Recht einfach # 3: “Das wird man ja wohl mal sagen dürfen!” Oder doch nicht? - Meinungsfreiheit vs. StrafbarkeitsteemCreated with Sketch.

in #deutsch5 years ago

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Die Themen Hass, Beleidigungen und menschenverachtende Kommentare auf Steemit haben in den letzten Tagen große Beachtung gefunden. So z.B. in diesem Post und diesem Video von @redpalestino .

In diesem Zusammenhang wurde oft die Meinungsfreiheit genannt. Und auch der typische Satz "Das wird man ja wohl mal sagen dürfen!" ist gefallen. Aber was darf man denn in Deutschland eigentlich wirklich sagen?

Um die Antwort vorwegzunehmen: man darf fast alles sagen, weil es zum Glück Meinungsfreiheit gibt. Aber eben auch nicht ganz alles, weil die Meinungsfreiheit nicht unbeschränkt gilt. Und auch das ist gut so.

Im Folgenden will ich daher die wichtigsten strafrechtlichen Grenzen ganz knapp erklären. Daneben gibt es aber auch noch weitere Straftatbestände (z.B. Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener) Nicht behandeln werde ich auch die zivilrechtliche Schadensersatzpflichten, die manche Aussagen nach sich ziehen können.

I. Beleidigung

Auch, wenn es der eigenen Meinung entspricht, dass jemand ein Arschloch ist, darf man das nicht einfach so sagen. Aber was ist noch zulässige Kritik und was schon eine strafbare Beleidigung?

Laut BGH ist eine Beleidigung "der Angriff auf die Ehre einer Person durch Kundgabe von Missachtung". Wann diese Grenze überschritten ist, lässt sich nicht allgemein sagen. Bei typischen Beleidigungen (wie z.B. Arschloch oder das Zeigen des Mittelfingers) dürfte das meistens zu bejahen sein. Bei anderen Bezeichnungen ist das schwieriger und kann auch vom jeweiligen Kontext abhängen. So wurde schon das demonstrative Verwenden von Anführungszeichen ("Künstler") als Beleidigung gewertet.

Zumindest gefühlt sind die Gerichte in letzter Zeit aber sehr großzügig und lassen wegen der Meinungsfreiheit viel durchgehen.

II. Volksverhetzung

Diese Vorschrift ist etwas länger und komplizierter. Wer mag, kann sie sich gerne durchlesen. In der Praxis spielt diese Norm keine so große Rolle. Es geht vor allem darum. dass durch Aufstachelung zum Hass, Herabwürdigung bestimmter Personengruppen sowie Leugnung oder Verherrlichung nationalsozialistischer Verbrechen der öffentliche Frieden gestört werden kann.

Typischer Fall ist die Leugnung des Holocausts.

In Bezug auf die Meinungsfreiheit kann man hier streiten, ob offensichtlich falsche Tatsachenbehauptungen überhaupt geschützt werden oder ob die Beschränkung der Meinungsfreiheit jedenfalls durch die Menschenwürde der Opfer gerechtfertigt ist.

III. Üble Nachrede

Bei der üblen Nachrede geht es darum, dass man negative Tatsachen über einen anderen verbreitet, die man nicht nachweisen kann. Dabei kann es sogar sein, dass die Tatsache wahr ist!

Beispiel:

"Der Wirt pinkelt regelmäßig ins Bier!" kann strafbar sein, wenn man nicht nachweisen kann, dass das stimmt.

Es reicht übrigens aus, dass man ein Gerücht, das man selbst aufgeschnappt hat, weiterverbreitet. Also Vorsicht bei Gerüchten!

Ich halte das für richtig, weil manche Gerüchte für den Betroffenen schlimme Folgen haben können. Und oft lässt sich nicht mehr ermitteln, wer es in die Welt gesetzt hat.

IV. Verleumdung

Die Verleumdung ist ähnlich wie die üble Nachrede, nur dass der Täter hier wider besseren Wissens handeln muss. Außerdem muss die Tatsache unwahr sein, es reicht also nicht, wenn sie nur nicht nachweisbar ist.

Wer also bewusst ein falsches Gerücht in die Welt setzt, macht sich wegen Verleumdung strafbar, wer sich irrt und nur deshalb ein Gerücht verbreitet wegen übler Nachrede.

V. Bedrohung

Strafbar ist es auch, wenn man einen anderen Menschen oder eine ihm nahe stehende Person mit einem Verbrechen bedroht. Verbrechen sind übrigens nur solche Straftaten, die mindestens eine Haftstrafe von einem Jahr nach sich ziehen. Mord und Totschlag sind z.B. Verbrechen, einfacher Diebstahl (keine Mindestfreiheitsstrafe) nicht.

Eng verwandt aber nicht zu verwechseln ist das mit der Nötigung. Auch diese kann man durch Drohung verwirklichen. Allerdings bezweckt man damit eine Handlung, ein Dulden oder Unterlassen des Bedrohten. In bestimmten Fällen ist das dann sogar eine Erpressung.

