Post von Dir und ordnet meine Ideen mal kurz in 3 Regale und schon wird es übersichtlich. Interessant, was manche so alles können:-)

 3 years ago 

Hui, danke Dir! Ich neige halt zum Vereinfachen, wenn es was zu vereinfachen gibt. Bleibt schon noch genug Kompliziertes und Vertracktes übrig... ;-))

 3 years ago 

Ich halte nichts von Freundschaften, um für einen Menschen da zu sein wenn er Hilfe braucht benötigt es keinem Bekenntnis .

 3 years ago 

Mir fällt auch bei langem Überlegen niemand, den ich kenne, ein, der bezüglich Freundschaft so... warnend, ablehnend, zurückweisend ist. Es wird Gründe dafür geben, keine Frage. Ich empfinde (meine vage Vorstellung von) Freundschaft als bereichernd und ausgleichend. Als erstes eine Verpflichtung respektive ein Bekenntnis zu sehen, fiele mir nicht ein. Bin immer wieder überrascht, wie eng mein Horizont manchmal ist und wie schlecht ich mich in ganz andere Sichtweisen einfühlen kann...

 3 years ago (edited)

Einen speziellen Grund oder Ereignis gibt es nicht ich möchte nur keine falschen Hoffnungen schüren im Bezug auf Freundschaft . Wenn ich meinen Bekanntenkreis so betrachte und ihre „Freundschaften“ fahre ich sehr gut mit meiner Einstellung

 3 years ago 

…Freund:innenschaften… …merkt da niemand, daß mit diesem Aufsplitten unterschiedliche Qualitäten und Gegebenheiten nur noch mehr hervorgehoben werden, statt sie zu egalisieren

Danke, dass du für uns Cicero gelesen hast. Antiker Elfenbeinturm. Elitengeschwafel. Dein Statement zur Gendersprache finde ich besonders erwähnenswert und stark. Dem kann ich nur zustimmen. Was wirst du auf dem Freundschaftsweg noch alles ausgraben? Das ist richtig spannend und ich martere mein Hirn seit deinem ersten Teil, ob Erich Fromm in seinem „Haben oder Sein“ nicht auch Freundschaft soziologisch untersucht und beschrieben hat. Ich meine mich zu erinnern, das hat er.

 3 years ago 

Gecheckt: In "Haben und Sein" wird Liebe untersucht und dies bezüglich der Liebe innerhalb einer intimen Paarbeziehung und die Liebe zwischen Eltern und Kind. Außerdem gibt es ein Kapitel um Kooperationen, Zweckgemeinschaften, in denen auch Uneigennützigkeit Platz hat. Von Freundschaft ist wiederum weder die Rede noch wird sie unter anderem Oberbegriff erfaßt.

Ty-ty's Idee, in der "Kunst des Liebens" von Fromm nachzuschauen, blieb gleichfalls fruchtlos. Verschiedene Sparten von Liebe, unterschiedliche Ausprägungen. Aber nichts von "freundschaftlicher Liebe" o.ä.

Ich schaue mich als Nächstes mal bei den Psychologen um...

 3 years ago 

Danke für das Verfolgen der Spur. Ich war mir fast sicher, dass Fromm auch über Freundschaft geschrieben hat. Muss mal schauen, ob ich einen aktiven Soziologen in meinem Dunstkreis finden kann. Als Hanauer lebt man ja praktisch direkt neben der „Frankfurter Schule“. Es kann doch nicht sein, dass die das Thema im blinden Fleck liegen haben. Soziologen verkopfen doch sonst gerne jedes Thema, das nicht niet- und nagelfest ist.

 3 years ago 

Die Freundschaft in so hehren Ausdrücken beschrieben ist mir nicht zugänglich; warum sollte man weise, gebildet und männlich sein müssen, um sich einem anderen Menschen inniglich verbunden zu fühlen und ihm/ihr helfen wollen und seine/ihre Gesellschaft zu geniessen. Es ist halt doch schon etwas Zeit vergangen seitdem Cicero dachte und schrieb. Heute darf Freundschaft doch auch unter einfachen Menschen möglich sein und Freude in das Zusammenleben, sei es auf der Arbeitsstelle, in der Nachbarschaft oder gar in der mehr oder weniger zufälligen Bekanntschaft bringen. Bacon hat da ein für mich zutreffendes Zitat auf Lager: "...faces are but a picture gallery and voices the distant sound of cymbals if there is no love..." (vielleicht nicht ganz wörtlich so, es ist schon länger her, dass ich es nachgelesen habe). "Love" ist hier für mich die Definition von Freundschaft.

 3 years ago (edited)

warum sollte man weise, gebildet und männlich sein müssen

Das verstehen natürlich nur weise und gebildete Männer (hätte Cicero vermutlich geantwortet).
;-)

Dass Freundschaft möglicherweise unter Liebe mit abgehandelt wird bei denjenigen Autoren, die über Letztere schreiben und schrieben, ist gut möglich und lohnt eine kleine Recherche. Ich hatte heute diesbezüglich schon einen Jaspers in der Hand, wurde aber (noch) nicht fündig. Als nächstes steht für mich Erich Fromms "Kunst des Liebens" in der Schlagmalaufschlange.

 3 years ago 

Aber sie fühlten sich in berührender Tiefe miteinander verbunden, trotzten den widrigen äußeren Umständen und pflegten die Freundschaften intensiv als letzte Bindung an die Normalität

Das würde Cicero mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit unter Zweck-Bindungen gezählt haben.

Die Gleichstellungs-Ideologie ist meines Erachtens leicht zu erläutern.

  1. Vermischen sich hier deskriptive mit normativen Ansprüchen.
  2. Zwischen sozial ungleichen Bekannten schleicht sich immer wieder die Frage nach der Abhängigkeit des einen vom andern ein. Dadurch wird das "hehre" Bild der Freundschaft in Ciceros Augen bereits kontaminiert: die für eine zweck-lose Freundschaft erforderliche Freiheit ist gefährdet, bedroht, kaum möglich (je nach persönlich wahrgenommenem oder sozial geltendem Ungleichgewicht).

Interessanter wäre, welche Punkte Ciceros du denn als zeitlos, als noch gültig wahrgenommen hast. Ich selbst bin ja in der Lektüre stecken geblieben, weil ich den antiken Stil (zu dem Zeitpunkt) nicht hatte ertragen können.

 3 years ago 

Hihi, was "man" nicht so alles verpassen kann .

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