Heimat auf Bestellung

in #deutsch7 years ago

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Was ich über mein Heimatland denke, hat mich der Dude gefragt. In einem Kommentar, den ich heute Morgen in meinem Blog gefunden habe, bat er um Folgendes:

ich wollte bald über @politics-trail einen Artikel über die Deutsche Kultur verfassen. Da ich aber, denke ich, eine sehr persönliche Einstellung zu meinem Land habe, wollte ich andere Deutsche bitten, mir ein paar Zeilen dazu zu Schreiben, was sie von ihrer Kultur halten.

Service Compris. Natürlich erklärte ich mich gerne bereit dazu. Ein Postingthema ist immer willkommen unter richtigen Zwergen. „Sehr schön, freu mich schon zu lesen, was unser Navigator über das Heimatland denkt,“ war die Antwort vom Dude. Abgesehen davon, dass nicht ich der Navigator bin, sondern Ned Scott wird es am Ende gewesen sein, finde ich den Ausdruck „ein paar Zeilen“ schon witzig. Wer hat denn keine sehr persönliche Einstellung zu seinem Land, @thatgermandude? Mein Heimatland, das ist schon als Wort ein solches Mostrum, das muss ich erst mal stutzen, sonst bekomme ich das gar nicht in ein „paar Zeilen“ hinein. Scherz beiseite. Heimatland, das gab es nicht in meinem Leben und ich kann nicht behaupten, dass es mir irgendwann gefehlt hätte. Oder vielleicht habe ich sogar eins und merke es nicht. Beide Zustände finde ich, sind gelungen, weil stressfrei. Da gibt es keine Termine, keine Aufzüge also nichts, wo man für hingehen müsste und kein Strammstehen.

Ich wurde als Sohn eines Hilterjungen und eines BDM – Mädchens geboren. Beide waren gerade 19 Jahre alt und eine anderthalb Jahre ältere Schwester war auch schon da. Für mich waren Menschen verantwortlich, denen ihre Heimat gerade krachend um die Ohren geflogen war. Sie hatten, gerade eben so, überlebt. Schon wurden sie als Erwachsene in einer völlig neuen Welt gefordert. Als Werkzeuge ihres Heimatlandes, wurden sie aufgezogen, sogar als Spitzel ausgebildet und am Schluss waren sie auch noch letzte Waffe der Heimat. Meine Großeltern konnten sich über manche Themen nur heimlich unterhalten, weil es die Kinder sonst bei der HJ oder dem BDM gemeldet hätten. Jeder Nachgeborene wird verstehen, dass diese Menschen überhaupt nicht in der Lage gewesen sein konnten, uns annähernd ein Gefühl von dem zu vermitteln, was Heimat sein soll. Wie hätte das funktionieren sollen? Es gab keine Heimat mehr. Alles war neu. Sogar die Ruinen.

Kriegsversehrte gehörten zum alltäglichen Bild. Infolgedessen wurde ich mit Heimat in einer Weise konfrontiert, die viel mit Verlust und Heimkehrern zu tun hatte. Bald kamen auch schon die Heimatvertriebenen, deren Schicksal ich nicht einmal im Ansatz verstehen konnte. Was lamentierten die dauernd mit der Heimat herum, die ihnen doch gar nicht gehörte? Sie könnten doch eigentlich froh sein, hier angekommen zu sein. Was soll dieses Heimatding? Auch das ganze Gejammer mit der verlorenen Heimat in der Zone habe ich nicht nachvollziehen können. War doch alles ganz prima in der BRD. Wenn du arbeiten wolltest, hast du gearbeitet und wenn du keinen Bock darauf hattest, gab es immer genug Möglichkeiten, auch nichts zu tun.

Für meine Generation ist es phantastisch gelaufen. Insofern waren Land und Menschen vollkommen in Ordnung. Ich habe ein friedliches und erfülltes Leben führen können. In diese aufregende, hier friedliche Zeit hinein geboren worden zu sein, ist sowieso glückliche Fügung gewesen. Rein heimatideologisch gab es dabei nichts zu regeln. Im Gegenteil. Die Generationen vor mir hatten alle Mühe, ihr Weltbild überhaupt an eine neue Heimat anzupassen. Was für mich niemals eine Frage war, denn ständig kam was Neues auf uns zu und ich konnte mich in dieser Gesellschaft bewegen, wie ein Fisch im Wasser, völlig ohne jede historische Anbindung. Es gab, noch einmal zurück in die Perspektive der Eltern, verständliche Tabus. Fahnen waren verpönt, Aufmärsche, Versammlungen, Vereine, Pathos, na ja und die Kirchen waren auch nicht mehr das, was sie einmal gewesen sind. Man wurde als Kind zwar noch hin geschickt, aber dort saß die Jugend zusammen mit den ganz Alten. Dazwischen fehlten ganze Generationen.

