Warum ich heute Marx in Schutz nehmen muss
Liebe Steemit Community,
liebe Freiheitsfreunde,
liebe Freiheitsfeinde,
liebe Marxstatuebefürworter,
liebe Marxstatuegegner,
das aktuelle politische Geschrei (an dem ich mich nicht beteilige) vom konservativen Teil unserer Bevölkerung zwingt mich heute etwas zu tun, von dem ich nie geglaubt hätte, es tun zu müssen.
Was ist geschehen?
Karl Marx hatte am Samstag den 5. Mai seinen zweihundertsten Geburtstag und China hat der Stadt Trier folgende Statue geschenkt, die nach einem Stadtratsbeschluss (Mehrheit der CDU, SPD, Linken und Grünen dafür, Teile der Grünen, AfD und FDP dagegen) der Stadt Trier angenommen und feierlich eingeweiht wurde.
Mein erster Gedanke war:
"Ist mir völlig egal, jetzt haben wir neben Chemnitz, Berlin, Frankfurt Oder , Fürstenwalde, Leipzig, Neuhardenberg und Wernigerode ein Karl Marx Denkmal mehr.
Nur dieses Mal hat es dem deutschen Steuerzahler nichts gekostet und Trier hat ein Attraktion mehr".
Aber natürlich kam sehr schnell die Kritik der Konservativen, vor allem der AfD, aber auch Opferverbänden kommunistischer Gewaltherrschaft.
Hier die Pressemeldung der AfD:
Berlin, 4. Mai 2018. An diesem Wochenende findet anlässlich des 200. Geburtstages von Karl Marx in Trier eine feierliche Enthüllung einer Karl-Marx-Statue statt. Diese war Trier als dessen Geburtsort von der Volksrepublik China geschenkt worden. Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft sowie die AfD können dem kritiklosen Umgang mit dem Kommunisten Marx hingegen wenig abgewinnen, der die tödlichen Folgen der marxistischen Ideologie völlig ausblendet.
Quelle
Hier die Aussage von Dieter Dombrowski, Bundesvorsitzender der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft:
„Karl Marx ist nicht missverstanden worden“, unterstrich Dombrowski. Diktatoren hätten das realisiert, was Marx aufgeschrieben habe. Zudem sei er ein Antisemit gewesen. „Die Opfer des Kommunismus warten vergeblich auf ein Mahnmal“.
Quelle
Petr Byrston sprach auf seiner Rede auf einer Gegenveranstaltung der AfD über die 100-150 Millionen toten Opfer des Kommunismus, für die Marx die theoretische Grundlage geliefert hätte (min 3:36)
Auch aus den USA kam Kritik von der konservativen Seite (die sich noch vor nicht allzu langer Zeit darüber beschwert hatte, dass die Linken die Statuen von Generälen der Südstaatenarmee abbauen wollten).
Die offiziellen Reden im Rahmen der Feierlichkeiten von Malu Dreyer und einem überraschenderweise äußerst nüchternen Jean-Claude Juncker fand ich dagegen viel differenzierter und stimme ihnen weitgehend zu:
Schauen wir uns die Kritik im Einzelnen an:
1. Marx war Antisemit und Rassist:
Diese Kritik ist berechtigt. Es gibt genügend Beispiele, wo sich Marx (aber auch Engels) antisemitisch (obwohl er selbst jüdischer Abstammung war) und rassistisch äußert.
Da ich diese Ausfälle hier nicht alle noch mal wiederholen will, gebe ich nur die Quellen für einige Zitate an und dann kann sie jeder selber lesen, wenn er Bedarf hat:
- Marx an Engels, 1862 (MEW 30, 257)
- Engels, 1848 (MEW 5, 80)
- Marx, 1853 (MEW 9, 248)
Quellen
Ein Zitat, zur "Judenfrage", möchte ich aber doch bringen:
Nun wohl! Die Emanzipation vom Schacher und vom Geld, also vom praktischen, realen Judentum wäre die Selbstemanzipation unsrer Zeit. [...] Wir erkennen also im Judentum ein allgemeines gegenwärtiges antisoziales Element. [...] Die Judenemanzipation in ihrer letzten Bedeutung ist die Emanzipation der Menschheit vom Judentum. [...] Ja, die praktische Herrschaft des Judentums über die christliche Welt hat in Nordamerika den unzweideutigen, normalen Ausdruck erreicht, dass die Verkündigung des Evangeliums selbst, dass das christliche Lehramt zu einem Handelsartikel geworden ist, und der bankerotte Kaufmann im Evangelium macht wie der reichgewordene Evangelist in Geschäftchen. [...] Das Geld ist der eifrige Gott Israels, vor welchem kein andrer Gott bestehen darf. [...] Die chimärische Nationalität des Juden ist die Nationalität [sic] des Kaufmanns, überhaupt des Geldmenschen.«
(Quelle: Karl Marx, Zur Judenfrage (1844), MEW 1, S. 372f. zitiert aus Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen )
Diese Aussagen sind natürlich komplett abzulehnen, es stellt sich aber auch die Frage, ob man nicht erstens den historischen Kontext miteinbeziehen muss und, ob sich Marx bei dem oben genannten Zitat zur Judenfrage gegen die Juden im Allgemeinen richtet, oder ob sich diese Aussage gegen die von ihm verhasste Bänkerelite richtete, von denen eben auch viele Juden waren.
