Der Patient - Er ist zurück [#4]

in #deutsch6 years ago (edited)

derpatient4.jpg


Er ist zurück


"Er ist wach, schauen Sie. Alle Werte sind stabil.", höre ich eine Stimme sprechen. Ich öffne meine Augen und Lichtstrahlen springen mich an."Mr. Zlusnijets, wir haben Sie so eben wieder zurückgeholt, sie sind wieder in der Realität.", spricht der Doktor. Ich hingegen habe meine Augen wieder geschlossen, während ich realisierte, dass ich nun sieben Tage in einer Art künstlichen Komas verbracht habe. Mein Körper fühlt sich schwer an, regungslos bleibe ich liegen, während der Doktor mich mit einem Schwall an Worten, die allesamt von einer gewissen Euphorie getragen werden, über die vergangenen Tage informiert.

"Alles hat reibungslos funktioniert. Besser hätten wir es uns wirklich nicht erhoffen können. Nachdem wir Ihrem Unterbewusstsein einen Tag Ruhe gegeben haben, damit es die letzten Einflüsse etwas verarbeiten konnte und so weniger Veränderungen während der Synchronisation vorkam. Letztendlich gab es auch bei dem Abbilden keinerlei Probleme. Bitte entschuldigen Sie, allerdings waren wir gezwungen einen Bereich ihres Schädels von den Haaren zu befreien."

Nun öffne ich doch meine Augen. Das Licht ist grässlich Hell. Trotz der Tatsache, dass sich meine Arme wie abgestorbenes Fleisch, das lediglich an meinen Schultern hinunter hängt, anfühlen, fasse ich an meinen Schädel und spüre, dass er mir wirklich mein Kopfhaar genommen hat. Dann fasse ich an meine implementierte Datenschnittstelle, die sich direkt hinter meinem rechten Ohr befindet. Der Doktor scheint meine Verunsicherung richtig zu deuten, denn sogleich beantwortet er die Frage, die sich in meinem Kopf anbahnt. "Auf die kahle Fläche kamen Elektroden. Ich wollte um sicherzugehen Ihre Hirnströme beobachten. Das Abbild habe ich über die NX-Schnittstelle gezogen. Die Gesamtgröße des Abbildes beträgt im Übrigen stolze sieben Millionen Terrabyte. Zeitweise hatte ich wirklich die Befürchtung unsere Ressourcen würden nicht reichen. Aber wie man sieht…"

Der Doktor grinst mich an und wartet wohl auf irgendeine Reaktion. Ich bin allerdings noch immer nicht richtig wach. Kaum zu glauben, dass ich nun schon so mitgenommen von den ersten Vorbereitungen wirklich vorhabe, meinen Plan in die Realität umzusetzen. Mit einer merkwürdigen Handbewegung verabschiedet sich der Doktor für einige Minuten, die ich nutzen solle um zu mir zu kommen. Neben mir bemerke ich das NX-Anschlusskabel. Die meisten Menschen wissen noch nicht einmal, dass diese Technik bereits existiert, ist sie für die meisten doch nicht mehr als eine Science-Fiction Utopie. Nun, zugegeben, bis auf das Militär und einige wirklich gut finanzierte Einrichtung besitzt auch heute noch niemand Zugang zu diesem Meisterwerk modernster Technologie, welches uns langsam aber sicher die Wege in den wahren nächsten Schritt unserer Evolution weisen wird. Ich schätze außer dem Gerät meines Doktors existieren maximal zehn vergleichbare NX-Anschlüsse weltweit. Auch was die Server-Kapazitäten anbelangt, so ist mein Bewusstsein nun auf einem der größten Supercomputer der Welt gespeichert. Auch dieser Fakt ist so ein Punkt, wo die meisten Spezialisten wohl aufschreien und mich als realitätsfremden Lügner an den Pranger stellen würden. Doch sie wissen eben nicht, was ich weiß. Ob es nun Segen oder Fluch ist diesen elitäreren Kreis anzugehören, eines ist sicher. Die, die nicht zu ihnen gehören, haben nicht den Ansatz einer Vorstellung, was gegenwärtig bereits alles im Bereich des Machbaren liegt. Da ihnen diese Tatsache allerdings nicht bewusst ist und ihre gesamte Existenz mit dem Bewusstwerden eben dieser auch zusammenbrechen würde, sind sie oft die am stärksten leuchtenden Sterne am Nachthimmel der Inkompetenz. Mein Doktor ist ein Niemand in der modernen Wissenschaft. Sein Name steht auf keinen Auszeichnungen, ziert keine wissenschaftlichen Arbeiten oder ist öffentlich mit einer wissenschaftlichen Autorität zu verknüpfen. Dies ist noch so eine Sache, die mir an meinem Doktor so sympathisch ist. Er ist wie ich, auch er ist ein Phantom. Nur wenige wissen überhaupt über seine Existenz Bescheid, kaum jemand über seine Arbeit. Ich schätze gar, dass ich aufgrund der vielen Stunden, die ich bereits mit ihm in diesen kargen Räumlichkeiten verbracht habe, zu seinen engsten Vertrauten zähle.

