[DE] Konstruktivismus, 3/7, Kants kritischer Realismus

in #deutsch6 years ago (edited)

Der Konstruktivismus ist die Fortführung des kritischen Rationalismus (bei Kant).

Das ist Teil 3 meiner 7-teiligen Serie über das Thema Konstruktivismus.

Teil 1, 2

Im zweiten Teil bin ich darauf eingegangen, dass der Konstruktivismus an den antiken Skeptizismus anknüpft. Im dritten Teil möchte ich darauf eingehen, dass der Konstruktivismus die Fortführung des kritischen Rationalismus (bei Kant) ist.

Ich hatte ursprünglich vor, die kommenden Teile der Serie in kleine Blöcke, wie in diesem Beitrag hier, einzuteilen, also insgesamt 12 Teile. Da dadurch aber möglicherweise die Übersichtlichkeit bzw. der Zusammenhang verloren gehen, werde ich sie zusammenfassen. Die nächsten Teile der Serie werden daher deutlich länger. Danke für euer Verständnis und weiter viel Spaß beim Lesen.


Kants kritischer Realismus

Auch Kant war ein Skeptiker, insofern er dem Empirismus, der Erkenntnis vor allem aus den Sinneserfahrungen ableitete, eine Absage erteilte. Er weicht den Dualismus von Objekt und Subjekt auf und sagt, dass das Subjekt das Objekt erst macht: Kein Objekt ohne Subjekt und umgekehrt. Damit läutete er die „kopernikanische Wende“ ein: Denn der Grund dafür, dass wir ein Objekt so und nicht anders erfahren, wird nicht mehr im Objekt, sondern im sinnlich erfahrenden Subjekt gesehen.

Diese Erkenntnis läutet eine Zeitenwende („Revolution der Denkungsart“) ein. Damit hat sein kritischer Realismus eine ähnliche Auswirkung wie die astronomische Entdeckung von Kopernikus, der das von der Kirche geprägte Weltbild auf den Kopf stellte. Als er klarstellte, dass sich die Sonne nicht um die Erde, sondern die Erde um die Sonne drehe, wir also nicht mehr Mittelpunkt des Universums sind, nahm er dem Menschen den Glauben an die Sonderstellung seines Planeten im Weltraum.

Analog dazu hat Kant das zu erkennende Objekt als „Zentrum der Wahrheit“ abgeschafft und die Möglichkeit wahrer Erkenntnis in das erkennende Subjekt verlegt. Die Kriterien, anhand der Mensch die reine Vernunft theoretisch anwendet, sind die Kategorien: Quantität, Qualität, Relation und Modalität.

Kant unterscheidet zwischen der Erscheinung (Phänomen) und dem „Ding an sich“ (Noumena). Seine Transzendentalphilosophie leugnet weder die Wirklichkeit noch die tatsächliche Existenz des Objekts, er sagt lediglich, dass wir es niemals in seiner ganzen Transzendenz erfassen können. Insofern sind wir gewissermaßen “Gefangene unserer Sinne.“.

Ein Objekt könne ihm niemals anders als in der Erscheinung vorkommen. Trotz seiner kritischen Aussage darüber, dass sich das Ding an sich im Rahmen des theoretischen Gebrauchs der reinen Vernunft niemals klar erfassen ließe und seiner Nähe zum Skeptizismus, richtet er seine Philosophie in der Kritik der praktischen Vernunft noch immer darauf aus, Aussagen über metaphysische Begriffe zu machen (z. B. über die Existenz Gottes).

Deswegen kann man Kant zwar zu den Wegbegründern konstruktivistischen Denkens zählen, er selbst ist jedoch kein Konstruktivist gewesen.

Nächstes Thema: die Ontologische Systematisierung des Konstruktivismus

Literatur

  • Jean Grondin: Immanuel Kant zur Einführung, Hamburg 2013.
  • siehe auch Literaturangaben im ersten Teil der Serie

Gerade veröffentlicht:

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04.04.2018 UTC + 1

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So jetzt hab ich Zeit gehabt alle 3 Teile mal zu lesen.
Find ich sehr gut. Anspruchsvolles Thema, da lohnt sich das lesen! 👍

Ich bin ja eigentlich kein Freund des Konstruktivismus. Ich komm mehr aus der Geschichtsschreiberecke, und da hat sich diese Denkungsart ziemlich verheerend ausgewirkt.

Was ich eigentlich nicht verstehe ist, warum man nicht versucht subjektive und objektive Darstellung zusammenzudenken, Stichwort platonisches Dreieck Seit Kants Zeiten hat sich unsere Kentniss des Objektes doch ganz massiv vergrößert, Stichwort Quantenmechanik. Immerhin ist Philosophie eine Universalwissenschaft, und muss auch so etwas miteinbeziehen.
Von daher ist, denke ich, die Behauptung, das Objekt nicht erkennen zu können schwer zu halten.
Aber, ich denke, ich greife vor.

Freu mich jedenfalls auf den nächsten Teil.

Herzlichen Dank für dein aufmerksames Kommentar. Ja, ich denke ähnlich wie du. Weder die Verlagerung ins Subjekt noch die in das Objekt sind besonders sinnvoll. Ich dachte lange Zeit, dass wir aus dem Konstruktivismus nicht herauskommen und quasi gezwungen sind, immerzu zu konstruieren. Aber ganz so einfach ist es nicht. Ich stelle im nächsten Post morgen auch ein Gegenmodell vor, das ich persönlich interessant finde.

Danke nochmal für dein Feedback. Ich freue mich sehr darüber!

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