Die heilige schwarze Null: der Zustand der Straßen und digitaler Infrastruktur in Deutschland

in #deutsch7 years ago (edited)

Wie schlecht es teilweise um die deutsche Infrastruktur steht, merkt man vor allem, wenn man einige Tage in anderen Westeuropäischen Ländern verbracht hat. Die Unterschiede sind teilweise echt krass.


Wir waren neulich in für ein paar Tage in den Niederlanden und da ist mir einiges aufgefallen. Wir leben hier in Deutschland in einem ähnlichen Gebiet, wie auch dort wo wir in in den Niederlanden waren. Ländlich geprägt, viel Landwirtschaft, ein bisschen Tourismus, vergleichsweise wenig Industrie und gewinnbringender Dienstleistungen... ich glaube der Fachbegriff dafür ist "Strukturschwach".


[Abbildung: gut ausgebaute Landstraße in den Niederlanden]

Dennoch gibt es einige starke Unterschiede. Während in dem Gebiet in den Niederlanden, wo wir waren, die Straßen in sehr guter Qualität sind und auch die kleinsten Dörfer kostenloses und schnelles WLAN zur Verfügung stellen, so haben wir bei uns, wo wir in Deutschland wohnen, wirklich schlechte Straßen und von kostenlosen WLAN kann hier keine Rede sein. Ich kann froh sein wenn ich mit meinem Handy GPRS-Geschwindigkeit bekomme... Streckenweise ist nicht einmal Versand oder Empfang von SMS möglich.

Wer die Geschwindigkeiten nicht so ganz einordnen kann: GPRS ermöglicht Übertragungen von bis zu 56 Kbit/S. Das war Ende der Neunziger noch OK für ein Privathaushalt.

Das es in Deutschland in bestimmten Gebieten mit der Infrastruktur nicht so ganz zum besten steht hören wir wenn wir Besuch von der Bekanntschaft aus der Schweiz bekommen. Die sind immer wieder verwundert über den Zustand der deutschen Straßen.

Es zeigt sich eindeutig das der Fetisch um die "schwarze Null" für Deutschland nicht nur nicht gut sondern sehr schlecht war: die Infrastruktur konnte nicht richtig gewartet werden und von Ausbau und Neuentwicklung konnte vielfach gar nicht die Rede sein. Man lebt von der Substanz. Das sieht man nicht nur an der digitalen Infrastruktur und an den Straßen. Ein weiteres Problemgebiet sind die Schulen.

Und wenn ich mir die Verhandlungen der möglichen "Jamaika-Koalition" so anhöre, dann wollen die weiterhin an der "schwarzen Null" festhalten.  


Sort:  

Wenn man einen Instandhaltungsrückstau auflaufen lässt, wird man diesem nicht mehr Herr. Wir hatten vor 24 Jahren (ich war zu dieser Zeit noch bei einem Baukonzern beschäftigt) einen Auftrag erhalten der die Untersuchung von 317 Brücken beinhaltete. Unser Ergebnis war erschreckend. Die Schäden und Instandhaltungsrückstau ging schon damals in einen dreistelligen Milliardenbetrag. Doch getan wurde nichts. Jetzt ist es nicht mehr finanzierbar, trotz der Masse an Baustellen. In den nächsten Jahren wird es zu einem Kollaps kommen. Auch bei den Kanalisationen sieht es nicht anders aus. Ca. 80% aller öffentlichen Kanalnetze sind schrottreif. In den Großstädten betrifft es auch das U-Bahn Netz. Hier kann man ebenfalls einen Kollaps erwarten. Etatisten darf man kein Geld in die Hand geben, denn umgehen können sie damit nicht (außer sich selbst ihre Gehälter ausbezahlen). Sämtliche Staatsbetriebe sind insolvent. Fazit: Deutschlands Wohlstand ist auf Sand gebaut und das schon seit Jahrzehnten (das Wirtschaftswunder inbegriffen). Bei genauer Betrachtung ist Deutschland nicht mit 2 Billionen verschuldet, sondern mit 6 Billionen. Rechnet man noch die Rückstellungen (die nicht vorhanden aber notwendig sind) dazu, werden es mal schnell 8 Billionen. Das nennt man Bankrott!!!

Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Deine Beschreibung bestätigt das ungute Bauchgefühl vieler Menschen. Leider hat sich die Politik in den letzten Jahren taub gestellt. Das man nicht unnötig Schulden aufnimmt ist zwar gut, aber ein 80 Millionen Land kann man nicht wie ein Privathaushalt führen. Aber auch im privaten würde kein vernünftiger Mensch z.B. an Fortbildungskosten sparen (das bringt später mehr Geld ein) und kein Hausbesitzer würde bei seinem Haus die Instandhaltungskosten streichen um Geld zu sparen.

Ob ich einen Haushalt führe, oder ein Unternehmen, oder staatliche Strukturen, die Prinzipien sind die gleichen. Ich kann nur so viel Geld ausgeben, wie ich einnehme. Kredite sollten die Ausnahmen sein und ich muss diese bezahlen können. Doch Schulden auf Kosten anderer zu machen und diese zur Abzahlung zu verpflichten (zwingen) ist ein Verbrechen. Wenn ich einen Palast baue muss ich dieses auch unterhalten können. Ich kann aber keinen Palast bauen und meine Kinder, Enkelkinder Urenkel usw. dafür bluten lassen. Und wenn man Schulden macht, muss man diese auch zurückbezahlen und sich nicht durch eine schleichende Inflation (Raub und Enteignung) entschulden, entschulden auf Kosten anderer.

Diese ganze schwarze Nullnummer wurde doch nur durchgezogen um die stark verschuldeten und strukturschwachen Länder wie Griechenland, Italien oder Spanien u.a. weiter ausbluten lassen zu können. Deutschland hat an der ganzen Geschichte massiv profitiert (va. die Banken, Fraport, etc.), die Leidtragenden sind wie immer die einfachen Bürger dieser Staaten.
Dass sich diese ganze Geschichte auch bei uns irgendwann rächen wird war abzusehen und es dürfen natürlich mal wieder wir Steuerzahler für den Schaden aufkommen. Vor allem wenn keine neuen Schulden gemacht und dafür in Bereichen wie Bildung und Infrastruktur Einsparungen gemacht werden, zahlen wir zwar brav unsere Steuern, aber bekommen immer weniger dafür. Der nächste bereits laufende Schritt ist die Privatisierung öffentlichen Eigentums, ÖPPs stehen grad ganz hoch im Kurs. Und wenn diese privaten Betreiber dann insolvent gehen haftet natürlich mal wieder der Steuerzahler.
Eine gesunde Neuverschuldung ist nötig, denn unsere 'Soziale' Marktwirtschaft kann ohne neue Schulden gar nicht funktionieren, das gesamte globale System basiert doch von Grund auf auf Schulden und dem daraus entstehenden Zins und Zinseszins.
Staatschulden sind nicht da um zurückbezahlt zu werden (hat glaub ich auch noch keiner gemacht), sondern um das System am laufen zu halten.

Das was du sagst – u.a. das mit den ärmeren EU-Ländern, weniger öffentliche Leistung für den gleichen Steuersatz etc. – das sehe ich genau so und das kann man vielfach beobachten. Und wenn es dann stellenweise Steuersenkungen gibt, dann werden die Gebühren umso mehr erhöht. Durfte ich ua. an den Abgaben in unserer Kommune sehen.

Das mit den WLAN ist insbesondere eben auch der Störerhaftung geschultet mit der man sogar noch versucht hat sozialen Engagement einiger Bürger weiter einzuschränken. Dies hat uns in der Tat wirklich innerhalb von Europa noch einmal auf die letzten Plätze deklassiert. Bleibt zu hoffen, dass mit dem Wegfall sich dies schnell aufholen lässt und nicht chronisch wird :-/

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