Recht und billig / Right and proper (cheap)

in Deutsch Unplugged3 days ago (edited)

english below...

Heute treibt mich 'mal wieder eine kleine politisch-juristische Überlegung um – während der Fußball-EM wurde erwartungsgemäß die Zeit genutzt, ein paar neue Gesetze und Verordnungen auf den Weg zu bringen. Unter anderem ist eine Baurechtsreform angesagt.

Das deutsche Baurecht füllt tausende und abertausende Seiten. Sowohl was die bürokratische Ausgestaltung, Antragsverfahren etc. angeht, als auch die Ausführungsvorschriften, Materialvorgaben, Normen und Standardisierungen…

Als pragmatischer Mensch kann ich bestimmten DIN-Normen und Richtlinien viel Positives abgewinnen: es ist doch erfreulich, daß Abwasserrohre der unterschiedlichen Hersteller alle miteinander kompatibel sind, daß Stromkabel in bestimmten Höhen in der Wand zu erwarten und in anderen auszuschließen sind, daß Mindestabstände zum Nachbargrundstück einzuhalten sind. In diesem Sinne: dient der Vereinfachung und Vereinbarkeit – danke dafür.

Als pragmatischer Mensch stoßen mir aber manche Vorschriften echt sauer auf, weil sie in der Umsetzung überhaupt keinen Mehrwert mitbringen, weder für den Bauherren noch für die beteiligten Gewerke. Oder sonst irgendjemanden. Eins meiner Lieblingsbeispiele ist die Meisterpflicht für die Gründung eines Handwerksbetriebes. Also, ja, die könnte Sinn ergeben, wenn sie denn Gewähr für besondere Qualifikation wäre. Da sie allerdings nur für deutsche Gründer in Deutschland gilt und im Gegensatz dazu EU-Ausländer hierzulande ohne Meisterbrief gründen dürfen, ist eben keine Vergleichbarkeit mehr gegeben und außerdem der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt… Und so weiter. Warum ich in meinem eigenen Haus zwingend einen Handlauf für die Treppe einplanen muß, um den Bauantrag genehmigt zu bekommen, will mir auch nicht recht einleuchten: wenn ich Kinder im Haus habe, ist es mir ohnehin ein Anliegen, für die Sicherheit zu sorgen. Und wenn nicht - meine gestalterische Freiheit drängt mich vielleicht zu einer frei tragenden Treppe ohne Geländer… Ja nee. Im Neubau nicht möglich. Die Mindestanzahl von Steckdosen im Schlafzimmer ist ebenso vorgeschrieben wie die Höhe von Küchenarbeitsplatten.

Okay. Nun kommt der Herr Buschmann – Bundesjustizminister - und will das ganze sperrige Baurecht reformieren. Irgendwie lange überfällig, aber! Zeitpunkt und gewisse Formulierungen kommen mir seltsam vor. „Gutes Wohnen hängt nicht davon ab, dass jede einzelne DIN-Norm eingehalten wird“, stellte Buschmann fest. Richtig. Zutreffend argumentiert er mit einer möglichen Baukostensenkung durch Einsparung von „Komfortstandards“. Explizit genannt werden dabei Trittschalldämmung, Raumhöhen oder das Vorhandensein von Badewanne oder Dusche.

Also ich weiß nicht… Ich habe das Gefühl, daß nicht die Teile der Gesetzgebung verschlankt werden, die mich frustriert haben, sondern eher die, bei denen tüchtig gespart werden kann, auf Kosten des… Bürgers? Ich sehe die falschen Leute ihre Hände reiben bei der Einführung des sogenannten „Gebäudetyps E“. Das E steht hier für „Experimentelles Bauen“. Klingt innovativ und offen, könnte aber durchaus in „ach, wird schon halten“ ausarten.

Was jetzt? Für weniger Regelung und Vorschriften bin ich ja aus Überzeugung. Aber es fühlt sich in diesem Fall an wie schon so oft: Verschlimmbesserung. Wie seht Ihr das?

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english version:

Today, I'm once again thinking about a small political and legal issue - during the European Football Championship, as expected, the time was used to introduce a few new laws and regulations. Among other things, a reform of building law is on the agenda.

German building law fills thousands and then thousands of pages. Both in terms of the bureaucratic structure, planning application procedures, etc., as well as the implementation regulations, material specifications, norms and standardisations...

