Der Patient - Alea iacta est! [#1]

in #deutsch6 years ago (edited)

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Alea iacta est!

"Nun, sind Sie sich bewusst, dass bezüglich eines solchen Implantats kaum Informationen über erfolgreiche Eingriffe aufzufinden sind? Schon wesentlich simplere Implantate bereiten der modernen Neurowissenschaft noch erhebliche Probleme, wenn es um die neuralen Schnittstellen geht. Die Risiken eines solchen Eingriffs sind gigantisch.", spricht ein Mann, mit einem weißen Kittel, welcher wohl seine wichtige Stellung untermalen sollte.

"Ich weiß, also machen Sie es? ", werfe ich ihm entgegen, ohne meinen Blick von der weißen Wand abzuwenden, die ich bereits so oft angestarrt habe, während ich hier in diesem kargen Arztzimmer, das eigentlich mehr einer Bastlergarage glich, saß und mir seine ewigen Belehrungen anhörte. Dieser Mann war so realistisch, das absolute Gegenteil von dem, was ich schätze. Kein Mut zum Risiko, keine Entschlossenheit Fortschritte zu machen, nur Gedanken für Gefahren und Risiken, die ihn davon abhalten, irgendetwas zu unternehmen, das von wirklicher Bedeutung ist. So hat er kein Verständnis für meine Entschlossenheit mein Leben, wie er einst sagte, in eine große Lostrommel zu werfen und bei einer Wahrscheinlichkeit, die immer deutlich gegen mich steht, darauf zu wetten, dass alles glatt geht. Aber das geht es. Immer, zumindest bis jetzt.

"Nun gut Mr. Zlusnijets, wir werden einige Tests machen müssen und Sie werden wieder eine Vielzahl von Dokumenten zu meiner Absicherung unterschreiben müssen. Außerdem wird das gesamte Unterfangen auch nicht besonders günstig."
Allem Anschein nach hat er seine moralischen Bedenken wohl schnell bei Seite gelegt, ich hätte mir deutlich mehr Widerstand gegen meinen Plan vorgestellt. Ob er sich ausmalt eine horrende Summe für das Projekt zu kassieren? Hat dies seinen Schalter umgelegt?

Aus den Augenwinkeln erkenne ich, dass er mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrt, allem Anschein nach darauf wartend, dass ich irgendwie reagiere.
"Wie viel?", entgegne ich ihm, wie üblich so kurzangebunden wie möglich. Ich halte nichts von vielen Worten. Mit dem Steigen Ihrer Anzahl sinkt ihre Bedeutung meist rapide, sodass sich die alte Floskel Schweigen ist Gold meiner Meinung nach bewahrheitet.
"Nun, in Anbetracht der einzuholenden Informationen, der zu erledigenden Tests inklusive etwaiger im Vorhinein nicht zu berücksichtigender Faktoren und letztendlich dem…"

"Wie viel?", unterbreche ich den langatmigen Typen in seinem weißen Kittel. Seinen Namen weiß ich nicht, ich wusste ihn einmal, aber habe ihn schnell wieder vergessen. Aber was ist das auch, ein Name, nichts weiter als Schall und Rauch. Er nennt mich Zlusnijets, da ich ihm verkaufen musste ein geborener Moskauer zu sein, ansonsten hätte er jede Zusammenarbeit mit mir abgelehnt, da dieses Volk doch sehr eigen sind, was die Frage ihrer Vertrauten angeht. Doch alleine schon, weil meine russischen Sprachfähigkeiten den seinen um Welten überlegen waren, hatte er nicht den geringsten Zweifel, dass sein neuer Patient geborener Moskauer ist und von hier stammte. Ein Hoch auf meine Sprachbegabung, oder besser meinen Sprachchip. Eigentlich wären wir hier wieder bei dem Hoch auf die Begabung die eigenen Ängste zu überwinden und dem Tot keinen Stellenwert im Leben einzuräumen. Aber bezüglich dieses Themas wird die Zukunft noch einige Einblicke bereithalten.

Er hat mir immer noch nicht geantwortet, lieber kratzt er sich mit seinem Finger an der rechten Schläfe. Ich atme laut ein und aus, da ich in vorherigen Sitzungen festgestellt habe, dass ihn dies sehr nervös macht. Erstmals seit über einer Stunde blicke ich ihn an, woraufhin er schlagartig wegschaut. Dieser seltsame Mann, hätte er nicht diese Fähigkeiten im Bio-Hacking, die außer ihm wohl kein zweiter auf dieser Erde besitzt, so hätte ich wahrscheinlich nichts außer Abneigung und Verachtung für ihn übrig. Dann endlich, er rückt mit der Sprache raus:
"Inklusive der Technologie- beziehungsweise Fertigungskosten kann ich Ihnen einen Gesamtpreis von sechshundertfünfzigtausend Dollar anbieten."