Die Sammlung germanischer und nordischer Sagen in der Bibliothek meines Großvaters vermochte es auch nicht, mir Heimat beizubringen. Das Zeug wurde nicht gelesen. Schwarz gedrucktes Deutschtum, viel dunkler Wald dräute schwergewichtig, ledergebunden im Regal und wurde höchstens staubfrei gehalten. Johann Gottlieb Fichte vergammelte im Esszimmer und wurde nie wieder gelesen. Wahrscheinlich nahmen die Bücher im Laufe der Jahre den Duft des Essens an. Der Fichtekreis von Wien, das war eine Episode in einem anderen Leben meiner Großeltern. In einer anderen Zeit. Keines dieser Bücher wurde je wieder zum Lesen aufgeschlagen. Nicht einmal in der Zeit in der es hieß ich solle mal was lesen, damit etwas zwischen meine Ohren komme, waren diese Bücher Gegenstand irgend eines Gespräches, geschweige denn einer Empfehlung.

Als ich einigermaßen selbstständig denken konnte, hing ich auch schon im Science Fiction–Regal des Großvaters. Gut, in den SF–Büchern kam dann Heimat immer wieder vor. Da war die Erde oft das gelobte Land, während in einem unwirtlichen Raumsektor gekämpft wurde. Heimat begegnete mir also überwiegend in pathetischem Kontext und so wurde im Laufe der Jahre auch ein Begriff daraus, mit dem ich zumindest von der Vorstellung her was anfangen konnte. Damit wollte ich aber nichts in der Wirklichkeit zu tun haben.

Aha, dachte ich mir, die Bundesrepublik Deutschland ist also meine Heimat und wenn ich mir jetzt vorstelle, dass ich sie verlassen muss, gäbe es tatsächlich auch eine Menge interessanter Länder, wo ich gerne hingehen würde. Aber warum sollte ich? Also bleibe ich hier. Kein Staatsstreich, keine Erdbeben, keine Vulkanausbrüche und im Landstrich wo ich wohne, beginnt die Wetterau. Dass es Heimat ist, hat mich eigentlich nie interessiert. Ich meine, selbstverständlich ist der Ort an dem ich lebe meine Heimat. Aber warum soll ich da irgend ein Ding drum herum aufblasen oder die Scholle umarmen? Das es Heimat ist, ist genau so interessant wie die Tatsache, dass in China ab und zu mal ein Sack Reis umfällt.

Jetzt mal im Ernst. Wie soll man eine emtionale Beziehung zu etwas entwickeln, das Bundesrepublik heißt? Wir hatten Zeit meines Lebens eine ausgesprochen funktionale Beziehung zueinander, dieses Land und ich. Wo ich konnte, bin ich ihm aus dem Weg gegangen und wo es sich nicht vermeiden ließ, habe ich darin ein gemütliches Plätzchen gefunden. Dass man, wie ein Franzose den Namen seines Landes ausspricht, der Kamm schwillt und man etwas Weibliches assoziiert, mit prallen Brüsten und Kanonenkugeln, könnte mir weder mit Deutschland, noch mit Bundesrepublik passieren und beide Begriffe zusammen sind so etwas von unsexy, dass mir das Land jetzt fast schon irgendwie leid tut. Nein, Heimat ist relativ und zerbrechlich. Das hängt nicht an Dingen. Schon gar nicht an einem Land. Die Vorstellung, Deutschland gegenüber so etwas wie Gefühle zu entwickeln, erscheint mir reichlich obszön.


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Just a Frog, in a pond of STEEM.


Sort:  

Doch ganz schön emotional.
Für mich ist Heimat die physische Komfortzone, egal in welchem Landstrich sie liegt. Nationalitäten und politische Grundordnungen sind mir dabei egal .

Trallala! Dein letzter Satz ist eine deutlich emotional unterlegte Trotzhaltung, lieber @dirkzett. Aus den politischen Grundordnungen der nationalen Identität entstehen für dich eine ganze Reihe handfester Konsequenzen über die du immer sehr schön schreibst.