Ich für meinen Teil, kann diese Frage nicht beantworten.
Für mich ist allerdings Antisemitismus und Rassismus zu aller Zeit und in allen Lebenslagen abzulehnen.
Wer also wegen Marx' Antisemitismus gegen diese Statue ist, den kann ich verstehen. Dann sollte man sich aber auch gegen Statuen anderer "Berühmtheiten" richten, die sich ähnlich antisemitisch geäußert haben, z.B. gegen Luther.
1543 forderte er die evangelischen Fürsten zur Versklavung oder Vertreibung der Juden auf und erneuerte dazu die judenfeindlichen Stereotype, die er 20 Jahre zuvor verworfen hatte. Damit überlieferte er diese in die Neuzeit.
2. Ist Marx für die 100-150 Millionen Todesopfer des real existierenden Sozialismus verantwortlich?
Hier lautet meine klare Antwort nein.
Marx hat zusammen mit Engels zahlreiche Bücher, Aufsätze und Briefe verfasst.
Er hat aber an keiner Stelle dazu aufgerufen 100 Millionen der eigenen Leute umzubringen.
Dafür sind Lenin, Stalin, Mao, Pol Pot, Ulbricht usw. verantwortlich.
Man kann auch nicht Jesus oder die Verfasser der biblischen Texte für die Verbrechen der katholischen Kirche während der Inquisition und Kreuzzüge verantwortlich machen. Man kann auch nicht Mohammed oder die Verfasser des Korans dafür verantwortlich machen, wenn islamische Terroristen mit dem Flugzeug zur Arbeit erscheinen.
Eine strafbare Handlung kann durch Tun oder Unterlassen erfolgen, auch Aufrufe zur Gewalt wären hier zu nennen. Man kann aber keinen Autor dafür verantwortlich machen, wenn angeblich in seinem Namen, Morde begangen werden, die auch noch lange nach seinem Tod erfolgt sind.
Etwas weniger Hysterie und mehr Vernunft wäre also auch im Falle der Marxstatue angebracht.
Als Konservativer oder Libertärer (oder was auch immer), sollte man nicht den gleichen Reflexen verfallen, wie die Antifakinder.
Nicht umsonst heißt mein Credo:
"Wenn die Linken mich als Nazi, die Rechten mich als Linken/Kommunisten und die Libertären mich als Agent der Zentralbanken bezeichnen, dann weiß ich, dass ich richtig liege.“
Dass Marx aber auch Dinge gesagt bzw. geschrieben hat, an denen Konservative und Libertäre ihre Freude haben könnten, zeigt uns Stefan Blankerts in seinem Buch: Mit Marx gegen Marx – 1 x 11 Thesen, aus dem ich noch ein paar Zitate bringen möchte:
Stefan Blankertz glaubt nämlich, das viele der etatistischen Forderungen aus dem Kommunistischen Manifest auf Engels und nicht auf Marx zurückzuführen sind.
Hier also ein paar Beispiele, die auch Konservative und Libertäre unterschreiben könnten:
Marx zu der Lage der Bauern:
Bedrückung, Mühe und dem Elend, zu dem er unter dem Schein des angeblichen [sic] Eigentums verurteilt ist, [zu] retten« und »sein nominelles Eigentum an dem Boden in wirkliches [sic] Eigentum an den Früchten seiner Arbeit [zu] verwandeln« und »die Vorteile der modernen Agronomie, die von gesellschaftlichen Bedürfnissen diktiert werden und ihn jetzt täglich wie ein Feind bedrohen, mit der Erhaltung seiner Stellung als wirklich unabhängiger Produzent [zu] verbinden«.
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 930-934). Books on Demand. Kindle Edition.