Der hat Sie wohl nicht mehr alle, geht es mir durch den Kopf. Als wäre er absolut realitätsfremd oder denkt er würde einem solchen Menschen gegenübersitzen. Und dann wird er wohl auch noch Monate an Zeitbedarf deklarieren wollen.
"Ich zahle einhundertfünfzigtausend Dollar, wenn der Eingriff innerhalb von acht Wochen erfolgt, ansonsten verringert sich die Summe noch einmal um ein Drittel. "

Unglaubwürdig schaut er mich an, so als frage er sich gerade wirklich, ob er richtig gehört hat. Um ihm eine Art von Feedback zu geben nicke ich noch einmal sehr eindringlich.
"Das kann nicht Ihr ernst sein. Auf keinen Fall werde ich Ihr Vorhaben für diesen Preis umsetzen. Entschuldigen Sie, aber das ist wirklich…"
Er stoppt, weil ich mich mit einem Schwung von meinem Stuhl erhoben habe."Nun gut", sage ich, "dann gehe ich eben zu Kryonic-Systems, die beschäftigen sich auch mit diesen Technologien und sagen sie können mein Vorhaben für hundertachtzigtausend umsetzen. "
Schnell versucht er seine Position zu verteidigen, indem er angibt viel ausgereiftere Fähigkeiten in diesem Gebiet zu besitzen. Ich weiß, dass er Recht hat, er ist wahrscheinlich mehr als dreimal so kompetent in dem Gebiet wie das aufstrebende Unternehmen, dennoch schreite ich zielstrebige zur Tür und drücke die Klinke gen Boden. Ich spekuliere auf eine ganz gezielte Reaktion, darauf einen Nerv in ihm getroffen zu haben. Den ich weiß noch etwas, Kryonic-Systems ist sein größter Erzfeind.
Es wurde von seinem ehemals besten Freund gegründet, der den guten Doktor betrogen hat und ihm sämtliche Forschungserrungenschaften im Bereich seiner Leidenschaft, dem Bio-Hacking, gestohlen hat und diese nun mit Hilfe seiner eigenen Unternehmung in bares Geld umsetzen möchte. Gerade, als ich denke mein Bluff geht möglicherweise doch nicht auf räuspert er sich noch einmal:
"Mr. Zlusnjiets, warten Sie. In Ordnung, für einhundertachtzigtausend halte Ihre acht Wochen Frist ein. Deal?"
Ich kann ein Grinsen nicht verbergen. Doch zum Glück kann er nicht sehen, dass ich mich meiner erfolgreichen Berechnung seiner Reaktion erfreue, denn ich stehe noch immer mit dem Rücken zu ihm, den Fuß in der bereits offenen Tür.
"Ja. Ich komme morgen zum Unterschreiben der Unterlagen. Bis dann."

Ich verlasse den Raum. Jeder der mich sehen könnte würde wohl sagen – sichtlich zufrieden. Dennoch, mein Vorhaben wird einiges von mir Abverlangen und trotz meiner Fähigkeit Angst hinter mir zu lassen, viel Überwindung von mir abverlangen. Doch ich würde alles dafür geben mein Ziel zu erreichen. Man muss wissen, ich bin kein sogenannter Normalbürger, nicht das, was man auch nur annähernd im Durchschnittsbereich anordnen würde. Nein, ich bin anders. Bereits in jungen Jahren habe ich mich für die menschliche Biologie und Technik interessiert. Kein Wunder, dass mein kindliches Gehirn einem Science-Fiction Imperium glich, habe ich es doch so sehr geliebt. Was für viele, so auch meine mittlerweile verstorbenen Eltern, ferne, gar unerreichbare Zukunft war, nahm mich voll in seinen Bann und weckte in mir den Drang herauszufinden, ob die Science-Fiction-Utopien wirklich so realitätsfremd waren wie die Mehrheit der Personen in meinem Umfeld dachte.
Mit der Zeit fokussierte ich mich auf den Menschen, genauer gesagt mit dem Verbessern eines Menschen. Bio-Hacking hat mich schon mit zehn Jahren so fasziniert, dass ich meiner Mutter vorschlug Sie solle sich einfrieren lassen, wenn Sie ein gewisses Alter erreicht und auftauen lassen, wenn die Technik soweit ist, dass Sterben nicht zwingend mit dem Versagen unseres biologischen Algorithmus einhergehen muss. Menschen könnten sodann ewig leben.

