Wertstabiles Geld, Gold, Geldgeschichte, Teil 2: Kaurischnecken, Spatenmünzen, Messermünzen, Qin Shihuangdi , Käsch

in #deutsch6 years ago (edited)

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Von dieser schönen Kaurischnecke zum ungedeckten Papiergeld war es ein weiter Weg. Der Weg des Balten,
diesen Verlauf zu ergründen, ist ähnlich weit! Aber der Weg bleibt ja das Ziel.😎

Werte Mitleser,

die abschliessende Frage meines gestrigen Posts lautete: Und wie kam das ungedeckte Papiergeld in die Welt?

Nun, die Chinesen haben es erfunden, man könnte sich kurzfassen!

Allerdings fand ich jetzt die Beschäftigung mit der chinesischen Geldgeschichte so spannend, dass sich mein heutiger Post zunächst mit Kaurischnecken, den Spatenmünzen und den Messermünzen sowie der ersten einheitlichen Währung Chinas, dem „Käsch“, befassen soll.

Es ist wieder ein echt langer Post geworden, sorry, aber das Ganze ist eben umfangreich. Und die Anlesen der Informationen hat viel Neues für den Balten bedeutet, die Quellen sind diesmal weitgehend zum Schluß angeben, viele der Informationen stammen von der hervorragenden Autorin Ursula Kampmann.

Kaurischnecken, Spatenmünzen, Messermünzen!

In China hatte man seit dem 11. Jahrhundert v. Christus die die Gehäuse von Kaurischnecken im Wirtschaftsleben als „Geld“ verwendet, zwei Schnüre mit je 5 Schnecken nannte man „peng“.

Wikipedia schreibt über Kaurischnecken:
"Kaurischnecken (Cypraeidae, auch Porzellanschnecken genannt) sind überwiegend tropische Meeresschnecken, von denen bisher etwa 200 Arten bekannt sind."... "Die häufige Bezeichnung als „Kaurimuschel“ ist biologisch nicht korrekt, da Muscheln ein Gehäuse aus zwei ähnlich großen, kalkhaltigen Schalen aufweisen und im Gegensatz zu den Schnecken keinen Kopf besitzen."..."Unter dem volkstümlichen Begriff „Kauri“ wird nicht nur die Kaurischnecke selbst verstanden, sondern auch der Neuseeländische Kauri-Baum (Agathis australis)."

Überlieferte Preise aus dieser Zeit sind z.B. 14 peng für ein sehr wertvolles Bronzegefäß, der ehrenwerte Ju Bai erhielt vom ehrenwerten Qiu Wei 80 peng für 6 Felder, für 3 Felder konnte Herr Ju zwei Stück rote Koralle, ein paar Knieschützer aus Ziegenleder + 20 peng als Preis herausschlagen.

Die Schneckengehäuse waren also sehr teuer und knapp, sie mussten von den Küsten des ost-chinesischen Meeres ins Landesinnere geschafft werden.

Als Grabbeigaben für den werten Verblichen verwendete man lieber pragmatisch Kauri-Faksimiles aus Knochen und Perlmutt oder -wenn einem der bucklige Verwandte mehr bedeutet hatte- gab es auch mal Kauris aus Silber und Gold, aber eben keine echten Kauris, das wäre dann des Guten doch zuviel gewesen.

Im 8. Jahrhundert v. Christus begann man, die Kauris für das normalen Wirtschaftsleben aus Bronze zu gießen, so dass die Wirtschaft vom Kauri-Nachschub unabhängig wurde. Man konnte jetzt die Fiat-Kauris selbst herstellen, die Kaurifischer wird das geärgert haben, die sonstigen Wirtschaftssubjekte zunächst jedoch weniger.

Wenn man so will, kann hier bereits der erste Schritt hin zu einem Fiat-money-System hineininterpretiert werden, denn bei höherer Nachfrage konnten mehr Bronzemünzen (Bronze gabs offenbar genug) gegossen werden. Der natürliche Nachschub war nicht mehr entscheidend und die Menge der Bronze-Kauris war offenbar nicht an die Menge echter Kauris gekoppelt. Ich hoffe das ich mich mit dieser Interpretation als Hobby-Ökonom und Abend-Philosoph hier nicht vergaloppiere, aber ich würde das mal so sehen. Natürlich hat Bronze noch etwas mehr "Wert" als Baumwollscheinchen.

