Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 26v100

in #deutsch7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

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Kapitel Drei: Das Ende der Vernunft im 20. Jahrhundert

Heideggers Synthese der kontinentalen Tradition

Martin Heidegger nahm sich die hegelianische Philosophie vor und gab ihr einen persönlichen, phänomenologischen Einschlag.

Heidegger ist berüchtigt für die Unklarheit in seiner Sprache, für seine Taten und Tatenlosigkeit im Angesicht des Nationalsozialismus der 1930er Jahre, aber er ist zweifellos auch der führende postmoderne Philosoph des 20. Jahrhunderts. Derrida und Foucault bezeichnen sich als Anhänger Heideggers. Für Rorty ist Heidegger einer der drei wichtigsten Denker, die ihn neben Dwewy und Wittgenstein beeinflusst haben.

Heidegger absorbierte und modifizierte die traditionelle deutsche Philosophie. Wie auch Kant glaubte Heidegger, dass die Vernunft ein oberflächliches Phänomen ist und er übernahm dessen Sichtweise auf Worte und Konzepte, die dem Erkennen der Wirklichkeit oder des Seins als Hindernis im Weg stehen. Allerdings glaubte Heidegger ähnlich wie Hegel, dass wir dem Sein näher kommen können, als es uns Kant zugestehen wollte, allerdings nicht mit Hilfe von Hegels abstrakter Konstruktion des Vernunftsbildes. Die Vernunft lehnte Heidegger vielmehr rundweg ab und schloss sich Kierkegaards und Schopenhauers Ansicht an, dass es die Gefühlswelt ist - vor allem dunkle und schmerzhafte Schuldgefühle - über die man den Zugang zum Selbst erlangt. Und wie alle guten deutschen Philosophen meinte auch Heidegger, dass man umso mehr Konflikte und Widersprüche findet, je näher man an den Kern der Dinge gelangt.

Was also brachte er neues? Es war Heideggers Mittel der Phänomenologie, die ihn zum Ziel brachte.

Die Phänomenologie wird philosophisch genau dann wichtig, wenn man die Schlussfolgerung Kants akzeptiert, dass es nicht möglich ist als Realiste und Forscher die Welt zu erkunden und wir von einer äußeren und unabhängigen Realität umgeben sind, die aus für uns erfassbaren und theoretisch verständlichen Objekten besteht. Für die phenomenologische Perspektive ist wichtig zu beachten, dass Kant nur einen zögerlichen halben Schritt gegangen ist. Auch wenn Kant bereit war, die Idee von greifbaren Objekten als solche aufzugeben, so bestand er doch auf den Glauben einer alles zugrundeliegenden Wirklichkeit mit einer spezifischen Natur, die uns zur Erforschung offensteht. Allerdings ist ein solches wirkliches Selbst, das dem Fluss der Phänomene unterliegt nicht weniger problematisch als die Annahme von Objekten der Wirklichkeit, die dem Fluss unterliegen. Heidegger erkannte dies und begann damit, Nietzsches gelegentlich hervorgebrachten aber nie zu Ende gedachten Vorschlägen zu folgen und überhaupt keine Annamen zur Existenz von Objekt oder Subjekt zu treffen.

Und so müssen wir phänomenologisch beginnn - sprich, mit der einfachen und klaren Beschreibung von erfahrenen Phänomnen und der wahrgenommenen Veränderung. Beginnt man auf diese Weise, dann findet man nach Heidegger ein Gefühl der Projektion das einem Feld der Erfahrung und der Veränderung entspricht. Man soll nicht in Objekten denken, sondern in Feldern, so Heidegger. Man soll nicht nach Subjekten suchen, sondern sich Erfahrung vergegenwärtigen. Wir beginnen klein und begrenzt und dann ergibt sich das Dasein als eine Projektion der darum herum liegenden Realität.

Das Dasein ist für Heidegger dabei das Ersatzkonzept für das Sein, das Subjekt und den Menschen, die laut ihm alle zu viel Ballast aus früheren philosophischen Epochen mitschleppten und die es daher zu ersetzen galt. Heidegger erklärte seine Wahl für Dasein mit der folgenden Definition: "Dasein bedeutet ins Nichts projeziert zu werden." Lässt man dieses Nichts einmal beiseite, dann ist das Dasein die Projektion - und nicht das was projeziert wird, oder das was die Projektion möglich macht. Mit der Betonung der Aktivität werden Annahmn vrmieden, dass es zweierlei geben kann, also ein Objekt und ein Subjekt, die damit auch nicht in eine Beziehung treten können. Es gibt einfach nur Aktivität, die im Dasein besteht, oder die darin besteht, in das Dasein gebracht zu werden.

Das projeziert werden enthüllt und verhüllt über die Zeit nacheinander verschiedene semistabile Felder oder Wesen - etwas, das man als Objekt bezeichnen würde, wäre der naive Realismus noch von Relevanz. Doch der lange Prozess die von Wesen erlebten Phänomene zu beschreiben brachte Heidegger ausweichlich zu einer Frage - jener Frage, welche die Philosopie immer schon geplagt hat: Worin liegt der Anfang der verschiedenen Wesen? Wesen unterscheiden sich und sie verändern sich, sie kommen und gehen und doch trotz aller Unterschiede manifestieren sie sich als eine Einheit und verfügen über eine Gemeinsamkeit: Sie alle sind. Was aber ist das Wesen darunter oder hinter all diesen Wesen? Was macht ein Wesen zu einem Wesen? Oder, um Heideggers Frage zuzuspitzen: Warum gibt es Wesen überhaupt? Warum ist da nicht vielmehr ein Nichts?

Dies ist keine profane Frage. Denn mit einer Frage wie dieser, so Heidegger, kommt die Vernunft recht schnell ins Schwimmen - und es sind die selben Probleme, auf die auch Kant in seiner Ablehnung verwies: Die Vernunft endet immer in Widersprüchlichkeiten, wenn es um die Ergründung tiefer metaphysischer Sachverhalte geht. Eine Frage wie etwa "Warum gibt gibt es die Existenz und warum ist da nicht viel eher ein Nichts?" ist daher nicht beantwortbar mit den Mitteln der Vernunft. Für Heidegger hatte dies zur Konsequenz, dass für jeden, der die Frage ergründen will die Vernunft - dieser "beharrlichste aller Widersacher des Denkens" - ein Hindernis ist, das es zu überwinden gilt.

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