"Ich bring dich um!" = strafbare Bedrohung
" Ich werde dich bestehlen!" = keine strafbare Bedrohung
"Geh mir aus dem Weg, sonst bring ich dich um!" = Nötigung
"Gib mir dein Geld, sonst bring ich dich um!" = (räuberische) Erpressung

VI. Schlusswort

Die strafrechtlichen Grenzen der Meinungsfreiheit sind recht gering. Das Meiste darf man also tatsächlich sagen und das ist auch gut so. Abgesehen vom Strafrecht bedeutet Meinungsfreiheit aber nicht, dass einem niemand widersprechen darf oder dass eine Meinung keine negative Konsequenzen z.B. im privaten Bereich haben kann. Nur weil man etwas rechtlich sagen darf, heißt das noch lange nicht, dass man es auch sollte. Wer regelmäßig Hass und menschenverachtende Kommentare loslässt, darf sich nicht wundern, wenn er gemieden oder sozial geächtet wird.

Wir alle profitieren von einem angenehmen, fairen und freundlichen Miteinander!


Wie immer gilt: Ich freue mich stets über Kritik, Anregungen und Diskussionen. Im Moment habe ich nur kaum RCs, so dass eine Antwort evtl. etwas länger dauern kann.

Falls ihr mal ein rechtliches Thema habt, das euch interessiert, schreibt es gerne in die Kommentare :)

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Hallo @lammbook als ich Deinen ersten Post zum Recht (Neue Blogreihe zu rechtlichen Themen: Fragen und Vorschläge? gelesen habe hatte ich schon ein hämisches Lachen im Gesicht und hab mich gefreut das jetzt jemand in der Community ist der weis wie der Hase Rechtlich unterwegs ist !
VgA

Vielen lieben Dank für deine netten Worte! :)

Aus der Sicht der Knaller die den Holocaust leugnen, hat dieser ja nicht stattgefunden. Leugnen heißt ja etwas zu wissen und es abzustreiten. Aus deren Sicht hat er nicht stattgefunden also leugnen sie ja nichts. Muß das Gericht den Angeklagten nachweisen das sie lügen? Wie wird das gehandhabt? Gibt es sowas wie ein Lügendetektortest, um herauszufinden ob die wirklich das glauben was sie sagen? Das die Typen rein moralisch unterste Schublade sind steht außer Frage. Mich interessiert das rein rechtliche.

Gibt es sowas wie ein Lügendetektortest, um herauszufinden ob die wirklich das glauben was sie sagen?

Das jedenfalls nicht. So etwas dürfte wohl nicht zulässig sein.

Die Lösung ist tatsächlich dogmatisch nicht ganz unproblematisch:

Wenn der Irrtum auf einem krankhaften Wahn beruht, dann ist der Täter schuldunfähig. In vielen Fällen liegt es aber z.B. an Fehlinformationen, Indoktrination und/oder allgemein geringer Bildung.

Der BGH hat entschieden, dass es zumindest bei Äußerungen, die "den gesamten Holocaust oder ein ihn kennzeichnendes Teilgeschehen" (z.B. Ausschwitz) leugnen, faktisch nicht auf den Vorsatz in Bezug auf die Unwahrheit ankommt. Der Irrtum wirkt sich nach dieser Ansicht nicht einmal strafmildernd aus. Es reicht also ein "Nicht-Erkennen-Wollen". Hintergrund ist vermutlich, dass der Nachweis des Vorsatzes der Unrichtigkeit nur sehr schwer zu führen ist. Wenn es dich weitergehend interessiert, kannst du das Urteil des BGH dazu lesen.

Dieser Ansicht wird entgegengehalten, dass das mit dem Wortlaut "Leugnen" nicht zusammenpasst. Das ist im Grunde genau das, was du geschrieben hast. Diese Gegenmeinung verweist außerdem auf den Willen des Gesetzgebers, "Unbelehrbare" bestrafen zu wollen, nicht aber "Dumme, Unwissende oder Ungläubige". Wenn es nach dieser Ansicht geht, müsste man tatsächlich nachweisen, dass der Täter gelogen hat. Allerdings sei das oft nicht problematisch, da die Beweislage zum Holocaust die Kenntnis des Täters indiziere. Alleine die Behauptung, er sei von irgendwelchen "Fälschungstheorien" überzeugt, reicht nicht, um diese Vermutung zu widerlegen.

In den meisten Fällen würden also beide Ansichten zum gleichen Ergebnis kommen. Die einen, weil sie keinen Vorsatz in Bezug auf die Unwahrheit brauchen, die anderen, weil sie diesen Vorsatz wegen der klaren Beweise zum Holocaust im Regelfall vermuten.