Während also die Kaurischnecke in Norden Chinas das gängige Tauschmittel war, waren die Bauern im Zentrum Chinas nicht so scharf auf die schönen Schneckenhäuschen.
Ihr Tauschmittel wurde- ganz pragmatisch im Sinn der Felder bestellenden Landmänner eben- der Spaten. Zu Beginn um 1000 v. Christus waren es zunächst echte Spaten, ab dem 8. Jahrhundert begann man Schrumpfformen dieser Spaten zu gießen, von denen es viele verschiedene Ausführungen gab.
Diese Spaten waren handlicher, kleiner und leichter und das allgemein akzeptierte Tauschmittel, also Geld.

In den weiten Ebenen des Nordostens, belebt von Jägern und Nomaden, übernahmen Messer (Wildtierzerteilen war hier wichtiger als Felder bestellen) die gleich Funktion wie die Spaten bei den Bauern in der Mitte Chinas. Auch hier wurden gegossene Schrumpfformen der Messer dann zu Geld.

Kauris, Spaten und Messer gingen nebeneinander um, bis sich im 3. Jahrhundert v. Chr. ein völlig neues Geld durchsetzte:
Der Käsch!
Auch wenn die Wort-Analogie zu unserem „Cash“ passend und schön wäre, das Wort „Käsch“ leitet sich von dem Sanskrit-Begriff कर्ष karsha (kleine Münze mit bestimmtem Gewicht) und dem Tamil-Wort kasu (kleines Geldstück) her.
Das englische „Cash“ dagegen bedeutetet ursprünglich „money box“ und leitet sich vom alt-franzözischen „caisse“ („money box“) ab, welches seine Wurzel im alt-italienischen Begriff „cassa" und dem lateinischen „capsa“ hat.

Im Jahre 221 v. Chr. nahm der König von Qin den Kaisertitel an. Qin Shihuangdi bedeutet „erster erhabener Gottkaiser von Qin“. Hier rührt ja der Name China her.

Wir kennen den Göttlichen ja vor allem durch seine Terrakottakrieger, die Chinesen verehren ihn als Staatsgründer.

Er hat vieles geschaffen, die Einigung, große Teile der chinesischen Mauer, die Terrakottakrieger, Ordnung im Staat, eine Beamtenhierarchie mit 18 Stufen inklusive genauer Regelung der Größe der Amtshüte, die Standardisierung der Schrift, die Vereinheitlichung der Maße und Gewichte, der Wagenlängen und der Haartracht seiner Soldaten.

Den ersten Käsch mit einem Gewicht von einem halben Liang (ungefähr 8 g, sog. „bang liang“=halber Liang) allerdings hat er nicht erfunden, es gab ihn bereits in der Zeit der Streitenden Reiche (453-221 v. Chr.).
Seine Form leitete sich von ringförmigen Jadescheiben ab, die zur Zeit der Zhou-Dynastie (1027-256 v. Chr.) als rituelle Geschenke dienten.

Qin Shihuangdi, seinem immensen Ordnungsdrang folgend, erklärte die Käsch zur alleinigen Währung seines Reiches.

Ob er geahnt haben mag, dass dadurch der Käsch zur bei weitem langlebigsten Münze der Menschheitsgeschichte wurde?

Tatsächlich wurde der Käsch bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts geprägt, also bis zum Ende des letzten Kaisers, der dann zwar sein Leben als Gärtner und Bürger Puyi fristen durfte, es es aber immerhin noch auf insgesamt 5 Ehefrauen brachte.
Bernardo Bertoluccis Monumentalwerk kann man sich ja an einem regnerischen Sonntag wieder einmal zu Gemüte führen.

Also, der Käsch, die bei weitem langlebigste Münze der Menschheitsgeschichte!