Damit kannst Du möglicherweise Recht haben (mit der Trotzhaltung). Ich versuche diese Konsequenzen so an zu nehmen wie schlechtes Wetter. Gelingt nicht immer, aber immer öfter.
Warum musst Du mich so entlarven @afrog? :)

Weil ich die Wolken bereits ziehen lasse. Da kann man nur zuschauen, wenn man will. Ansonsten lässt man sie ziehen… zur Entlarvung ist es durch deinen Kommentar geworden. Ich habe nichts getan. Ich schwör's!

Schön geschrieben!

würdest du dein Verhältnis zu Deutschland auch so sehen wie @afrog, lenny?

Ja, ziemlich gleich.

Ich habe noch nie großartige emotinale Bindung zu "Heimat" oder "Nation" gehabt.
Ich bin natürlich etwas jünger, was bei afrog die Nachkreigszeit war, war bei mir die Nachwendezeit.
Ich war ein halbes Jahr Pionier in der DDR, aufgewachsen bin ich in der BRD.

Ich habe diese Ansichten mal geteilt, dann war ich gegen meine Heimat, jetzt auf eine gewisse Art und Weise dafür. Ich bin nicht rechts, aber ich halte viele Probleme der Rechten für legitim. Die meisten ihrer Lösungsvorschläge und die Hysterie, mit Hassreligion Islam etc, sind nur idiotisch, das sag ich denen auch gerne in abgeschwächter Form ins Gesicht. ;)

Ich war ein halbes Jahr Pionier in der DDR, aufgewachsen bin ich in der BRD.

Hast du da mal zu gepostet? Hört sich nach einer interessanten Erfahrung an.

Haha, da gibts nicht viel zu erzählen. Ist ja nicht viel passiert udn ich war viel zu jung, um das zu verstehen (7 J.).

achso, ich dachte, das wäre zur Jugendzeit gewesen. Aber warum warst du ein halbes Jahr im Osten?

Du scheinst da was falsch zu verstehen.

Ich bin in der DDR geboren und 1989 eingeschult worden. Dann kam die Wende und der ganze Kram mit Pionieren, Versammlungen auf dem Schulhof etc. hörte auf.

Ich glaube, ich habe diese Versammlungen nur 3 Mal mitgemacht, und eine davon war die "Einpionierung"

Jap, hab ich falsch verstanden, macht jetzt alles Sinn. Ich dachte deine Eltern hätten dich mit 6 für ein halbes Jahr in den Osten auf ein Internat geschickt xD

Die Einpionierung! Ich hau mich weg!

Aber später könntest du es in deine Vita einfließen lassen und mit zunehmenden Lebensjahren würde diese Episode immer gewichtiger werden. Bis sie der Scheidepunkt in deinem Leben geworden ist. Na ja, du schreibst deine eigene Geschichte, @lennstar. Bin schon wieder am dramatisieren…

Vielen Dank, @lennstar. Du schreibst übrigens auch schön.

Guter dArtikel, anke

Gerne. Bitteschön, @flurgx.

Danke für diese umfangreiche Antwort auf meine Frage. Da du die deutsche Sprache meisterhaft in deinen Texten einsetzt, hätte ich ehrlich gesagt eine weitaus emotionaler Beziehung zu Deutschland erwartet. Umso besser das wir mal darüber reden!

Persönlich verbinde ich mit der deutschen Kultur viel Positives und Negatives. Es ist ein Wechselbad de Gefühle sozusagen. Pingeligkeit und Bürokratie wären zwei negative Aspekte, die mir einfallen. Der Hang zu Ordnung, Strukturiertheit und Genauigkeit bringt aber auch viele Vorteile.

Ich hoffe, du verzeihst mir die Verallgemeinerungen in diesem Kommentar, ich will die Tendenzen, die ich meiner Umwelt sehe beschreiben und nicht sagen dass alle, wahrscheinlich sind es noch nicht mal die meisten, Deutschen so oder so sind.

Deutschland steckt seit dem 2. Weltkrieg in einer Identitätskrise. Dies tun wir auch zurecht, es wurden schreckliche Verbrechen in unserem Namen begangen. Ich denke aber es gibt eine Zeit ca. 100 Jahre vor den Nazis als deutsche Werte noch etwas ganz anderes waren. Das kritische Denken ist eines der wenigen die uns aus dieser Zeit noch erhalten sind, obwohl die Nazis versucht haben es auszurotten.