Im Vergleich dazu Mises:
Ludwig von Mises: »Großgrundeigentum und Latifundienbesitz sind nirgends und niemals aus dem freien Verkehr hervorgegangen. Sie sind das Ergebnis militärischer und politischer Bestrebungen. Durch Gewalt begründet, konnten sie auch stets nur durch Gewalt aufrechterhalten werden. Sowie die Latifundien in den Tauschverkehr des Marktes einbezogen werden, fangen sie an abzubröckeln, bis sie sich schließlich ganz auflösen. Wirtschaftliche Gründe haben weder bei ihrer Entstehung noch bei ihrer Erhaltung mitgespielt.118 Die großen Latifundienvermögen sind nicht aus der wirtschaftlichen Überlegenheit des Großbesitzes entstanden, sondern durch gewaltsame Aneignung außerhalb des Tauschverkehrs.«
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 940-945). Books on Demand. Kindle Edition.
Marx zu den Steuern:
»Die Steuer ist die Lebensquelle der Bürokratie, der Armee, der Pfaffen und des Hofes, kurz, des ganzen Apparats der Exekutivgewalt. Starke Regierung und starke Steuer sind identisch.«
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 947-949). Books on Demand. Kindle Edition.
»Um den wirklich niedrigsten Level des Minimums [an Arbeitslohn] herbeizuführen, [trägt bei] [...] das Wachstum der Steuern und die größere Kostspieligkeit des Staatshaushalts, [...]. Das Wachstum der Steuern, um dies nebenbei zu bemerken, wird zum Ruin [!] der kleinen Bauern, Bürger und Handwerker.«
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 953-955). Books on Demand. Kindle Edition.
Ein durchsichtiges Steuersystem ist vorzuziehen, weil es zur Kontrolle und Begrenzung des Staates anregt: »Wenn man [...] zwischen zwei Steuersystemen zu wählen hat, empfehlen wir die völlige Abschaffung der indirekten Steuern und ihre allgemeine Ersetzung durch direkte Steuern; [...] weil indirekte Steuern dem einzelnen verbergen, was er dem Staat zahlt, während eine direkte Steuer unverhüllt und einfach ist und auch vom Ungebildetsten verstanden werden kann. Die direkte Steuer regt deshalb jeden [!] dazu an, die Regierung zu kontrollieren, während die indirekte Steuer jede Tendenz zur Selbstverwaltung zerstört.«
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 969-971). Books on Demand. Kindle Edition. *
Ja, Abbau des Staates ist revolutionär... »Das Volk brauchte nur [... eine Miliz ...] zu organisieren, um mit dem stehenden Heere Schluss zu machen; das ist die erste [sic] ökonomische conditio sine qua non für alle sozialen Verbesserungen, um diese Quelle von Steuern und Staatsschulden und diese ständige Gefahr der Regierungsusurpation durch die Klassenherrschaft – der regulären Klassenherrschaft oder der eines Abenteurers, der vorgibt, alle Klassen zu retten – sofort zu beseitigen.
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 988-992). Books on Demand. Kindle Edition.
Marx zum Geld:
»Die provisorische Regierung gab dagegen den Noten der Bank Zwangskurs. Sie tat mehr. Sie verwandelte alle Provinzialbanken in Zweiginstitute der Banque de France und ließ sie ihr Netz über ganz Frankreich
auswerfen. Sie versetzte ihr später die Staatswaldungen als Garantie für eine Anleihe, die sie bei ihr kontrahierte. So befestigte und erweiterte die Februarrevolution unmittelbar die Bankokratie, die sie stürzen sollte.«
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 1064-1066). Books on Demand. Kindle Edition.
»Das Geschäft der Münzung [fällt] dem Staat anheim«,klingt, als ob damit keine Interessen verbunden werden. Ebenso: »Staatspapiergeld [...] wächst unmittelbar aus der metallischen Zirkulation heraus. [...] Kreditgeld [besitzt] in der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel seine naturwüchsige Wurzel.«
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 1499-1502). Books on Demand. Kindle Edition.
Marx zum staatlichen Bildungszwang:
»Ganz verwerflich ist eine ›Volkserziehung durch den Staat‹. [...] Vielmehr sind Regierung und Kirche gleichmäßig von jedem Einfluss auf die Schule auszuschließen.«
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 1183-1185). Books on Demand. Kindle Edition.
Marx zum Kapitalismus:
»Das Resultat [!] der kapitalistischen Produktionsweise [ist es], die Produktivität der Arbeit fortwährend zu steigern [...] und daher den Preis der einzelnen Ware zu senken oder die Warenpreise überhaupt zu verwohlfeilern«.
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 1478-1480). Books on Demand. Kindle Edition.