Mein Blick wandert durch den Raum. Allmählich kristallisieren sich wieder klare Gedanken aus dem Wust in meinem Kopf heraus. Mit einem Satz richte ich mich auf. Schlagartig wird mir schwindelig und ich schließe die Augen. Nach einigen Sekunden kann ich diese wieder öffnen und meine Beine von der Liege schwingen. Es fühlt sich wirklich an, als hätte ich sämtliche Muskelmasse verloren. Meine Beine hängen einfach nur gen Boden und ich verwerfe meinen Plan aufzustehen so schnell, wie er gekommen ist. Kurze Zeit später kommt der Doktor zusammen mit seiner reizenden Assistentin Anastasia zurück. Etwas verwundert, dass ich mich bereits aufgerichtet habe, kommen die beiden zu mir."Ich sehe Sie erholen sich. Anastasia wird Ihnen nun etwas zu trinken bringen, dann versuchen wir es gleich mit dem Aufstehen."

"Es freut mich, dass alles funktioniert hat Doktor.", äußere ich mich erstmals. Ich merke, dass mein Mund staubtrocken ist und auch, dass meine Zunge einige Schwierigkeiten hat sich normal zu bewegen. Der Doktor muss dies gemerkt haben.
"Die ersten Stunden funktioniert nun alles sehr schleppend, das ist ganz normal, nach einer so langen inaktiven Phase. Auch wenn es 'nur' sieben Tage waren Mr. Zlusnijets, unsere Körper passen sich extrem schnell an."
Seine Assistentin reicht mir ein Glas Wasser, welches ich sofort leere. Sie füllt es direkt ein zweites Mal. Erneute trinke ich das ganze Wasser mit einem kräftigen Schluck aus.
"Danke.", deute ich ihr an nicht ein weiteres Mal nachzuschütten. Dann richte ich mich dem Doktor zu.
"Nun gut, den Anfang hätten wir. Ich gehe nun nach Hause und komme morgen Mittag wieder. Ich benötige eine kleine Erholung."
Mit einem Schwung versuche ich mich aufzurichten. Mein Glück, dass der Doktor sofort zur Stelle ist und mich hält, denn meine Beine können mich nicht tragen. Auch seine Assistentin eilt zur Hilfe und so stützen mich die Beiden eine Weile, bis ich eigenständig Stabilität finde.
"Nehmen Sie die, zumindest für heute.", hält er mir zwei Krücken entgegen, die ich ihm unwillig abnehme. Dank den Stützen schaffe ich es gar einige Schritte zu gehen. Ich bitte mir meinen Mantel zu erreichen und Anastasie hilft mir diesen anzuziehen. Einen Hut oder eine Mütze, irgendetwas, welches meine wohl sehr albern ausschauende Frisur verdeckt, habe ich leider nicht.

"Eine Bitte hätte ich noch. Sie haben mir ja die Haare wegrasiert. Könnten Sie den Rest auch noch entfernen?"
Ich muss bei dem Gedanken daran wie ich aussehe wohl recht eitel geklungen haben. Mit einem Anschein der Belustigung hilft mir Anastasia auf die Liege. Doch nach Lachen ist mir ganz und gar nicht zu Mute. Ich hoffe nur inständig sie würde das Ganze etwas schneller angehen. Nach fast zehn Minuten war diese Angelegenheit schließlich auch erledigt und der Doktor und ich hatten, was die Frisur angeht, eine neue Gemeinsamkeit gewonnen. Mühsam schlurfe ich schließlich mit Hilfe der Krücken aus der Praxis, während der Doktor mich hinaus begleitet.
"Dann bis morgen. Ruhen Sie sich aus und kommen Sie einfach vorbei, sobald Ihnen wieder danach ist.", verabschiedet er sich, worauf ich nur ein Nicken und einen kurzen Blickkontakt erwidere.

Es sollte noch ein langer und vor allem eisiger Heimweg werden, auf dem ich allerdings allmählich spüre, dass die letzten Effekte der Sedierung zu verschwinden beginnen. Durchgefroren komme ich Zuhause an und verabschiede mich gleichauf in die Welt meines Unterbewusstseins, aus dem ich erst wenige Stunden zuvor zurückgekehrt bin. Ich brauche die Erholung und lange Zeit habe ich nicht, denn am Morgen gibt es noch etwas Wichtiges zu erledigen.


'Der Patient' - Inhaltsverzeichnis:

#1 - Alea iacta est!

#2 - Hals über Kopf

#3 - Monolog: Vision & Anliegen

#4 - Er ist zurück


@x888 | @b-s

Coin Marketplace

STEEM 0.27
TRX 0.12
JST 0.031
BTC 57030.30
ETH 2858.42
USDT 1.00
SBD 3.62