As a pragmatic person, I can take a lot of positives from certain DIN standards and guidelines: it's good to see that wastewater pipes from different manufacturers are all compatible with each other, that power cables are to be expected at certain heights in the wall and excluded at others, that minimum distances from neighbouring properties must be observed. In this sense: serves the purpose of simplification and compatibility - thank you for that.

As a pragmatic person, however, some regulations really annoy me because they bring no added value at all when implemented, neither for the building owner nor for the trades involved. Or for anyone else. One of my favourite examples is the obligation to be a master craftsman when setting up a craft business. So, yes, it could make sense if it were a guarantee of special qualifications. However, since it only applies to German founders in Germany and, in contrast, EU foreigners are allowed to set up in Germany without a master craftsman's certificate, there is no longer any comparison and the principle of equal treatment is also violated... And so on. Why I have to plan a handrail for the stairs in my own house in order to get the building application approved doesn't really make sense to me either: if I have children in the house, it's important to me to ensure their safety anyway. And if not - my creative freedom might push me towards a self-supporting staircase without banisters... Nope. Not possible in a new build. The minimum number of sockets in the bedroom is prescribed, as is the height of kitchen worktops.

Okay. Now comes Mr Buschmann - the Federal Minister of Justice - and wants to reform the whole unwieldy building law. Somehow long overdue, but! The timing and certain formulations seem strange to me. ‘Good housing does not depend on compliance with every single DIN standard,’ Mr Buschmann stated. Correct. He rightly argues that construction costs can be reduced by saving on ‘comfort standards’. He explicitly mentions impact sound insulation, room heights or the presence of a bathtub or shower.

So I don't know... I have the feeling that it's not the parts of the legislation that frustrate me that are being streamlined, but rather the parts where savings can be made, at the expense of the... citizen? I see the wrong people rubbing their hands at the introduction of the so-called ‘building type E’. The E stands for ‘Experimental Building’.Sounds innovative and open, but could well degenerate into ‘oh, it will last’.

What now? I am in favour of less regulation and rules out of conviction. But in this case, it feels like so many times before: a bad improvement. What do you think?

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 2 days ago 

wie jetzt Baurecht verbessern/vereinfachen da muss ich noch mal drüber nachdenken, das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen das dass wirklich funktioniert.

Eins meiner Lieblingsbeispiele ist die Meisterpflicht für die Gründung eines Handwerksbetriebes...Da sie allerdings nur für deutsche Gründer in Deutschland gilt und im Gegensatz dazu EU-Ausländer hierzulande ohne Meisterbrief gründen dürfen, ist eben keine Vergleichbarkeit mehr gegeben und außerdem der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt… Und so weiter.

Hehe, da könnte ja mal ein Deutscher Betrieb beim EUGH klagen gehen, es geht um die Gleichheit in der Union der die Deutschen mit soviel Elan beigetreten sind ohne zu ahnen was auf sie zukommt.
Ein Deutscher Unternehmer der im EU-Ausland einen Handwerksbetrieb eröffnen möchte muss dort eben auch keinen Meisterbrief haben denn das funktioniert überall in der Rest-EU auch ohne, das reguliert der freie Markt, und deswegen kann natürlich auch der so Qualitätsverliebte (und oft daran sterbende) Deutsche den anderen nicht schlechter stellen als es bei ihm Zuhause wäre, er kann ja auch ohne dort arbeiten ;)
Was das Baurecht an sich angeht so ist das Spanische mit Sicherheit genau wie das Italienische genauso kompliziert und komplex wie das Deutsche, ich habe schließlich mehr als zwei Jahrzehnte die Energiebauprojekte unserer Gesellschaften in Italien und Spanien geleitet und kenne deswegen die Wege sehr genau.
Die Normen und Vorschriften sind überall ich formulier es mal freundlich -überladen und extrem Zeitkonsumierend- ;)
Was in Spanien speziell ein wenig schräg ist, ist die Elektro- und Wasserinstallation in Gebäuden da gibt es zwar Vorschriften aber an die halten sich nur die Baukonzerne, kleinere Firmen verkabeln immer noch kreuz und quer durch die Räume ob an de rWand oder der Decke spielt hierbei keinerlei Rolle, bei der Wasserinstallation gilt das gleiche man kann froh sein wenn mal Rohre auf einem Niveau kommen und vor allem winkelig verlegt werden.

Witzigerweise geht jedoch der Bau in Spanien komplett schneller als in D, vielleicht liegt das ja doch daran das sie das alles mal von den Deutschen gelernt hatten und was sie nicht gut fanden einfach weggeworfen haben, und den Rest einfach perfektioniert haben damit es schnell geht.