Deutschland steckte besonders vor den Weltkriegen in schweren Identitätskrisen. Oder als was willst du die trunkenartige Germanifizierung des Sprachraumes sonst bezeichnen? Dude, ich wusste doch, dass ich für dich doch viel besser ein paar bekannte, griffige Kategorien hätte Revue passieren lassen sollen. In so einer Art geordneter Hommage an das Land, das man liebt, hasst oder hassliebt. Da habe ich doch glatt das Thema verfehlt.

Mit Hilfe der gröbsten wissenschaftlichen Parameter, wie räumlicher Ausdehnung, natürlicher Grenzen und genetischer Durchlässigkeit, unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Biotopes. Ich hätte den Bogen schlagen können zu geistigen, religiösen und technischen Errungenschaften, um damit möglichst viele Vorurteile auf einen Streich zu bestätigen. Anmoderiert von einem maximal läufigen Exemplar aus dem Pool williger C4–Promis im Rahmen einer knuffigen Chartshow, läuft so etwas heute im Vormittagsprogramm. Ich weiß, dass dieses lächerliche Format gerade Hochkonjunktur im Bereich cineastisch gestützter Zeitvernichtung genießt. Aber ein billiges Format wird halt auch durch seine ständige Wiederholung nicht besser.

Zu Allererst muss man sich bei dem Thema doch deutlich vor Augen führen, was man damit überhaupt tut, wenn man ein Land liebt oder hasst. So ein irrationales Verhalten ist doch mindestens mal kritisch zu hinterfragen. Menschen, Berge, Täler, Wälder, Wiesen, Gewässer, Gebäude, Produkte und Rituale in einen Eimer zu werfen, umzurühren, in nette, konsumierbare Portionen abzugießen und dabei Unterschiede zu feiern die gar keine Unterschiede sind, sondern vielleicht nur zufällige Parallelentwicklungen mit lokalem Kolorit.

Erstens hasst man bestimmt genau so viele Menschen von Herzen, wie man sie liebt, egal welcher Herkunft. Arschloch bleibt Arschloch. Ob das Arschloch nun in Berlin oder Baden–Baden bescheuert ist, spielt nicht die geringste Rolle. Zweites dürfte man beim Observieren von Dekadenz und Fäulnis in Bankog so ziemlich auf die gleichen Verdichtungspunkte stoßen, wie in Büsum und drittens wird man nicht dadurch schlauer, dass man in einem Land lebt, in dem angeblich Dichter, Denker und Erfinder in überdurchschnittlicher Stärke auftreten. Das sind alles an den Haaren herbei gezerrte Kategorien. Es kommt ja noch schlimmer. Selbstverständliches wird willkürlich zur Besonderheit stilisiert, um in einem feulletonistischen Mix als Attraktion verpackt, etwas Neues darzustellen. Einzig, um unterscheiden zu können, was bei strenger, objektiver Beschau überhaupt nicht im Geringsten unterscheidbar ist.

Deutschland kann gar nicht so oder so sein, Nicht gut oder schlecht, weil Deutschland als Individuum weder existiert, noch einzuordnen ist. Du betrachtest einen Stahlpfosten und versuchst, sein organisches Herz zu finden. Deutschland ist ein in der Realität manifestiertes Konglomerat verschiedenster Ideen, ganz unterschiedlicher Zeitalter. Es ist die maximal mögliche Materialisierung verschiedener, geistiger Modelle im lokal Notwendigen.

C4–Promis im Rahmen einer knuffigen Chartshow

Ich könnte mir echt gut eine "Top10 der deutschen Vorurteile die wirklich war sind", ala Watchmojo vorstellen. <-- Sarkasmus

Zu Allererst muss man sich bei dem Thema doch deutlich vor Augen führen, was man damit überhaupt tut, wenn man ein Land liebt oder hasst

Kann ich sehr gerne tun, Herr Frosch. Das macht vielleicht viel klarer worum es mir geht. Erstmal der Hass:

Für viele Deutsche ist lautes Reden im öffentlichen Raum Lärmbelästigung, wenn es nicht gerade Samstag 01:00 ist. Wir fordern gerne sehr manierliches Verhalten und das ist als Tat etwas extrem Unfreundliches in meinen Augen.

Bürokratie. Wir Deutschen sind hier die Meister. Zu starke Bürokratie - man könnte es auch fast anti-Transparenz nennen - ist nie gut. Ich denke da stimmst du mir überein.

Pünktlichkeit und Genauigkeit, aka Pingeligkeit sehe ich auf beiden Seiten Liebe und Hass. Das zu erörtern würde aber denke ich den Rahmen sprengen.

