Tipps zur Selbstverteidigung III: Pfefferspray

in #deutsch6 years ago (edited)

Liebe Steemianer,
einige Fakten zum Einsatz von Pfefferspray, das als Verteidigungswaffe in vielen Fällen sehr nützlich und effektiv ist - wenn man es richtig macht!

Welcher Spray?


Die in Ö/D/CH (für Privatpersonen) erhältlichen Produkte enthalten meist OC (oleoresin capsicum). OC ist ein natürliches, ungiftiges Pflanzenextrakt (also voll bio😊). Es wird aus Chilis gewonnen und hat keinen Pfeffer, der Name Pfefferspray ist also eigentlich falsch.
Ab 18 (in D ab 14) dürfen Pfeffersprays auch geführt werden (in D nur zur "Tierabwehr"). In D dürfen Sprays bei Versammlungen nicht geführt werden! Ein Einsatz in Notwehr ist zulässig, wenn die Bedingungen des Notwehrrechts erfüllt sind (dazu demnächst mehr).

Es gibt grundsätzlich 3 verschiedene Spraytypen: Sprühstrahl (ballistic), Nebel (cone) und Gel (Schaum/foam)

  1. Strahl:
    Der Klassiker, ein gerader Strahl, der nicht zu weit auffächert.
    +: relativ große Reichweite
    +: weniger anfällig gegen Wind
    -: man muss dabei besser zielen
    sprühstahl.jpg
    Quelle

  2. Nebel:
    Ich erwähne ihn nur der Vollständigkeit halber. Aufgrund der Windanfälligkeit halte ich ihn für NICHT empfehlenswert.
    +: Der Wirkstoff verteilt sich über einen größeren Bereich
    -: Dadurch ist aber die Gefahr einer Selbstkontamination um einiges größer!
    -: geringere Reichweite
    cone.jpg
    Quelle

  3. Gel:
    Ist ähnlich wie Rasierschaum, d.h. "feste" Partikel werden hier verteilt, wodurch die Windanfälligkeit geringer ist.
    +: Am unempfindlichsten gegen Wind
    -: Wirkung ist eventuell nicht sofort wie bei einer Flüssigkeit sondern kann verzögert einsetzen
    -: Man sollte den Spray vor Gebrauch schütteln, sonst kommt nur Treibgas raus - ein ziemliches Manko im Notfall unter Stress

gel.png
Quelle

Daneben gibt es noch andere Konzepte in Richtung Pfefferpistole wie z.B. Guardian Angel 2, die aber um etliches teurer sind und in der Handhabung nicht unbedingt einfacher.

Auf Pistolenimitate mit Reizstoffpatronen (z.B. die P99 P.A.K.) gehe ich hier gar nicht ein, da ich es im Ernstfall für zu gefährlich halte, eine Waffe zu ziehen, die nur den Anschein einer scharfen Waffe hat. Die Gegenreaktion könnte das Zücken einer echten sein (etwa vom Kumpel des Angreifers) - ist heutzutage ja nicht mehr so ungewöhnlich, wo Personen (und illegale Waffen) freier denn je über die Grenzen wandern.

Hat man sich also über die Art des Sprays entschieden (ich bleibe beim klassischen Strahl), gibt es immer noch viele Produkte, ich habe hier 3 Beispiele abgebildet:
pfeff.jpg
von links nach rechts:

GYD Bodyguard Orginal K.O 40ml:
Am günstigsten (<5€), Reichweite ist mit 2-3m angegeben und er ist klein und handlich, hat allerdings keine Federdeckelsicherung.

First Defense Pfefferspray MK-6 28 ml
Kosten ca. 25€, Reichweite "bis zu 6m", wird (angeblich) auch von Einsatzkräften benutzt, hat einen abnehmbaren Gürtelclip, der Druckbehälter hat eine stabile Plasikhülle mit Griffmulden vorne und eine Federdeckelsicherung, die eine Orientierung im Dunkeln bzw. ohne hinzuschauen erleichtert (man kommt mit dem Daumen nur von einer Seite rein, dadurch weiß man automatisch, wo vorne ist)

ABUS Abwehrspray SDS80 45ml
Kosten und Größe ähnlich wie der MK-6, Reichweite ca. 5m, kein Gürtelclip, das besondere bei dem ist, dass er auch funktioniert wenn man ihn nicht vertikal hält, sondern in allen Positionen, da das Treibgas von allen Seiten auf den Wirkstoff drückt, der in einer Blase ist. Alle anderen Produkte haben ein Tauchrohr, das erfordert, den Sprühkopf oben zu halten (kann z.B. im Liegen schwierig sein). Ausserdem wird hier ein Trainingsspray (in blau) mitgeliefert, das Wasser enthält, aber ansonsten das gleiche Sprühverhalten simuliert.

Welcher für einen der Geeignetste ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Für manche ist der Clip superpraktisch, andere brauchen ihn gar nicht, die einen wollen eher einen möglichst kleinen, die anderen einen stabilen, der sich zur Not auch, falls leer, als Schlagwaffe gebrauchen lässt. Es gibt auch Produkte mit Handschlaufe für Jogger (Modell "Runner", die den Spray so die ganze Zeit in der Hand halten können.
Wieviel OC in jedem drin ist, wird zum Teil vom Hersteller nicht genau angegeben, aber alle im Handel befindlichen sollten ausreichen, um einen Gegner sofort kampfunfähig zu machen. Gegen Horden von Angreifern wird auch der beste Spray nicht reichen (da hat man im Vorfeld was falsch gemacht, in dem man sich am falschen Ort befindet).

