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RE: Cicero und die Sache mit der Freundschaft / Cicero and the matter of friendship

in Deutsch Unplugged3 years ago

Nun, bei so viel Bildung und so viel passender Literatur zum Thema habe ich ein wenig Anlaufzeit benötigt. Die Hemmschwelle zum Kundtun war eine zu überwindende Hürde. Aber mit ein wenig Mum und entschlossenem Willen würde ich jetzt auch gerne meine persönliche Ansicht zum Thema beisteuern.

Ich halte mich für multikulturell eingebunden und habe viele Freundschaften auf der ganzen Welt schließen können, um diese später teilweise erneut zu verlieren. Nicht längst alle Freundschaften sind haltbar, aber einige halten stattdessen erstaunliches aus. Dabei kommt es nicht nur auf die Personen selbst an, sondern auch auf die Umstände, auf die Entfernungen etc. und schon kommen zahlreiche übergreifende neue Variablen ins Spiel. Diese Beziehungen sind dabei so vielfältig, wie
es menschliche Verknüpfungen gibt. Denken wir kurz an die unterschiedlichen Werte. Es können sich auch je nach Umstand, die ausschlaggebenden Werte verschieben. Der Freund handelt eventuell wie immer, aber unsere eigenen Umstände haben sich verändert und plötzlich passt eine Verbindung nicht mehr wie vorher.

Auch erscheint mir kein Freund wie der andere. Auch dies hat bestimmt mit der gemeinsamen Geschichte zu tun.

Freundschaftsarten erscheinen mir derartig vielfältig, dass wirklich keine allgemeingültige Aussage spezifisch zutrifft. Die Definition von Freundschaft unterliegt derartig vielen Varianten und Kontexten, dass scheinbar keine Schublade groß genug ist, um alle Formen und Dimensionen in ihr aufzunehmen. Die Literatur scheint diese Ansicht zu spiegeln. Jeder Definitionsversuch scheint andere Prioritiäten zu setzen und keiner trifft es so richtig, oder? Es wäre wohl eher eine vollgestopfte Rumpelschublade, wenn jemand den Versuch starten würde, Freundschaft umfangreich zu klassifizieren und einzuordnen.

Nicht nur, dass wir von unterschiedlichen Freundschaftsarten sprechen können, sondern auch noch von komplizierten Kontexten, wie gesellschaftsbedingte Voraussetzungen, unterschiedliche Mentalitäten, Werte, Gebräuche, individuelle Zustände und zeitliche Begebenheiten.

Letztendlich halte ich das Wort "Freundschaft" lediglich für eine grobe Einzäunung allgemeiner positiver Beziehungstendenzen, in denen individuell und unter einem spezifischen Abstimmungscode der Beteiligten eine Art von individueller Beschreibung definiert werden kann.

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 3 years ago 

Schön, daß Du Hürde mit Schwung genommen hast ;-))

In allen Punkten Übereinstimmung. Und dennoch... Im Ausgangspost schrieb ich, daß ich nur sehr zögerlich das Prädikat "Freund" verleihe. Ich kenne überall auf der Welt gute Leute, die ich Bekannte, Kumpel, Kontakte nennen würde. Von einer Freundschaft erwarte ich mehr - ohne daß ich es ganz genau festmachen kann. Brieffreundschaft sehe ich als Möglichkeit. Distanz funktioniert. Aber, aber...

Ich stimme erneut mit Dir überein. Letztendlich ist die Definition wohl auch jedem selbst überlassen, was er als Freundschaft empfindet. Ein Punkt, der mich sehr nachdenklich gemacht hat, ist folgender. Ich glaube, fast alle Kommentare sind vom eigenen Standpunkt ausgegangen. Freundschaft ist aber eben nicht nur, was ich mir vorstelle, sondern auch das, was sich mein Gegenüber vorstellt. Wir können jemanden als unseren Freund bezeichnen und er empfindet uns lediglich als einen netten Bekannten. Selbst wenn ich ihn als Freund empfinde und auch so definiere, muss es längst noch keine solide Freundschaft sein. Ich sprach deshalb von Abstimmungscode der nicht nur meine eigene Meinung, sondern auch die des angeblichen Freundes berücksichtigen sollte. Ansonsten könnte eine Beziehung recht einseitig sein, sogar in eine Art einseitiges Abhängigkeitsverhältnis rutschen und in einer giftigen Obsession enden. Für eine sich beidseitig lohnende Freundschaft können wir keine einseitige Definition verwenden, meine Meinung, sondern nur diesen gemeinsamen Abstimmungscode individuell anwenden. Deshalb finde ich den Begriff so dynamisch. Wenn ich jetzt beispielsweise eine harmonische Freundschaft mit einer bestimmten Person führe, so könnte dieses geschlossene System bei gleichartiger Anwendung mit einer anderen Person eventuell an Harmonie verlieren, weil hier neue erneute Abmachungen notwendig werden. Eventuell haben wir ja gerade deshalb unterschiedliche Freunde für unterschiedliche Umstände. Man kann zum Beispiel nicht mit allen seinen Freunden gleich intensiv über Probleme reden. Es könnte auch Freunde geben, die für unterschiedliche Bereiche unterschiedlich gut harmonieren. Mit wem rede ich lieber, mit wem gehe ich lieber aus, mit wem renoviere ich lieber das Haus, mit wem würde ich ein gemeinsames Geschäft aufbauen etc. (nur Beispiele). Wenn ich meine eigenen Vorstellungen über Freundschaften anderen überstülpe, dann habe ich 50 % der Meinung ausgeklammert und agiere gemäß meiner eigenen Projektion, also was ich persönlich für richtig halte. Dies hat aber wie gesagt für den Gegenüber unter Umständen gar keinen Wert.

 3 years ago (edited)

Ja, Du hast recht. Und da werden auch die Grenzen schon wieder fließend zu Kooperationen und Zweckgemeinschaften - gemeinsame Firma könnte so ein gemeinsamer Zweck sein. Sympathie, Loyalität, Zuverlässigkeit und Vertrauen wie in einer Freundschaft selbstverständlich - aber ausgerichtet auf das Funktionieren eines Unternehmens. Weites Feld, tatsächlich...

Ich finde Du hast die Gabe, mit 5 Worten das zu sagen, wofür ich 5 Seiten benötige. Ist mir schon öfters bei Dir passiert. Da kommt ein Post von Dir und ordnet meine Ideen mal kurz in 3 Regale und schon wird es übersichtlich. Interessant, was manche so alles können:-)

 3 years ago 

Hui, danke Dir! Ich neige halt zum Vereinfachen, wenn es was zu vereinfachen gibt. Bleibt schon noch genug Kompliziertes und Vertracktes übrig... ;-))

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