Meine Liebe gegenüber Deutschland:

Der Hang zur Suche nach "der Wahrheit" auch wenn sie nie gefunden werden kann, ist die Reise immer wieder spannend. Ob in Wissenschaft oder Philosophie. <--- leider heutzutage nicht mehr ganz so populär

Skepsis gegenüber der Obrigkeit. Die meisten Deutschen sind grundsätzlich allem was mächtig oder reich ist skeptisch gegenüber eingestellt. "Macht korrumpiert" wie man so schön sagt.

Bescheidenheit, auch ein zweischneidiges Schwert.

Das waren ganz grob die Werte die ich mit Deutschland assoziere und die sind halt sehr gemischt, sowie die Leute hier, die selten allen diesen Vorurteilen gerecht werden.

100 Jahre vor den Nazis stand das Territorium, auf dem sich heute ein deutsches Wesen wähnt, in einer Art bürgerlichem, nachnapoleon'schen Findungsprozess. Aus vielen kleinen Staaten und einer handvoll Königreichen manifestierte sich die staatliche Ordnung in Europa, über völlig neue Grenzen hinweg, als Zusammenschluss verstreuter Lehen zu Staaten. Als identifikationsstiftendes Element in unserem Sprachraum erkor sich die darstellende Kunst einen hypothetischen, gemeinsamen Nenner, das Germanentum. Wie im Rausch wurde dies nicht ganz willkürliche, Modell von Idealisten, wie fortschrittlichen Denkern aufgesaugt und oft geradezu fanatisch gelebt. Wie gesagt mein Großvater, der Halbjude, war kurz vor dem 3. Reich begeisterter Germane im Fichtekreis von Wien, einer nationaltrunkenen Vereinigung adoleszenter Intellektueller um den Dichter Johann Gottlieb Fichte herum, die völlig kritikfrei dem Deutschtum fröhnte. Fichte ist wohl, gemessen an seinem schriftstellerischen Handwerk, an Harmlosigkeit nicht zu überbieten. Was im Biedermeier passierte, hat es in der Geschichte noch nie gegeben. Eine Sprachgemeinschaft suchte nach ihren historischen Wurzeln und hat ein Märchen gewählt. Die Geschichte kennt kein deutsches Volk. Völker, die sich bis Dato bis auf das Messer bekämpften, wurden zu einer nordischen Rasse integriert, die dann selbstverständlich auch ihresgleichen auf der Welt suchte. Ich meine, sie haben im Laufe der Geschichte immer wieder ihre Meister gefunden. Besonders das Volk, das gar keins ist.

Ich wollte eigentlich mehr auf die Dichter und Denker hinaus, als das Biedermeiertum. Von Harmlosigkeit halte ich nicht viel und historische Daten sind auch nicht unbedingt meine Stärke. ^^* Ich krieg die Namen nicht mehr alle zusammen, aber Kant, Marx und Hegel wären ein paar Beispiele für große deutsche Denker.

Bei Kant und Marx widersprech ich zwar und bei Hegel kenne ich eigentlich nur die Logik, aber das waren noch Menschen die sich mit Themen aktiv denkend auseinander gesetzt hat. Wie Kant so schon sagt: Mündigkeit. Das wurde uns in der Schule wie die Bibel gepredigt und da Stimme ich Kant auch zu. Ich halte den kategorischen Imperativ für Schwachsinn, aber das ist ein anderes Thema.

Natürlich sollte man darauf achten, dass man von den richtigen Epochen redet, wenn man es denn tut. Entschuldige die Verwirrung. Dass wir Deutschen ein bunt gewürfelter Haufen sind, ist mir als Großraum Düsseldorfer, der 3 Jahe in Köln studiert hat auch klar. :)

Die Dichter und Denker kamen doch nicht aus dem luftleeren Raum, der vor ein paar Generationen zufällig Deutschland genannt wurde. Das Denken dieser Menschen ging nachweislich in der Antike los, wurde aber ganz sicher schon lange davor in anderen kulturellen Hochzentren gepflegt. Die Vertreter der höfisch anerkannten Dichter und Denker waren doch nichts anderes, als rezente Träger und Fortentwickler einer humanistisch orientierten Aufklärung, die sich seit Jahrtausenden weltweit entwickelt hat. Das hat doch nichts mit lokalen Vor– und Nachteilen einer etwa genetischen oder intellektuell überlegenen Population zu tun. Wissen und Fortschritt akkumulierte stets im Umfeld einer die Entwicklung positiv beeinflussenden Geisteshaltung von Potentaten ganz verschiedener Nationalität. Ich habe zum Beispiel nichts gemein mit diesem Günstling Goethe. Worauf soll ich mir persönlich im Zusammenhang mit Kant, Bach oder Goethe ein Ei backen? Das wäre doch absoluter Tinneff. Ohne die chinesischen, phoenizischen, ägyptischen, hetitischen, persischen, arabischen, oder griechischen Denker hätte es diese Dichter und Denker nie gegeben.