Deine Frage(n) und die Begründung weisen auf ein gutes Problembewusstsein und eine schöne juristische Argumentationmethode hin. Hast du da schon irgendwelche Erfahrungen gemacht?

Hatte nur mal eine Dokumentation über Haverbeck gesehen und mir gedacht, die glaubt was sie sagt. Würde sowas über Verunglimpfung Verstorberner oder so regeln. Erzeugt nur Märtyrer in der NS-Szene.

Das ist eine wirklich gute Frage! Im Kommentar steht dazu einiges. Es ist wohl umstritten, welchen Inhalt der Vorsatz bezüglich des Leugnens haben muss. Ich hab morgen eine Klausur und kann das heute nicht mehr zusammenfassen. Wenn ich dran denke, mache ich es aber morgen! Es ist nämlich gar nicht so einfach...

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Im Moment habe ich nur kaum RCs

Hat sich geändert. Wenn du mehr braust, stocke ich auf.

Vielen lieben Dank! Nachdem ich mich doch gerne auch mal in Diskussionen verfange, kann ich die momentan gut brauchen :)

Werter lammbock,
Ich finde Deine nüchterne jurisitische Sichtweise auf dieses Thema grundsätzlich mehr als angebracht.
Wie immer geht es dann im Detail um die Auslegung, wo man die Grenzen zieht, was denn nun "Hetze" wirklich ist.

Echte Volksverhetzung, üble Nachrede, Bedrohung, Verleumdung, Beleidung etc, all das sollte eigentlich ja jeder von uns mit der Muttermilch sozusagen verinnerlicht haben.

Red hat sehr wichtiges sehr deutlich angesprochen, ich habe ihm schon geschrieben, dass ich hier nur den etwas impliziten Eindruck, Steem im D-A-Ch-Bereich wäre voll von Protagonisten dieser Art, nicht unterschreiben kann.
Ich denke, dass es letztlich eigentlich recht gesittet zugeht auf dieser Plattform, bei allen Meinungsverschiedenheiten, die man auch mal einfach aushalten muss.

Danke für Deinen guten Post, die RC-Problematik sollte nun gelöst sein!
BGvB!

Echte Volksverhetzung, üble Nachrede, Bedrohung, Verleumdung, Beleidung etc, all das sollte eigentlich ja jeder von uns mit der Muttermilch sozusagen verinnerlicht haben.

Ganz genau! Auch ohne das Gesetz zu kennen, weiß man in diesen Fällen normalerweise, dass es falsch ist. Mit dem Grundsatz „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ kommt man meistens schon sehr weit.

Ich denke, dass es letztlich eigentlich recht gesittet zugeht auf dieser Plattform, bei allen Meinungsverschiedenheiten

In den meisten Fällen kann ich dir da zumindest in meiner eigenen Erfahrung schon zustimmen. Auch, wenn manche Ansichten schon sehr in Richtung Verschwörungstheorie gehen, sind die Diskussionen mit den jeweiligen Personen trotzdem meist freundlich und sachlich. Bis jetzt habe ich nur von einer Person eine beleidigende (und ziemliche abstruse) Reaktion bekommen.

Es ist aber auch weniger der direkte Umgang innerhalb von Steemit, sondern die allgemeinen Ansichten mancher User hier, die ich manchmal bedenklich finde.

die man auch mal einfach aushalten muss.

Aber nicht zwingend widerspruchslos. Menschenverachtende Aussagen will ich nicht unwidersprochen stehen lassen. Und bei besonders absurden rechtlichen Behauptungen fällt es mir auch schwer, nichts dazu zu schreiben.

Danke für Deinen guten Post, die RC-Problematik sollte nun gelöst sein!

Vielen lieben Dank dafür! Nachdem ich den Artikel geschrieben habe, musste ich erst einmal eine Stunde warten, bis ich ihn abschicken konnte. Ohne deine frühere Unterstützung hätte ich den Artikel heute vielleicht gar nicht mehr veröffentlichen können! Ich weiß das also zu wirklich zu schätzen :)

Guten Abend Thomas und danke für Deinen wieder gelungenen Post. Hab noch einen schönen Abend. Alexa

Dankeschön! Ich wünsche dir auch noch einen schönen restlichen Abend :)

Tja, leider hilft die einfache Maxime "Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu" heute nicht mehr. Wenn man jemanden darauf anspricht, kommt schon mal "Ach, die können mich auch ruhig so nennen, mich stört das nicht." So was nennt man dann wohl "beratungsresistent" ;)

Das stimmt natürlich. Besonders bei Beleidigungen habe ich auch das Gefühl, dass viele sehr abgestumpft sind. Ich erlebe es häufig, dass sich besonders junge Menschen innerhalb ihres Freundeskreises beleidigen, ohne das wirklich böse zu meinen. Da kann es dann tatsächlich sein, dass sie nicht mehr erkennen, dass andere das schlimm finden können.

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