Marx zum Lobbyismus:
»Durch Schutzzölle, Monopole, Staatszwang« verschaffen sich die Kapitalisten »höhere Preise« als solche »bei freiem Austausch«.
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 1524-1526). Books on Demand. Kindle Edition.
Marx zum Privateigentum an Produktionsmitteln:
»Das Privateigentum des Arbeiters an seinen Produktionsmitteln [sic] ist die Grundlage des Kleinbetriebs, der Kleinbetrieb eine notwendige Bedingung für die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion und der freien Individualität des Arbeiters selbst. Allerdings existiert diese Produktionsweise auch innerhalb der Sklaverei, Leibeigenschaft und andrer Abhängigkeitsverhältnisse. Aber sie blüht [sic] nur, schnellt nur ihre ganze Energie, erobert nur die adäquate klassische Form, wo der Arbeiter freier Privateigentümer seiner von ihm selbst gehandhabten Arbeitsbedingungen ist, der Bauer des Ackers, den er bestellt, der Handwerker des Instruments, worauf er als Virtuose spielt.«
Blankertz, Stefan. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen (German Edition) (Kindle Locations 1547-1552). Books on Demand. Kindle Edition.
Will man sich als libertär geneigter Mensch weiterbilden, ist Stefan Blankertz mit Sicherheit eine der besten Adressen, da er den Libertarismus/Anarchismus nicht als Religion und seine Vertreter/Wegbereiter wie Mises, Hayek, Rothbard und Hoppe nicht als Götter ansieht, denen man unreflektiert folgen muss und sich auch niemals zu schade ist über den Tellerrand hinauszuschauen. Schade, das ser immer seltener im Eigentümlich Frei – Magazin zu finden ist.
Bis bald,
Stephan Haller
Da haste Dir aber janz schön Arbeit jemacht. Danke!
Mir gehen die Diskussionen relativ am A. vorbei, man findet für alles bei jedem ein Zitat.
Am Besten hat mir daher Dein letzter Absatz gefallen. Denn es scheint, dass das menschliche Grundbedürfnis nach Religion unauslöschlich ist, auch bei jenen, die vorgeben, Vertreter der reinen Vernunft zu sein. Das Jakobinische ist es, was mich an vielen Libertären stört.
Der Leroy mal wieder. Ich glaube ich rahme mir den Spruch mal ein. Wobei der Spruch:
... mehr oder weniger universell einsetzbar ist.
Genau. Klassiker in unseren Breitengeraden: die richtige Ernährung.
Deshalb antworte ich meistens wenn’s um die Frage nach“Lagern“ geht: Um dem Lagerkoller so weit wie möglich zu entgehen, versuche ich beim ich zu bleiben. Dem Lager „ich“ kann ich nicht entgehen, wohin mich mein Weg auch führt. Viele versuchen es auch mit Auswandern. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber die meisten vergessen, dass sie sich selbst mitnehmen. Was für Egoisten, hahaha
Seh ich genauso.
Der typische Deutsche auf Mallorca? LoL
Danke!
Mich fordert es geradezu heraus.
Dazu ("Das Jakobinische ist es, was mich an vielen Libertären stört.")
https://ftn.media/libertarian-stalinism-thing
Kannst du das mit dem "jakobinischen" etwas erläutern? Ich verbinde damit terroristischen Furor, und solange Du Libertäre nicht angreifst, sollten sie eigtl nicht so reagieren.
Klar!
Wenn mich einer fragt, was ich bin, sag ich immer: NIX bzw. ICH. Ich hab nen Kopp, und den hat mir der Herrgott nicht zum Scheißen oder Nachplappern, sondern zum Denken gegeben.
Wenn ich gezwungen würde, mich in eine Schublade zwingen zu lassen - natürlich nur unter Androhung der Todesstrafe - würde ich sagen: freiheitlich, frei und ansonsten leck mich am Arsch.
Leider hab ich teilweise das Gefühl, dass der "Libertarismus" für die Leute, die verstanden haben, wie die Sachen nicht laufen sollten und trotzdem laufen, die Form einer Ersatzreligion angenommen hat. Die Wut über das erkannte Übel wandelt sich um in die neue Heilslehre, wo Abweichungen vom rechten Glauben (recht!!!) sanktioniert werden.
Auch wenn ich dem innerlich näher stehe als allem Anderen, ist es für mich dennoch ein theoretisches Denkgebäude.
So - weil Du es bist.
