Der Gral 2

in #story7 years ago

Zweiter Teil einer Kurzgeschichte. Teil Eins ist hier.

"Und? Was ist jetzt mit Internet?" Anja Atem geht stoßweise, vielleicht bin ich doch zu schnell für sie unterwegs. "Ja, nach drei Versuchen war nun endlich der Techniker da und hat mich angschlossen. Endlich Internet". Ich kann mich normal Unterhalten, für mich scheint das Tempo zu passen.

Eigentlich dachte ich, Anja ist fitter. Ich war überrascht, als sie mich beim Mittagessen fragte, ob wir zusammen laufen gehen wollen. Vielleicht war das aber nur der Versuch, Zeit mit mir zu verbringen und sie ist gar keine Läuferin. Ich war nie gut darin, zu erkennen, ob sich jemand für mich oder meine Hobbies interessiert.

"Dafür bin ich jetzt ohne Auto, der Kostenvoranschlag ist gekommen. Wird mindestens tausend kosten. Das Getriebe ist total im Arsch." Es ist schon unglaublich, das ich so viel Pech haben kann. Meine Eltern haben mir den Wagen zum Abitur geschenkt. Jahreswagen, gepflegt und unfallfrei. "Mist.. also Bus?" Ich glaube, wir sind wirklich zu schnell. Ich nehm etwas das Tempo raus. "Ja. Zum Glück haben wir das Jahresticket ja mit drin."

Nach kurzer Zeit sind wir wieder am Parkplatz, wo ihr Auto steht. Anja bleibt stehen und angelt ihre Wasserflasche aus dem Kofferraum "Ich hab genug, machst du noch eine Runde?" Ungläubig schaut sie mir nach. Ich dreh mich kurz zu ihr um. "Wage es nicht, ohne mich zu fahren" rufe ich ihr lachend zu. "Nicht, wenn du dich für die Fahrt angemessen bedankst!" antwortet sie.

Die drei Kilometer durch Wald und Wiesen sind meine Standardrunde geworden. Ich mag den Wald, die Wiesen. Der Blick geht hier ewig über die Landschaft und man entkommt der Enge der Stadt. Zum Glück wollte Anja mit, so habe ich wieder ein Auto, um hinzukommen. Aber ich habe keine Ahnung, woher ich das Geld für die Reparatur nehmen soll. Was wohl ein angemessener Dank fürs Mitnehmen ist? Ich bin wirklich schlecht in sowas.

Eine Bewegung im Augenwinkel reißt mich aus meinen Gedanken. Verdammt! Wo kommt denn der Hund her? Er steht plötzlich neben mir auf der Wiese. Ich verlangsame meine Schritte und bleibe stehe. Der Hund knurrt gefährlich. Ein großer Hund, schwarz. Ich glaube eine Dobermann oder sowas. Hilflos blicke ich mich um, aber ich sehe niemanden, zu dem der Hund gehören könnte. Dann springt er plötzlich auf mich zu. Ich drehe mich um und renne los. Mein Vorsprung wird immer kleiner. Vielleicht schaffe ich es bis zum Wagen.

Ich höre sein Bellen hinter mir. Der Boden fliegt unter meinen Füßen. Ich konzentriere mich. Jetzt nur nicht stolpern. Kurz denke ich, so muss sich Anja eben gefühlt haben. Das Bellen kommt näher. Nur noch um die Kurve. Da muss der Parkpaltz sein. Ich seh schon das Auto. Anja steht an der offenen Fahrertür. "Schnell! Ins Auto, Los!" rufe ich ihr zu "Mach mir die Tür auf!" Sie schaut überrascht zu mir rüber. Dann reagiert sie. Ich renne auf den Wagen zu, Anja öffnet mir die Tür. Kurz blitzt das Bild des Hundes in der Scheibe auf. Mit einem Hechtsprunge springe ich auf die Rückbank. Halb erwarte ich den beißenden Schmerz seiner Zähne in meiner Wade.

Ruhe. Kein Bellen. Kein Knurren, kein Hecheln. Nichts. Irritiert schauen wir uns an. "Alles in Ordnung?" - "Ja, bei dir?" - "Hast du ihn auch gesehen?" - "Den Hund?".

Vorsichtig spähen wir aus dem Auto. "Er kann doch nicht einfach weg sein." Ich steige aus. Anja lugt um den Fahrersitz "Sei vorsichtig".

Ich sehe deutlich meine Spuren im staubigen Boden. Mein Herz schlägt mir immer noch bis zum Hals. Das Adrenalin schärft meine Sinne. Der Hund kann doch nicht einfach verschwunden sein. Ich folge meiner Spur zurück. Er war doch nur noch weniger Meter hinter mir.

Was ist das? Die Spur ist wenige Meter vor dem Auto unterbrochen. Als hätte sich jemand auf den Boden gesetzt und sich im Kreis gedreht. Die Pfotenabdrücke des Dobermann gehen bis zu der Stelle, gemeinsam mit meine Fußspuren. Aber nur meine Spuren verlassen den Kreis. Es ist ganz still, keine Vögel, die singen, kein Wind, der in den Blättern raschelt. Und nirgendwo ein Hund. Der Geruch von Elektrizität liegt in der Luft.

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