Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 19v100

in #deutsch7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

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Nach Kant: Entweder Realität oder Vernunft, aber nicht beides

Kants Erbe an die nächste Generation bestand in der prinzipiellen Trennung von Subjekt und Objekt, von Vernunft und Realität. Seine Philosophie ist daher ein direkter Vorläufer der stark realitäts- und vernunftfeindlichen Positionen der Postmodernisten.

Nach Kant ist die Geschichte der Philosophie die Geschichte der deutschen Philosophie. Kant starb zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als Deutschland gerade dabei war, Frankreich als führende intellektuelle Nation abzulösen und es war die deutsche Philosophie, die das Programm des 19. Jahrhunderts bestimmte.

Das Verständnis der deutschen Philosophie ist elementar für das Verständnis der Ursprünge des Postmodernismus. Kontinentale Postmodernisten wie Foucault und Derrida werden später auf Heidegger, Nietzsche und Hegel verweisen als ihre bedeutendsten Einflüsse - allesamt deutsche Denker. Und amerikanische Postmodernisten wie Rorty etwa haben ihre Wurzeln vor allem in der zusammengebrochenen logischen Positivistentradition, aber auch sie verweisen auf Heidegger und den Pragmatismus als ihre formativen Einflüsse. Schaut man sich die Wurzeln des logischen Positivismus an, dann finden sich Kulturdeutsche wie Wittgenstein oder die Mitglieder des Wiener Zirkels. Und schaut man in die Richtung des Pragmatismus, dann sieht man letztlich eine amerikanisierte Version des Kantismus und des Hegelianismus. Mit dem Postmodernismus wird daher die in der englischen Philosophie des 17. Jahrhundert fußende Aufklärung ersetzt durch die deutsche Philosophie der Gegenaufklärung, die ihre Wurzeln im ausgehenden 18. Jahrhundert hat.

Kant spielt in dieser Geschichte die Hauptrolle. Bis zu seinem Tod hat Kants Philosophie die deutsche Intellektuellenwelt erorbert und so wurde die deutsche Philosophie zu einem Spiel der Ergänzungen und Reaktionen auf Kants Arbeiten. Dabei entstanden drei allgemeine Richtungen in der nachkantischen Philosophie. Die Mitglieder dieser Richtungen fragten sich dabei, was aus der Trennung zwischen Subjekt und Objekt werden soll, die laut Kant mit Hilfe der Vernunft nicht überbrückt werden kann.

  1. Kants engste Nachfolger entschieden sich dazu, die Trennung zu akzeptieren und mit ihr zu leben. Der Neokantismus entstand im 19. Jahrhundert und bis zum 20. Jahrhundert entwickelten sich zwei Hauptströmungen daraus. Die eine war der Strukturalismus, dessen prominentester Vertreter Ferdinand de Saussure war, der allgemein für den rationalistischen Flügel des Kantismus stand. Der andere Flügel bestand in der Phenomenologie, prominent vertreten durch Edmund Husserl, der allgemein für den empiristischen Flügel des Kantismus stand. Der Strukturalismus war dabei die linguistische Version des Kantismus mit der Auffassung, dass Sprache ein in sich abgeschlossenes und selbstreferenzielles System ist und es die Aufgabe der Philosophie ist, die notwendigen und allgemeingültigen strukturellen Eigenschaften von Sprache zu finden, da diese den emprischen und abhängigen Elementen der Sprache vorausgesetzt sind. Die Phenomenologie konzntrierte sich dagegen auf die sorgfältige Analyse dessen, was sich aus den empirischen Vorbedingungen ableiten lässt, wobei jegliche existenzielle Einflüsse oder Annahmen über mögliche Erfahrungen ausgeblendet wurden, um sich auf eine möglichst einfache, klare und neutrale Beschreibung von Erfahrungen zu beschränken. Daraus folgte, dass die Strukturalisten nach subjektiven Denkkategorien suchten und die Phänomenologen Erfahrungen beschrieben, ohne aber sich zu fragen, in welcher Beziehung sie zur äußeren Realität stehen könnten.
    Strukturalismus und Phänomenologie erlangten allerdings erst im 20. Jahrhundert ihre Bekanntheit, weshalb ich meinen Fokus auf die anderen beiden Richtungen deutscher Philosophie richten werde, die bereits im 19. Jahrhundert groß wurden und dominierten. Für beide Richtungen ergab sich aus Kants Philosophie ein Problem, das es zu lösen galt - und zwar innerhalb der von Kant ausgegebenen grundlegenden philosophischen Begrenzungen.

  2. Die spekulative metaphysische Richtung, die vor allem von Hegel repräsentiert wurde, war nicht zufriden mit der grundsätzlichen Trennung zwischen Subjekt und Objekt. Die Richtung akzeptierte Kants Behauptung, wonach die Trennung mit Hilfe der Vernunft epistemologisch nicht überwundern werden kann und schlug daher eine metaphysische Überbrückung der Trennung zwischen Subjekt und Objekt vor.

  3. Die Richtung der Irrationalisten mit Kierkegaard als Hauptvertreter waren ebenfalls unzufrieden mit der grundsätzlichen Trennung zwischen Subjekt und Objekt. Auch sie gaben Kant recht, dass die Trennung epistemologisch nicht mit Hilfe der Vernunft überwunden werden kann und schlugen daher eine epistemologische Überbrückung mit Hilfe irrationaler Mittel vor.

Die Kantsche Philosophie hat damit der spekulativen Metaphysik und dem epistemologischen Irrationalismus des 19. Jahrhunderts die Bühne bereitet.

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