Dem Balten war das trotz jahrelanger Beschäftigung mit dem Geldsystem und einer gewissen Allgemeinbildung, die er sich selbst gerne mal zubilligt😎, nicht so richtig bewusst, daher erklärt sich auch dieser ausführliche Post.

Was genau ist nun ein Käsch?
Was hat es mit dem Papier-Käsch auf sich, der unter Kaiser Zhenzong (997-1022) als erstes staatliches Papiergeld den Chinesen und der Welt „geschenkt“ wurde?

Das und mehr werde ich heute oder morgen Abend darstellen!

König Gaichatu, John Law, den Kontinental-Dollar, die Assignaten und Mandaten, die Greenbacks, die geldstabile Kaiserzeit, die Gründung der FED, Weimar, 1929, Bretton-Woods, die Lösung von eingeschränkten "Goldstandard" dank Nixon 1971 und die Entwicklung des nun weltweiten ungedeckten Fiat-Moneys bis zu den Kryptos, sie alle müssen warten, da das Thema sich als umfangreicher und für mich spannender als erwartet dargestellt hat!

Bleibt noch die Balten-Weisheit des Tages:
Genug „Käsch in der Täsch“ kann nie schaden!😎

Peace, sisters and brothers!
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Quellen des heutigen Artikels:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kaurigeld
https://de.wikipedia.org/wiki/Kaurischnecken
http://muenzenwoche.de/de/Chinesische-Geldgeschichte-1--Vom-Tauschhandel-zur-Geldwirtschaft/8?&id=315&type=a
http://muenzenwoche.de/de/Chinesische-Geldgeschichte-2--Der-Kaesch/8?&id=317&type=a
http://muenzenwoche.de/de/Chinesische-Geldgeschichte-3--China-erfindet-das-Papiergeld/8?&id=319&type=a
https://www.welt.de/geschichte/article153651720/Schon-mit-dem-ersten-Papiergeld-kam-die-Inflation.html
https://en.wikipedia.org/wiki/Cash
https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%A4sch

Sehr schöne Bilder von Kaurischnecken, Spatenmünzen, Messermünzen und den Käsch findet ihr in den Artikeln von Ursula Kampmann!

Sort:  

Schöne Fortsetzung, mehr bitte!

Passend dazu empfehle ich die Serie "The Ascent of Money" von Nial Fergusson. Mit dessen Thesen man einverstanden sein kann, oder auch nicht. (Bitte keine Diskussion darüber.) Trotzdem eine gut gemachte und lehrreiche Doku. Der YouTube-Link enthält alle 5 Folgen:

ha.te.te.pe.ess://www.youtube.com/watch?v=fsrtB5lp60s

Dem Kommentar von Jeyf bez. Upvotes schließe ich mich an. Ich will auch, dass Du "wieder voll wirst". Allerdings nicht wie eine Haubitze. Diese Warnung eingedenk des gestrigen Kommentators, der empfahl, in Whisky zu investieren. Gute Nacht!

PS: Der Euro wird auch bald in Peng! umgetauft werden müssen. Und das wird nicht im (Kauri)Schneckentempo kommen, sondern sehr, sehr plötzlich.

Lieber hätt ich Käsch, Liang und Jade,
denn der Euro sitze wie eine Made
im Speck des deutschen Steuersklaven.
Bleibt noch Gold als sichrer Hafen.

Ich nehm auch Kauri, Messer, und die Spaten,
und lösch den Schergen meine Steuerdaten.
Ach, wie könnt ich mit Millionen prahlen!
Doch Steuern muss man leider weiter zahlen.

😁

Eine Freude beim Lesen, ein Gewinn beim Wissen...
Wiederum danke für Deinen Artikel!

Wie soll man jemals selber zum Schreiben kommen, wenn die Netzzeit schon fürs Lesen draufgeht?!

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Danke für diesen schönen Aufsatz, lieber @balte !
Ich frage mich gerade, welches Geld wohl in der alten vedischen Kultur unter König Krishna verwendet wurde. Ich vermute die hatte auch schon Goldmünzen vor etlichen tausend Jahren. Oder doch Getreide ... Werde ich bei Gelegenheit recherchieren.