Ok. Ich halte mich für einen Menschen, der für Ideologien durchaus anfällig ist und ich finde, dass meine Neigung in der Ideologie, die besagt, dass ich die Menschen in Ruhe lassen soll, solange sie mich in Ruhe lassen, am wenigsten Schaden anrichten kann. Das Grundaxiom ist ja das Non Aggression Principle und mich kann es tlw. auch zur Weißglut bringen, wenn andere das nonchalant meinen aus utilitaristischen Gründen heraus ignorieren zu dürfen. Ich weiss, dass das oft extrem wirkt, aber ich finde die Ignoranz gegenüber den Grenzen anderer sehr viel extremistischer, nur dass sie völlig üblich ist und daher völlig normal wirkt.
Da bin ich 100 Prozent bei Dir.
Danke für diesen wirklich guten Beitrag zu dem Thema Marx. Man reibt sich manchmal schon ein wenig verwundert die Augen mit welcher Energie und Leidenschaft von einigen Seiten auf dem Marx eingedroschen ist, obwohl offenkundig die meisten nie selbst etwas von ihm gelesen haben.
Da macht es durchaus Freude, wenn Du da eben differenziert an die Sache heran gehst. Tatsächlich muss man eben Texte immer auch in ihren historischen Bezug verstehen. Das heißt keineswegs, dass man ihnen dadurch zustimmen muss. Im Gegenteil eine aktive Erinnerungskultur bedeutet eben auch sich kritisch mit der Vergangenheit zu befassen und dann kommen bei so mancher vermeidlicher Lichtgestalt auch eben sehr negative Aspekte zu tage.
Das Marx aber eben für einige für sozialistische Greultaten steht, ist wirklich ein wenig sehr verstörend. Wie Du es bereits tust, sollte man dort auch wirklich die wahren Täter beim Namen nennen.
Eben. Vor allem, wenn man die Greultaten Marx zuschreibt entlastet man indirekt die wahren Täter und das sind nun mal Lenin, Stalin, Mao & Co.
Die vergisst doch niemand. Aber die Marx Apologeten rechtfertigen ja jeden neuen Versuch, den Marx'schen Murx umzusetzen damit, dass Lenin, Stalin, Mao, Chavez, Maduro etc Marx einfach nur nicht richtig verstanden hätten.
Was ist damit (i.S. Gewalt):
"Es gibt nur ein Mittel, die mörderischen Todeswehen der alten Gesellschaft, die blutigen Geburtswehen der neuen Gesellschaft abzukürzen, zu vereinfachen, zu konzentrieren, nur ein Mittel - den revolutionären Terrorismus!" Karl Marx (Marx-Engels-Werke Band 5, S. 457).
I.S. Gewalt finde ich seine Klassenkampf-Parolen übrigens noch schlimmer. Wie Mises ja auch anmerkte, hat er diese Klassen nie wirklich definiert, aber für Teile und Herrsche Rhetorik missbraucht und Leute gegeneinander aufgehetzt, was bis heute weitergeht. Da gehört schon sehr viel guter Wille dazu, ihn davon freiszusprechen, finde ich.
Das muss man aber im historischen Kontext sehen.
Hier ist der ganze Abschnitt nachzulesen:
http://www.mlwerke.de/me/me05/me05_455.htm
Man darf nicht vergessen, das Marx das geschrieben hat, nachdem die Monarchien in Europa die Aufstände in ihren Reichen zum Teil sehr blutig niedergeschlagen haben.
Ich finde nicht, dass man Marx für die 100-150 Millionen Toten des Kommunismus verantwortlich machen kann. Die 100-150 Millionen Opfer des Kommunismus waren ja meist einfache Bürger/Bauern wie z.B. Holdomor. Also eigentlich seine Zielgruppe. Er selbst hat niemanden umgebracht.
Was seine Nachfolger aus seinen Werken gemacht haben liegt alleine in ihrer Verantwortung.
Um das Gesamtbild zu verstehen müsste man sowohl Marx als auch Mises komplett studieren. Dazu noch Bakunin, Feuerbach, Hegel, Böhm-Bawerk, Menger und die europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts.
Für einen Einzelnen im Selbststudium kaum zu schaffen.
Ich verlasse mich deshalb auf die Schriften von Blankertz. Er ist meines Wissens der einzige zeitgenössische Libertäre, der sich auch eingehend mit Marx beschäftigt hat.
Das mit dem historischen Kontext finde ich wenig überzeugend. Er redet ja nicht von Selbstverteidigung, sondern hetzt gegen die Bourgeoisie und ruft zum Terror auf.