Ich muss zugeben, früher war ich gar so optimistisch, dass ich gedacht hatte heute, knapp vierzig Jahre später, wären diese Möglichkeiten bereits gegeben. Doch die Wissenschaft ist gerade einmal fähig die Komplexität eines Mäusehirns mit Hilfe ihrer Supercomputer abzubilden. Nun, der inoffizielle Teil der Wissenschaft, die wahren Cracks, sind gewiss eine Nasenspitze voraus, doch die wenigsten verfügen über die finanziellen Mittel, die benötigten Infrastrukturen anzuschaffen, um in diesen Bereichen selbst tätig zu werden.
Mein Doktor ist einer der wenigen, die ohne einem größeren Zusammenschluss anzugehören, ernsthaftere Forschungen in diesem Bereich betreiben können. Und auch er, so hat er mir einst anvertraut, hat horrende Ausgaben, die ihn zu allerlei Sparmaßnahmen zwingen, was wiederum seine renovierungsbedürftige Arbeitsstätte erklärt. Der Grund, dass er keinem Zusammenschluss angehören will sind seine alten Erfahrungen, die er nach wie vor sehr präsent vor den Augen hat, was auch seine Reaktion von eben bestätigt, und die Entscheidungsfreiheit, die ihm, wie er sagt, im Kollektiv genommen wird. Und in diesem Punkt scheinen ihm seine Fähigkeiten und bisher erbrachten Resultate auch Recht zu geben, sein Weg scheint sich zu bewähren.
Ich für meinen Teil bin auch ein sogenannter Bio-Hacker, allerdings versuche ich so gut es geht unbekannt zu bleiben. Vor einigen Jahren habe ich für einen der reichsten Familienclans der Welt gearbeitet und bin in Folge ernster Bedrohung auf mein Leben untergetaucht und schließlich mit einer neuen Identität in einer neuen Stadt wiedergeboren worden. Diese neue Identität, nun in Wahrheit ist sie nichts weiter als ein Pass und ein Name auf diesem. In Wahrheit bin ich wohl ein Phantom. Ein Mann mit vielen Gesichtern und vielen Namen. Und auch wenn so vieles nur Schein sein mag an meiner Person, dann ist doch eines in der Ehrlichkeit seiner Natur nicht zu übertreffen - die Leidenschaft meine Visionen umzusetzen. Aus dieser Leidenschaft heraus lebe ich, aus dieser Leidenschaft heraus entscheide ich zu unternehmen, was ich unternehme. So kann ich auch heute einen Schritt nach vorne verbuchen und erneut meine liebste aller alten Floskeln aus der Mottenkiste holen. Alea iacta est – Die Würfel sind gefallen. Nun sind alle Weichen gelegt um dem Erreichen meines Zieles Herr zu werden und mir selbst und allen anderen die Grenzen der Machbarkeit als nicht-existent zu beweisen.


Dies war der erste Teil der Serie: 'Der Patient' - Vielen Dank für's Lesen!


'Der Patient' - Inhaltsverzeichnis:

#1 - Alea iacta est!

#2 - Hals über Kopf

#3 - Monolog: Vision & Anliegen

#4 - Er ist zurück


@x888 | @b-s

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Da kann offensichtlich wer schreiben. Ich lese recht wenig, vor allem in diese Richtung. Jedoch hat mir dieser Auszug gefallen.


Ich persönlich bevorzuge jedoch, wie es auch bei Zeitungen oder Büchern der Fall ist, solche Texte im Blocksatz-Format zu lesen. Ich empfinde es für das Auge viel angenehmer. Mit folgenden Tags kannst du das leicht machen:

< div class="text-justify"> ...... Hallo Welt ...... < /div>

Selbstverständlich ohne die Leerzeichen nach den jeweiligen ersten <. Wie gesagt, nur meine subjektive Meinung die du natürlich nicht teilen musst :)

Gerade getestet. Ist augenscheinlich deutlich besser, demnach danke für den Tipp ;)

Hey, da habe ich mir - um ehrlich zu sein - noch keinerlei Gedanken drüber gemacht. Ich bring gerade den nächsten Post auf den Weg und verwende einmal den Blocksatz Ansatz. Für Verbesserung bin ich schließlich immer offen ;)

Wenn dir der kleine Auszug gefallen hat, hoffe ich, dich auch für den Rest der Serie begeistern zu können ;)

Hi @x888, also bis auf die üblichen – beinahe unvermeidbaren – kleinen Fehler (zudem bin ich extrapenibel -> Lektorenkrankheit), liest sich das bereits recht gut. So, dass man auch wissen möchte, wie es weitergeht.

Nur ein Tipp: Ab und an ist es noch etwas verschachtelt bzw. etwas zu lang erläutert. Manchmal reicht es auch, Dinge nur anzudeuten und den Leser die Lücken füllen zu lassen oder nicht noch einmal in anderen Worten zu wiederholen.

Beispiel: „Unglaubwürdig [eher: Ungläubig] schaut er mich an, so als frage er sich gerade wirklich, ob er richtig gehört hat.“

Zum Thema: Mit Biohacking rennst du bei mir offene Türen ein. Dass man in der Story mit dieser Spielform von Wissenschaft noch nicht so weit fortgeschritten zu sein scheint, macht es interessant und nicht so klischeehaft, sodass man nicht das Gefühl bekommt, man kenne das alles bereits in anderer Form aus anderen Geschichten.

Danke für den Kommentar ;) So Krankheiten können ja auch äußerst hilfreich, wenn dich da Fehler anspringen nur kein Stillschweigen bewahren.

Den Tipp nehm ich mal mit, wo du das jetzt so rausgehoben hast, sehe ich das auch ^^

Thematisch ist das Ganze an einen Roman angelegt, den ich vor zwei Jahren geschrieben habe. Da müsste allerdings auch jemand mit Lektorenkrankheit dran, bevor man den veröffentlichen könnte :D

Bin mal gespannt, was du von der Fortsetzung hältst.

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