 2 days ago 

Hihi, ja, in Frankreich ist es auch ein Monsterkonstrukt.

Ich würde da gerne eine Unterscheidung haben zwischen privaten Bauten zur Eigennutzung und kommunalen oder privatgesellschaftlichen Bauten zur kommerziellen Vermietung. Aber mich fragt ja keiner.

 2 days ago 

Siehste das hab ich mir fast gedacht das auch die Franzosen sowas können, mir reich alleine dort schon das Arbeitsrecht da fällt mir überhaupt nichts mehr dazu ein ;)

Aber deine Idee mit der Unterscheidung hat schon was, das würde sicher einiges vereinfachen und Zeit sparen, hehe aber wer will das schon...

Curated by soulfuldreamer from sc03 account.

 2 days ago (edited)

Ach, ich bin im Grunde sehr geduldig, aber ich habe dann doch aufgegeben, zu hoffen, dass irgendetwas zum Besseren reformiert wird. Es gibt sooo viele Beispiele, in denen Neuerungen eher zu mehr Aufwand, mehr Kosten... mehr Ärger geführt haben.

Nimm zum Beispiel das Vergaberecht (damit hattest du ja auch mal zu tun). Mit jeder Reform soll es einfacher... dazu soll damit noch die ganze Welt gerettet werden (Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit, Tariftreue, etc). ich warte jedoch noch auf die Reform, die es tatsächlich einfacher macht. Naja, eigentlich warte ich nicht mehr ;-)

Und zum Thema:
Gab es nicht vor längerem schon die Diskussion um die Meisterpflicht, und ist das an der Stelle nicht auch (vielleicht in einzelnen Branchen) gelockert worden? Ich kann mich nur so dunkel daran erinnern, hatte das aber tatsächlich mit ein wenig Fortschritt verbunden.

 2 days ago (edited)

Hmm, jein. In manchen Handwerken ist es möglich, auf Antrag mit mindestens 25 Jahren Berufserfahrung von der Meisterpflicht befreit zu werden. Der Antrag ist aufwändig, wird in seltenen Fällen genehmigt. Aber ja, in den Fälllen ist die teure Meisterausbildung dann nicht nötig...

Das Vergabe recht ist noch einmal eine andere Baustelle. Das wird gerade eher verkompliziert (ja, das geht ;-)) - die Nachweispflichten / bestimmte Nachhaltigkeitszertifikate (so eine Zertifizierung kostet für Unternehmen über 25 (?) Mitarbeiter ein Vermögen...) werden erweitert...

You never can tell, there might be housing shortages in a particular part of Germany you might not know about… but with this new law proposed by the minister of justice, it will make it easier for developers to build more affordable houses.

Besides it will be beneficial for people like me, who plans to run away from my country one day like prodigal son and settle down in Germany. At least, the rent would be affordable, when I come..😊😊

 2 days ago 

Ah, you're also the pragmatic type ;-)))

Seriously: the part of Germany with a serious housing shortage is called Germany! There are very, very few (because very, very rural, underdeveloped) areas with vacancies.

Maybe this reform would be triggered by the will to change that. I'm pretty sure the opposite will be achieved: property developers will save themselves money and flats will remain as expensive as ever because demand exceeds supply.

It is interesting to see the improvements made to German building law, in particular with the description of the 'Experimental Building' type. Coming from a man who values ​​light and simple regulations, I aspire to simplify and modernize the regulations in the society. But, I disagree with some of your views regarding the possible source of this transfer.

Focusing on 'comfort standards' such as impact sound insulation and reducing room height can reduce costs, but it can also jeopardize quality and safety. The idea of ​​reducing regulations just for the sake of savings must be approached with caution so as not to harm essential standards that protect residents and maintain the integrity of the building.

The example of the master craftsman requiring handrails for stairs and stairs points to a larger issue that is the conflict between regulations and sometimes archaic rules. It is important to improve human-to-human life while also balancing the need for practical, safe, and quality construction standards with cost-saving measures.

I agree with you that less regulations can be beneficial, but it is important that any change in this situation will improve the system and not just make surface level changes. It will be interesting to see how this reform has come about and whether it has achieved its intended purpose without any significant negative consequences.

 2 days ago 

Really...?! Think about my words yourself - if you want. There is no pressure. But don't ask ChatGPT what he means and sell this as your own thoughts!

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