Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 25v100

in #deutsch7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

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Schopenhauer, der ebenfalls zur Generation nach Kant gehört und Zeitgenosse Hegels war, wiedersetzte sich vehement den feigen Versuchen, die Ablehnung der Vernunft als Grund zu nehmen, wieder zurück zur Religosität zu gehen. Während Hegel die greifbare Realität Kants mit dialektischem Geist füllte und Schleiermacher und Kierkegaard verzweifelt fühlten oder hofften, dass da draußen Gott auf sie wartet erfühlte Schopenhauer, dass die Realität aus der eigenen Willenskraft besteht - einem zutiefst irrationalen und konfliktbeladenen Willen, der immer zerrt, aber blind ins Nichts steuert. Es ist daher kein Wunder, dass die Vernunft keine Chance dagegen hatte: Die rigiden Kategorien streng organisierter Muster der Vernunft sind völlig ungeeignet für eine Realität, die das komplette Gegenteil dessen ist. Nur Gleiches kann Gleiches noch erkennen. Nur der eigene Wille, die eigenen leidenschaftlichen Gefühle - vor allem jene, die bei uns von der Musik hervorgerufen werden - können uns dabei helfen, den Kern der Realität zu erkennen.

Die meisten von uns sind einfach nur zu feige es zu versuchen, da die Realität grausam und beängstigend ist. Daher klammern wir uns so verzweifelt an die Vernunft - sie ist es, die uns dabei hilft alles zu ordnen und die uns das Gefühl der Sicherheit und Gewissheit gibt, damit wir dem allgegenwärtigen Horror entfliehen können, den wir in unseren ehrlicheren Momenten als Realität erahnen. Nur die Mutigsten schaffen es, sich bis dorthin durchzuschlagen und damit vorbei an den Illusionen der Vernunft und hin zur Irrationalität der Wirklichkeit. Nur ein paar wenige mit einer besonderen Sensibilität sind bereit ein Loch in den Vorhang der Vernunft zu schneiden und sich des kochenden Wahns der Realität bewusst zu werden.

Selbstverständlich wünschte sich Schopenhauer nach der Bewusstwerdung dieses kochenden Wahns die Selbstvernichtung. Darin bestand die Schwäche seiner Disziplin, von der uns Nietzsche dann auch anriet, sie zu überwinden. Epistemologisch begann Nietzsche damit, dass er Kant zustimmte:

"Wenn Kant sagt: 'Die Vernunft leitet sich ihre Gesetze nicht von der Natur ab, sondern gibt sie der Natur," dann ist dies in Bezug auf das Konzept der Natur völlig richtig." All die Probleme der Philosophie von Sokrates angefangen bis hin zu dieser "katastrophalen Spinne" von Kant werden verursacht von der Betonung auf die Vernunft. Der Aufstieg der Philosophen ist gleichbedeutend mit dem Abstieg der Menschheit, denn als die Vernunft erst einmal eingeführt war, da hat der Mensch seine vormaligen geistigen Führer verloren mit ihren regulierenden, unbewussten und unfehlbaren Mitteln: Ohne diese aber sind die armen Seelen von Menschen beschränkt auf das Denken, Schlussfolgern, Abschätzen und den koordinierenden Ursache-Wirkungs-Mechanismus. Ausgerechnet auf das "Bewusste" wurden sie reduziert, dem schwächsten und fehlbarsten aller Organe!

Und: "Wie bemitleidenswert, wie schäbig und flüchtig, wie ziellos und kapriziös der menschliche Intellekt doch ist." Der Intellekt ist nicht viel mehr als ein Oberflächenphänomen und abhängig von den darunter liegenden Instinkten, weshalb der Intellekt eindeutig nicht autonom ist oder die Kontrolle über etwas innehat. Was Nietschze damals mit seinen leidenschaftlichen Ermahnungen meinte war, dass es galt aus den künstlichen und konstruierten Kategorien der Vernunft auszubrechen. Die Vernunft ist ein Werkzeug der Schwachen, die zu ängstlich sind, nackt der grausamen und konfliktbeladenen Realität gegenüberzutreten, und die sich daher intellektuelle Strukturen ausdenken müssen, in denen sie sich verstecken können.

Was wir daher brauchen, um das beste in uns herauszuholen ist "das perfekte Funktionieren der regulativen unbewussten Instinkte." Der Ja-Sager - der Mann der Zukunft - wird sich nicht in Wortspielereien verlieren, sondern er wird den Konflikt zelebrieren. Er wird seinen innersten Antrieb aktivieren, den Trib zur Macht, und seine gesamte instinktive Energie in eine lebendige neue Richtung lenken.

Zusammenfassung der irrationalistischen Themen

Im Gegensatz zu Schleiermacher, Kierkegaard, Schopenhauer und Nietzsche wirken Kant und Hegel tatsächlich geradezu als Verteidiger der Vernunft. Und doch waren es kantsche und hegelianische Ansätze, welche in den irrationalistischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts mündeten.

Das Erbe der Irrationalisten für das nachfolgende 20. Jahrhundert bestand in den folgenden vier Schlüsselannahmen:

  1. Die Übereinstimmung mit Kant, dass die Vernunft nicht dazu in der Lage ist, die Realität zu erkennen.
  2. Die Übereinstimmung mit Hegel, dass di Realität zutiefst konfliktbeladen und/oder absurd ist.
  3. Die Schlussfolgerung, dass die Vernunft auf Gefühlen, Instinkten oder Sprünge in den Glauben basierenden Behauptungen unterlegen ist.
  4. Die Erkenntnis, dass das Nichtrationale und das Irrationale tiefgreifende Wahrheiten über die Realität enthält.

Mit dem Tod Nietzsches im Jahr 1900 betreten wir das 20. Jahrhundert. Die deutsche Philosophie des 19. Jahrhunderts entwickelte zwei Hauptlinien des Denkens - einmal jene des spekulativ-metaphysischen und einmal die irrationalistisch-epistemologische. Was nun es brauchte war ein Weg, diese beiden Linien für das nächste Jahrhundert zu einer Synthese zu verschmelzen. Der Philosoph, der dies vollbrachte war Martin Heidegger.

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