Lieber @kelte, fabrizier da doch was, ich werde es gerne lesen und kommentieren, meinen Themen habe ich mir jetzt für die nä. Wochen selbst gesetzt, ist echt viel Stoff.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich zu diesem spannenden Stoff von Dir "Input" bekomme!
Danke für das Lesen meiner Posts und die tollen Kommentare, bilden wir uns gemeinsam weiter und schreiben alle gegen die Verdummung an, das ist wertvoll!

Lieber @balte, das ist ein sehr guter Vorschlag, dem ich mich sofort anschließen darf.

Vielen Dank für einen weiteren leerreichen Artikel :).

Mussten die Chinesen dann auch je nach Gebiet ihre "Währung" tauschen? Wie hat das funktioniert? Gab es da Wechselstuben? Also von Spaten nach Messer ^^

Cheers!

Lieber@spongechris,

Mensch, gute Frage, aber das weiß ich definitiv nicht, vermutlich gab es Wechselstuben oder etwas ähnliches.
Wenn ich viel Zeit habe, meine Grund-Post-Time-Line zu diesem Thema beendet habe und genügend edlen Whisky konsumiert habe, gehe ich dieser Frage auf den Grund, versprochen,😎
Danke für das genaue Lesen meiner Worte, es ehrt mich! Cheers zurück!

Hey @balte,

dann bin ich mal auf deine nächsten Post gespannt und werde Sie bei ein paar edlen Tropfen genießen :). Ich danke dir für die Spannenden Artikel!

Cheers!

Danke lieber @balte für die Erweiterung meines Wissens.
Mit der Geldgeschichte Chinas (bis auf das Papiergeld) hatte ich mich noch nie beschäftigt.

Lieber @stehaller,
schon komisch, ich wußte hier vieles auch irgendwie nicht so richtig bis gar nicht, obwohl es ja zentral erscheint, wenn man sich damit beschäftigt, und wir beide ja doch einiges an Wissen bezügl. "money"angesammelt haben.
Das mag an unserem etwas europäisch-anglo-amerikanisch lastigem Weltbild liegen, ich werde die nä tage noch mehr dazu schreiben, das mit dem "Käsch" hatte ich bis vorgestern irgendwie nicht auf dem Schirm.
Aber es hat auch einen aktuellen Bezug, mit der De-Dollarisation und dem One Belt-one-road Vorhaben der Chinesen wird sich ev. a la long auch eine andere Sichtweise der Geldgeschichte ergeben.
Egal, mir macht es Spass mich hier fortzubilden.
Danke Dir fürs Lesen und die Kommentare, mal sehen was wir so alles noch hier in die Blockchain einhacken, ich hab den nächsten Post in Grundzügen fertig, werde aber noch mal daran arbeiten morgen abend! "Papier-Käsch", irgendwie ein toller Name, aber wertlos wurde es eben, wie es derEuro und der ganze andere Fiat-Schrott auch werden wird.
Danke auch mal, dass du fortgesetzt gegen die Verdummung anschreibst!

Freue mich schon auf weitere Artikel von Dir.
Ich hab heut auch wieder mal was deutsches geschrieben.

Try posting in English 😉

Thank you for your suggestion!

My posts are mainly intended for the "german speaking community" here on steemit at the moment!
To write in english is a little bit difficult, because some of the things i try to tell in my "history of chinese money ad more" ist not so easy to translate in english, due to some special german grammar and more. Maybe later i will translate it, but maybe in russian language first, i am thinking about that Thanks for your comment!

Oh you seem to go a long way. Good luck and now you have a new follower. 😊

Das ist bemerkenswert. Danke für die Arbeit und den Geschichtsunterricht.
(Bitte kein oder nur kleines Upvote, damit du wieder voll werden kannst)
Vor allem dass es eine Währung gab die 2000 Jahre aktiv war, wusste ich nicht.

Ich auch nicht so richtig bis ich mich damit beschäftigt habe, "ich weiß, dass ich nichts weiß" von Sokrates ist halt zeitlos

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