Beim Thema Verantwortung gibt es ja aus meiner Sicht Graustufen. Natürlich trägt er nicht dieselbe Verantwortung wie ein Lenin, aber mehr als ein Jesus für die Kreuzzüge - oder z.B. Marx Lehrer Hegel.
Der Kollektivismus, der aus seinen willkürlich konstruierten Klassen spricht, ist ja gerade deswegen so verheerend, weil er Menschen in gute und böse Gruppen aufteilt und als Feindbilder etabliert. Mir fehlt die Phantasie um mir vorzustellen, dass er sich des Sprengstoffes dieser demagogischen Teile und Herrsche Rhetorik nicht bewusst war.
Blankertz zu lesen ist für mich, der ich ihn eigentlich sehr schätze, sehr anstrengend, aber aus "Mit Marx gegen Marx" ziehe ich vor allem die Aussage, dass er nicht so ein Etatist war, wie seine Anhänger behaupten. Ich kann mich nicht erinnern, dass Blankertz diese Klassen-Aufteilung verteidigt hat.
Deshalb auch der Artikel. Der Etatist war Engels.
Blankertz sieht Marx als Anarchisten.
Blankertz verteidigt nicht die Klassentheorie von Marx, entwickelt aber in seinem libertären Manifest eine neue Klassentheorie, die der Staatsprofiteure und die der vom Staat und seiner Profiteure ausgebeuteten. Blankertz schreibt auch, dass sich Marx nicht gegen den Kapitalismus wie wir ihn verstehen (also Vertragsfreiheit und freie Marktwirtschaft) gewendet hat, sondern dass das was Marx unter Kapitalismus verstanden hat, das ist was wir heute Korporatismus nennen.
Ich bin ja auch kein Anhänger von Marx, mich regt nur dieses schwarz/weiß Denken aller politischer Strömungen auf.
Warum sucht man nicht nach Gemeinsamkeiten und die gibt es, wie ich mit den Zitaten von Blankertz gezeigt habe.
Leider entwickelt sich auch das EF-Magazin immer weiter weg von Leuten wie Blankertz und immer mehr hin Richtung Compact Magazin.
Verkauft sich wahrscheinlich besser.
Ich bin ja ganz bei Dir, ausser dass ich die Verantwortung von Marx für die Millionen Toten bei grösser Null sehe.
Kann ich verstehen.
Blankertz sagt auch, dass man als Autor dafür Sorge zu tragen hat, dass seine Werke nicht missbraucht werden können.
Nachdem was wir im 20. Jahrhundert alles erlebt haben, wären wir natürlich heute vorsichtiger, mit dem was wir schreiben.
Ich finde es aber immer schwierig jemanden eine Verantwortung für Dinge zu geben, die lange nach seinem Tod passiert sind.
Danke für diese differenzierte Darstellung-ich müsste nun eigentlich länger antworten-war zuviel über Marx zulesen zuletzt, hab irgenwie keine Lust dazu.
Ich stimme @gammastern zu.
Blankerzt hab ich auch gelesen, Problem ist immer, das wir untereinander viel über Marx diskutieren, mit Antifanten oder sehr Linken und Sozialisten dagegen brauchts Du nicht diskutieren, da zwecklos.
Die Persönlichkeit von Marx in Betrachtung seines persönlichen Lebens bleibt er mir aber auch einfach unsympathisch!
full-upvote und re-steem für Deinen klugen Artikel!
Vielen Dank lieber @balte.
Marx muss wohl ein richtiges Arschloch gewesen sein, was man so hört.
Die große Schwierigkeit ist ja, dass man sowohl Marx, Bakunin, als auch Mises, Rothbard, usw. gelesen und verstanden haben muss. Sowas dauert im Eigenstudium Jahrzehnte. Die wenigsten können das leisten. Blankertz hat ja auch erst relativ spät mit Marx angefangen.
Ich habe gleich mit Marx gestartet, die Bücher gabs damals nach der Wende günstig, Mises usw. kannte damals kaum einer und außerdem war links sein cool.
Sein privates Leben und seine Einstellung dazu sind mir als Familienvater auch sehr unsympathisch. Auch seine Werke konnten mich auf Grund der vielen Widersprüchlichkeiten nicht überzeugen. Das seine Kinder teilweise hungerleiden mussten ist seinem Charakter zuzuschreiben. Freilich bieten seine Schriften für bestimmte Menschen Anreiz aus, diese zu ihren Gunsten zu missbrauchen. Das passiert bei den libertären Schriften aber auch, denn auch dort gibt es genug Ansatz zum Missbrauch.
