Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 20v100

in #deutsch7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

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Methaphysische Lösungen zu Kant: Von Hegel bis Nietzsche

Georg W. F. Hegels Philosophie ist ein weiterer fundamentaler Angriff auf Vernunft und Individualismus durch die Gegenaufklärung. Seine Philosophie ist dabei eine teilweise säkularisierte Version der traditionellen judäo-christlichen Kosmologie. Während Kant sich auf die Epistemologie konzentrierte, wandte sich Hegel der Metaphysik zu. Für Kant führte der Wille, den Glauben zu schützen dazu, die Vernunft abzulehnen, während es Hegel darum ging, den Geist der judäo-christlichen Metaphysik zu erhalten, weshalb er letztlich bei weitem stärker gegen Vernunft und Individualismus argumentierte als Kant es je tat.

Hegel stimmte mit Kant darin überein, dass es sich bei Realismus und Objektivismus um Sackgassen handelte. Kant kam zu diesem Schluss, indem er dem Subjekt die Oberhoheit verlieh, allerdings hielt Hegel dessen Argumente in dieser Hinsicht für etwas zu wischi-waschi. Da Kant dem Subjekt nur die Oberhoheit in der phänomenalen Erfahrungswelt gab, blieb die äußere Realität davon völlig ausgeschlossen. Hegel empfand dies als inakzeptabel - da es in der Philosophie an sich ja darum geht, Eins mit der Realität zu werden, um den Schein und die Endlichkeit zu überwinden und das Wahre und Unendliche zu erkennen.

Allerdings war es nicht Hegels Absicht, das epistemologische Puzzle zu lösen, bei dem es um Wahrnehmung, Konzeptformung und Induktion geht und zu zeigen, wie sich Wissen ableiten lässt, wie es auf Kants Agenda stand. Vielmehr nahm sich Hegel eine Anleihe bei Fichte und entwickelte eine Strategie zur Festlegung dessen, was Subjekt und Objekt ist, um dann die Lücke auf metaphysischer Ebene zu schliessen.

Laut Kant ist das Subjekt das Mittel der Wahrnehmung; Kant aber war Realist genug, um die Wahrnehmung einer Realität zuzulassen, die als Quelle unseres Geistes dient, um darauf aufbauend Formen und Strukutren zu entwickeln. Bei Hegel aber entfällt dieses realistische Element komplett: Das Subjekt erschafft sich sowohl Inhalt als auch Form. Das Subjekt reagiert in keiner Weise auf die äußere Realität; stattdesssen wird die Realität ausschliesslich vom Subjekt selbst erschaffen.

"Es kömmt nach meiner Einsicht," so Hegels Worte zu Beginn von Phänomenologie des Geistes, "welche sich durch die Darstellung des Systems selbst rechtfertigen muß, alles darauf an, das Wahre nicht als Substanz, sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken". Das Subjekt im hegelschen Sinne ist dabei kein empirisches, einzelnes Subjekt wie in der traditionellen Philosophie. Das kreative Subjekt, das auch Substanz ist entspricht dem Universum als ganzem (oder Gott, Geist oder das Absolute), während das einzelne Subjekt lediglich ein kleines Stückchen davon ist. Realisten sahen das Universum als ganzes als ein Objekt oder als eine Menge von Objekten, in dem oder in denen sich Subjekte befinden. Hegel verwarf diese Sichtweise: Das Universum als ganzes ist ein Subjekt und innerhalb dieses Subjektes gibt es Objekte. Eine mutige Annahme, die eine Menge Probleme löst.

Letztlich lässt sich damit sogar noch mehr Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit erzielen, als es bei Kant möglich war. Hume lehrte uns, dass es nicht möglich ist, notwendige und allgemeingültige Wahrheiten aus der Realität abzuleiten. Kant stimmte Hume darin zu und schlug vor, die Notwendigkeit und Allgmeingültigkeit aus uns selbst abzuleiten. Damit waren Notwendigkeit und Allgmeingültigkeit gesichert, allerdings zu einem Preis: Da wir beides subjektiv ableiten können wir nicht sicher sein, dass sie in der Realität relevant sind. Hegel stimmte Kant zwar zu, dass Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit aus unserer Geisteswelt abgeleitet werden, allerdings vom Geist des Großen Ganzen, aus dem sich alle unsere kleinen Geister ableiten lassen. Da sich die Realität aus uns ableitet können wir alles über die Realität in ihrer gesamten Erhabenheit erfahren.

Genauso leitet sich auch ein Universum ab, das uns nicht das Menschliche abspricht. Hegel vertrat die Ansicht, dass die realistischen und objektivistischen Modelle am Ende aufgrund der Trennung von Subjekt und Objekte zu rein mechanischen und reduktionistischen Annahmen führen mussten. Indem Alltagsobjekte aus der empirischen Realität als Modell verwendet werden und alles mit deren Hilfe erklärt wird, reduziert sich das Subjekt in jedem Fall zu einem boßen mechanischen Mittel. Beginnt man dagegen beim Subjekt und nicht beim Objekt, dann verändert sich das Realitätsmodell fundamental. Das von innen heraus bekannte Subjekt ist sich selbst bewusst und organisch, und da es dazu auch ein Mikrokosmos des Großen Ganzen ist, entsprechen die von diesem Subjekt abgeleiteten Erkenntnisse einem sich selbst bewussten und organischen Modell der Welt. So ein Weltmodell verhält sich gegenüber traditionellen Werten weitaus freundlicher als die materialistischen und reduktionistischen Tendenzen der Aufklärung.

Insgesamt könnte Hegel von sich behaupten, ein größerer Verteidiger der Vernunft zu sein als Kant. Laut letzterem ist die Vernunft nämlich eine fundamental kreative Funktion. Und sie kann nur ihre eigenen phänomenalen Kreationen erkennen. Hegel dagegen hat mit seiner Feststellung, dass die gesamte Realität aus der Vernunft entsteht eine geradezu aufklärerische Schlussfolgerung gezogen, nach der die Vernunft in der Lage ist, die gesamte Realität zu erfassen.

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