Ich halt die deutschen Werte nicht für einzigartig, die Mischung schon eher. Wir teilen viele Werte nicht nur mit den Europäern, deswegen genießen wir auch heutzutage ein relativ gutes Ansehen auf der Welt. Ja, vieles was in der Aufklärung gesagt und gedacht wurde is auch schon in alten östlichen Kulturen zu finden. Persönlich finde ich auch vieles was aus dem alten Konfuzianismus sehr interessant. Wie gesagt ich finde eigentlich alle Kulturen spanned, manche mehr, manche weniger. Die Deutsche ist dabei gar nicht weit oben auf meiner Liste ;). Ich dachte nur es wäre angebracht erstmal über die eigene Kultur zu reden, wenn ich es denn tue. Das es nicht einfach ist, ist mir klar. ;)

Haha, ohne deinen comment zu kennen, aber teil-inspiriert vom Beitrag:

https://steemit.com/deutsch/@lennstar/volk-ein-wort-mit-problemen

Ich bin deutsch, weil die anderen mich als deutsch sehen. So habe ich das erste Mal erfahren, dass ich deutsch bin, als ich in Holland als kleener Fritze nur deswegen die Fresse poliert bekommen habe. Vorher war ich nur der Sohn meiner Eltern. Ich hab's dann halt akzeptiert. Beschäftigt mich nicht sonderlich. Fast so wenig wie unser neues, heißgeliebtes Euro-Vaterland.
PS: "Die Holländer" (da haben wir's schon wieder) mag ich trotzdem ganz gern!

Toller Beitrag und super geschrieben! mein Follow und upvote hast du ! :)

Vielen Dank liebe @twinkleberry und willkommen auf dem Steem.

Thank you very much for this post.

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See the full rankings and details in The Daily Tribune: Jun 17 - Part I. You can also read about some of our methodology, data analysis and technical details in our initial post.

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Again? I hoped not to see you anymore, @screenname. Oh no, I like yo very much but instead I expected to get paied fair from the pool. Someting went wrong, when you enter the scene, @screenname.

Danke fürs teilen. Oh, die Geschichte dieses Landes bleibt eine schwierige. Eben weil es immer noch erfasst und aufgearbeitet, teilweise aber auch noch verdrängt und missachtet aber auch pervitiert wird. Damit ist diese Nation aber keineswegs allein. Wenigstens wird es nicht völlig verdrängt von den Menschen. Ja, es ist nicht lange her, als der Krieg das Chaos entfachte, sich unsere Geschichte für immer veränderte. Im Angesicht dieser Historie und die Gesellschaft die erstmal daraus entstanden ist, kann ich verstehen das es für dich schwierig war und noch bleibt, dich damit zu identifizieren. Es gibt schöne, nützliche Dinge die dieses Land hervorgebracht hat, genauso wie grässliche. Hauptsächlich als Mensch, sollte man sich bekennen können!

Wie Teilen? Wieso schwierig? Bezüglich meiner Identifikation mit diesem Staat sollte es keinen Anlass zum Zweifel geben. Ich verstehe mich als Bürger und habe sogar zwei Jahre lang gedient und wenn du Wehrpflichtiger gewesen wärest, dürftest du Z–Sau zu mir sagen.

Auch habe ich die nahezu physischen Vorbehalte vieler Menschen gegen mich als Deutschen wohl gespürt. Besonders in England, Frankreich, Griechenland und Holland, als noch nicht so viel Europa war. Dabei bemühte ich mich stets zu zeigen, dass ich es nicht gewesen bin, den sie mit ihren Vorbehalten meinen, was auch immer sofort gelungen ist. Die Menschen haben es schnell verstanden und wer es nicht verstehen wollte, dem haben die Deutschen sicher übel mitgespielt. Ich habe kein Problem damit, Deutscher zu sein. Nicht im Geringsten. Ich habe nicht einmal ein Problem damit, dass es mir vollkommen egal ist, was ich bin. Mensch ist da ein ganz brauchbarer, allgemeiner Nenner.

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