Das kann ich als Familienvater auch nachvollziehen. Das Versagen als Familienvater teilt er sich aber mit diversen bekannten Persönlichkeiten. Angeblich war Einstein, so genial er als Wissenschaftler war, als Vater eher ein Versager. Nikola Tesla z.B. war mehr oder weniger völlig bindungsunfähig
Ich vermute mal, dass es auch nicht anders geht. Wer in seiner eigenen Welt lebt (und das tun viele kreative Menschen) und sich völlig "der Sache" verschreibt, der versagt häufig in alltäglichen Sachen.
Damit entlastest du aber die preußische Diktatur, die ihn ins Exil gezwungen hat. Seine Familie musste nicht Hunger leiden müssen als er noch in Köln als Zeitungsherausgeber tätig war.
Lieber @vladimir-simovic, danke für deine Kommentare.
Einstein und Tesla würde man wahrscheinlich heute als Autisten bezeichnen.
Wahrscheinlich kann man, wenn man einen IQ hat der so extrem weit über dem der Norm liegt, mit "normalen" Menschen kaum was anfangen.
Bei Marx bin ich relativ unschlüssig.
Sein privates Leben ist ein großes Minus.
Um ihn wirklich zu verstehen bräuchte man einen Lehrer, der Marxismus studiert hat, aber auch die Schriften von Bakunin, Mises usw.
Im Selbststudium in Marx wohl einer der schwierigsten.
Blankertz hat Marx ja auch sehr spät entdeckt.
Die meisten Libertären werden sich wegen ideologischer Scheuklappen sowieso weigern in zu lesen. Vor allem die Amis.
"Das passiert bei den libertären Schriften aber auch, denn auch dort gibt es genug Ansatz zum Missbrauch."
Da muss ich an Rothbard denken und seine Ausführungen zu Kinderrechten. An einer Stelle hat er da mal Hillary Rodham (würde meinen, ja, dieselbige jetzige Clinton) zitiert.
Sehr gut, und ich sage das als Freiheitlicher. Vernunft und differenzierte Betrachtungen sollten immer gern gesehen sein. Ja, Blankertz Buch habe ich nicht geselen, aber schon Auszüge daraus und fand die Idee sehr interessant.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich mal ein Video von der School of Life posten, welche mir auch etwas mehr Verständnis für Marx' Ansichten eingebracht hat.
Danke, ich werde mir das Video anschauen.
Sehr interessant das mal so zu Lesen, vielen Dank dass du dir die Mühe gemacht hast dich ein bisschen intensiver mit Karl Marx auseinander zu setzen.
Natürlich hat Karl Marx nicht direkt zu dazu aufgerufen 100 Millionen der eigenen Leute umzubringen, im Gegensatz zu Jesus, hat er es aber auch nie verboten.
Apropos Jesus, was hätte er wohl zum Erbe von Karl Marx gesagt? Vielleicht: Hütet euch vor den falschen Propheten; sie kommen zu euch in Schafskleidern, im Inneren aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Erntet man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen?
[Mt 7,15-16]
Eine andere Perspektive auf Karl Marx:
Über seine Biografie:
Danke, die Videos kenne ich schon.
Stefan Molyneux schaue ich aber kaum mehr.
Er ist mir zu ideologisch geworden und trägt leider mittlerweile Scheuklappen.
Mich stört, dass er Trump so bedingungslos hinterherrennt.
Danke für Deine Antwort. :-) Vorab sei erwähnt, Stefan Molyneux hat Trump kürzlich recht scharf kritisiert.
Mir ging es aber auch nicht um Ihn, sondern um die Argument die er bezüglich Marx und Marxismus vorbringt. Damit kann man sich ja sachlich und ganz unideologisch auseinandersetzen.
Ich denke in einer „Freien Gesellschaft“ brauchst Du dir keine Sorgen zu machen, dass Du dort als Lehrer nicht dein Auskommen generieren könntest. Denn wenn das deine Sorge währe oder sein könnte, ist diese aber sowas von „unbegründet“.
Deine Kindle Version hier als Ansicht:
Es ist nunmal so, dass die größten Schreihälse nur schreien wie die Schafe blöken. Und den Schafen nützt es nichts wenn man ihnen die Redefreiheit verkürzt, sie blöken weiter. (Max Stirner ist einfach geil)
Die wenigsten haben Marx überhaupt gelesen. Ihn für die Massenmorde verantwortlich zu machen, ist das dümmste was man überhaupt anstellen kann. Machtgeile Menschen haben schon immer Schriften „fragmentiert“ um Ihren Wahn den dummen Schafen glaubhaft zu machen. So arbeitet der Journalismus auch, indem man zu seinen Gunsten „fragmentiert“. Auch Kant wird immer wieder in Fragmenten missbraucht ohne das Gesamtbild zu vermitteln, Kant war so was von Anarchist (im wahrsten Sinne des Anarchismus, wenn dieser überhaupt noch so benannt werden darf).
