Das ist doch gut, oder?

in #deutsch8 years ago (edited)

Die Heimkehr

Nachdem der chinesische Arzt das Zimmer verlassen hatte, zog ich mich an und verstaute mein Hab und Gut in den zwei Plastiktüten, die mittlerweile zu meiner Ausstattung gehörten. Dann habe ich gewartet, bis eine Schwester bereit war, mir den Arztbrief zu überreichen und habe das Klinikum verlassen. Es liegt mitten in der Stadt und so führte mich der Weg nach Hause über den Marktplatz, wo um diese Jahreszeit immer eine Eisbahn aufgebaut wird. Direkt neben dem Brüder–Grimm–Denkmal. Dort habe ich eine halbe Stunde Pause gemacht und einfach nur den Schlittschuhläufern zugesehen. Es war ein schönes Gefühl, hier zu stehen und den jungen Menschen beim Spaß zuzuschauen. Sie zogen ihre Kreise, was aufgrund der Enge auf dem Eis für alle bedeutet hat, in die gleich Richtung zu fahren. Ich dachte an die Überraschung, die mein unangekündigtes Auftauchen zuhause auslösen würde. Schon bald habe ich mich wieder auf den Weg gemacht, denn jetzt wollte ich auch Spaß haben.

Zehn Minuten später stand ich vor dem Haus. In der Einfahrt freute sich mein Jüngster, der dort gerade Blätter weg kehrte. Er war sehr überrascht, wie auch einer meiner Neffen, der ihm, im Hof hinter dem Haus zur Hand ging. „Ach, du bist schon da?“ Die Freude meiner Frau war nicht erkennbar und selbstverständlich verlangte sie auf der Stelle die Herausgabe des Arztbriefes, meiner einzigen wirklichen Legitimation, überhaupt hier stehen zu dürfen. Nicht auszudenken was losgebrochen wäre, hätte ich den Freibrief nicht vorweisen können. Irgendwie hielt sich die Freude meiner Familie in wohl temperierten Grenzen, aber noch ahnte ich nicht, warum.

Die Intrige

Mein nächster Schritt führte mich in den Keller hinab, in mein unterirdisches Reich und alles lag an seinem Platz. Gut mein Tabak hatte den Schreibtisch verlassen und war bis zur Bar gekommen. Die Kinder hatten hier gefeiert, soviel war klar. Meine erste Zigarette wollte ich mir für später aufheben, ließ den Tabak dort liegen und ging wieder hinauf zur Familie, die sich in einer seltsam verschwörerischen Runde um den Küchentisch herum versammelt hatte. Als ich eintrat, wurde es für eine Sekunde unangenehm still, bis meine Frau mich an den Tisch gebeten hat. Ich bekam einen Kaffee und einen Teller mit restlichem Weihnachtsgebäck und ein belangloses Gespräch über Krankenhauskram, machte mich auch nicht glücklich. Dass meine Söhne und der Neffe sofort in den Keller stürmten, in dem Moment als ich mich hingesetzt hatte, dem habe ich zunächst gar keine Bedeutung beigemessen, bis unter großem Gepolter mein Schreibtisch die Treppe herauf, an der Küche vorbei kam.

Sie haben in einer unverschämt schnellen Gewaltaktion nicht nur meinen Arbeitsplatz nach oben getragen. Alles, was die Herren unten, in ihrem neuen Partyzimmer nicht mehr gebrauchen konnten, haben sie raus geschmissen. Sie haben meinen neuen Arbeitsplatz im Zimmer der verstorbenen Oma aufgebaut. Bis ich begriffen hatte, welch kolossale Intrige sich gerade vor meinen Augen abgespielt hat, war ich auch schon umgezogen in mein altes Arbeitszimmer und mein Tabak war auch weg. „Du sollst nicht mehr rauchen!“ „Jetzt kannst Du wieder im Licht arbeiten, Papa. So, wie früher. Und du bist wieder bei uns. Das ist doch gut, oder?“ Ich musste an einen chinesischen Arzt denken, der auf diese Frage auch keine Antwort brauchte und ersparte sie mir. Der geschätzten Leserschaft erspare ich meine folgende Trotzreaktion. Den Teil, mit dem tiefen Jammertal einer stundenlangen, ziellosen Exkursion durch die Stadt bis hin zu meiner alten Freundin, die sich vor Lachen kaum noch halten konnte. „Mann, deine Familie hat sich Sorgen um dich gemacht, das ist doch gut, oder?“

Die Kapitulation

Nun sitze ich dort, wo ich nie mehr sitzen wollte. Schreibe, was ich nie schreiben wollte und rede mit niemandem, mit dem ich nie wieder reden will. Aber das interessiert hier auch niemanden. Für meine Familie ist jetzt alles im Butter und jeder tut so, als wäre nichts gewsen. Die verräterischen Söhne und der in Ungnade gefallene Neffe haben erstmal drei Tage lang Party gemacht. In meinem Keller. Ich sitze direkt darüber und kann jeden Ton hören. Auch meine Frau tut so, als wäre nichts gewesen. Als sie von ihrem Silvesterbesuch bei ihrem ersten Sohn nach Hause kam, wünchte sie mir ein frohes, neues Jahr und gab mir einen Kuss, den ich nicht haben wollte. Sie zwang mich dazu, zu geben, was ich nicht geben wollte: „Wir werden uns doch wohl noch für fünf Pfennig zusammenreißen können, oder?“ Wieder so eine Frage, auf die niemand einen Antwort erwartet. Die häufen sich in letzter Zeit um mich herum.

Dieser Beitrag ist die Fortsetzung von Waffengang am Tränentümpel.
Foto Quelle: http://www.zeno.org - Zenodot Verlagsgesellschaft mbH


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