Klasse Arbeit. Deine Kinder können von Glück reden, solch einen Lehrer als Vater zu haben.
Vielen Dank!
Kant kenne ich auch viel zu wenig.
Das bisschen was wir in der Schule und im Studium gelernt haben, reicht sicherlich nicht aus.
Man braucht leider Jahrzehnte um die wichtigsten Denker zu studieren.
Die Stufe der Erkenntnis erreicht man dann (wenn überhaupt) erst kurz vor dem eigenen Tod.
Da aber meine Eltern mir hier überhaupt nichts mitgeben konnten (die hatten gar keine Zeit zum Lesen), dauert es bei mir natürlich besonders lang, dafür kann ich aber vieles meiner Tochter weitergeben und sie braucht nicht bei Null anfangen.
Kant ist ein guter Gesprächspartner (also gedanklich) wenn man ihn in manchen Bereichen nicht umfänglich begreift, hilft Max Stirner weiter. Kant war zu seiner Zeit sehr radikal. Daher wundert es mich, dass man in der staatsnahen Juristerei Kant bemüht. Denn Kant traute der Obrigkeit (ob Kirche oder Staat) nicht über den Weg. Diese Bereiche werden natürlich in staatlichen Zwangs-Schulen und Unis nicht gelehrt, würde ich als Verfechter von Schulzwang wohl auch nicht lehren. Und wenn ich Marx studiere und das Heil der Menschen, natürlich unter meiner Führung, würde ich ihn auch nach meinen Vorstellungen interpretieren. Hitler wollte auch ein „Vereinigtes Europa“ halt unter seiner Führung, daher wurde viel aus dieser Denkrichtung in unser Heute übernommen.
Die Anarchie und ihre Denker aus den zwei Strömungen „Wir“ und „Ich“ wurden und werden alle mißbraucht. Und das Wort Anarchie (Abwesenheit von Herrschaft) auf den Kopf gestellt. Wenn du heute mit den selbsternannten Eliten aus Wirtschaft, Politik, Recht, Soziologie Gespräche führst und ihnen die Denker beider Strömungen der Anarchie unter die Nase reibst, werden alle, durch die Bank weg, das Stottern beginnen. Denn Sie haben alle aus diesen Strömungen der Anarchie abgeschrieben und nur nach Herrschaftsmaßstab angepasst. Jedem Dr. oder Prof. der Geisteswissenschaften kann man einen Plagiats-Vorwurf unter die Nase reiben.
Stimmt, Professor Schachtschneider ist auch ein großer Kant-Fan.
Max Stirner kannte ich gar nicht.
Da gibts aber bei AMZN kostenlose Bücher zum download.
Mein Bücherstapel wird immer größer...
Max Stirner stand zu seiner Zeit sogar Kurz auf dem Index. Stirner war ein Spiegel. Als Ergänzung und Einstieg zu Kant empfehle ich die Studienausgabe:
Schachtschneider ist tatsächlich ein Kant-Fan, aber ich traue ihm keinen Millimeter über den Weg.
Aber er war im Januar beim 20igjährigen von ef in Usedom und ich hatte Gelegenheit mich mit ihm auch mal länger, als im einfachen e-Mailverkehr, zu unterhalten. Und es war schön festzustellen, dass wir uns nicht in allen Punkten einig sind. Dass hat auch er so empfunden und genau darauf konnten wir auch öfters, mit einem geistes-verwirrenden Getränk, anstoßen. Das ist das schöne an manchen Veranstaltungen der (ich nenne sie) Freidenker. Die meisten sind immer der Auffassung, dass die Freidenker sich alle einig sind. Dass ist eben nicht so, sonst wären sie keine Freidenker. Nur läuft es meistens (natürlich nicht immer) auf einem vertretbaren Niveau ab.
Das Marxdenkmal in Leipzig, hatte ich mein Leben lang übersehen und bin nun besser informiert.
Eher so eine Art Sozialismusprotzkunst, wie sie damals an jeder Ecke hing. Alles platt gewalzt. Unikirche gesprengt, für die "wunderschöne" Neugestaltung des Ausgustusplatzes. Chemnitz? Kenn ich nicht. Nur Gaarllmarxschdtadd.
Jemand der so viel über Geld schreibt, ohne welches zu besitzen...Mir ist das aber ein zu dicker Wälzer. Guter Beitrag.