Zur Wirkung: Hier eine typische Schilderung:

...als er mich damit im Gesicht erwischte musste ich sofort meine Hände zum Gesicht geben und habe verzweifelt versucht dass das brennen aufhört, nur ohne Erfolg, Man ist sofort handlungs- und kampfunfähig so dass sogar ein kleines Kind in der Lage wäre einen KO zu schlagen.
Das Pfeffermittel legt sich nämlich nicht nur auf die Haut sondern auch auf andere Schleimhäute sprich Mund und Nase. Je mehr man sich bewegt oder umherirrt desto weniger Luft bleibt einen zum Atmen da sich der ganze Atemweg (Nase + Mund) total zu macht und anschwillt, erst sobald man am Boden liegt oder sich hingesetzt hat klappt das mit dem Atmen auch wieder aber mit dem sehn eher nicht :D
Die kompleten Symptome sind erst nach ca. 2 Stunden unter ständigem Gesichtswaschen wieder verschwunden. Also wenn man nicht bald einen Wasserhahn zu greifen bekommt, für den wirds richtig unangenehm. Quelle

CAVE: In Fällen von Narkotisierung/Drogeneinfluss (beim Gegner) kann die Wirkung auch ausbleiben. Daher sich nie zu 100% darauf verlassen und immer einen Plan B parat haben (z.B. Distanz schaffen, weglaufen, falls keine andere Möglichkeit besteht)

Vorbereitung

  • Darauf achten, dass der Pfefferspray nicht abgelaufen ist (das Ablaufdatum ist meist am Deckelboden angegeben, ein Jahr "drüber" sollte allerdings noch kein Problem sein!). Man sollte auch einmal benutzte Sprays wegwerfen und sich einen neuen kaufen, da das Treibgas nach einer ersten Benutzung mit der Zeit unbemerkt ausläuft. Es nützt nichts, wenn noch Inhalt drin ist, dieser aber nicht effektiv verteilt werden kann.
    Das heisst, jeder Pfefferspray ist nur für den Einmalgebrauch geeignet!

  • Üben: Idealerweise mit einem Trainingsspray oder einem lange abgelaufenen Spray (VORSICHT! Der wird immer noch eine ordentliche Wirkung haben!) im Freien das Sprühverhalten, auch bei Wind testen. Auch das schnelle Ziehen und Ausrichten auf den Gegner muss geübt werden (am besten mit einem Freund, der laut schreiend auf Dich zuläuft, um so einen gewissen Stress zu simulieren). Auch sollte der Spray immer an der gleichen Stelle aufbewahrt sein (Achtung: Behälter steht unter Druck, Spray nicht im Auto liegen lassen bzw. der Sonne aussetzen!).

  • Wenn man weiß, dass es gefährlich werden könnte (z.B. in eine dunkle Garage gehen), dann am besten den Spray schon in der Hand halten, mit der Hand in der Hosentasche und mit dem Daumen auf dem Knopf. Es reicht nicht, ihn nur eingesteckt zu haben, da man die Zeit, ihn zu nehmen und auf die richtige Seite auszurichten, eventuell nicht hat. Wenn man keine Hosentasche hat, sondern etwa eine Handtasche, den Spray genauso bereits in der Hand halten und die Hand einfach in der Tasche lassen (schaut bescheuert aus, aber was solls).

  • Auf den Wind achten, speziell wenn ein starker Wind geht (könnte sich ein Gegner genau aus der Windrichtung nähern?)

Wie sprühen?

  • Man sprüht mit dem Daumen auf dem Sprühknopf, nicht mit dem Zeigefinger, wie man es oft falsch sieht! Warum? Erstens weil man den Spray nur so sicher in der geschlossenen Faust hält und er dadurch weniger leicht entwendet werden kann (siehe erste 3 Bilder) und weil der Daumen mit dem Unterarm eine Achse bildet und man so besser zielen kann.

  • Zuerst einen kurzen Stoss, um zu checken, ob die Richtung stimmt, dann gegebenenfalls korrigieren und drücken und draufhalten! Klotzen nicht kleckern ist angesagt. Solange, bis eine Wirkung eintritt.

  • NUR falls es die Distanz erlaubt (d.h. wenn der Gegner weit genug weg ist), mit ausgestecktem Arm zielen und den zweiten Arm zur Stabilisierung nehmen (die Frau im ersten Bild macht es richtig!)

  • Falls der Gegner schon zu nahe ist (<2m) und die Gefahr besteht, dass der Gegner den Spray packt oder den Arm wegschlägt, ist es besser, den Spray dicht am Körper zu halten und die andere Hand ausgestreckt zu halten. Es macht nichts wenn Du Deine eigene Hand triffst, Hauptsache der Gegner bekommt das meiste ab und der Spray kann nicht weggenommen werden. Gleichzeitig sollte man sich kontrolliert rückwärts bewegen. In diesem Video sieht man eine perfekte Anwendung:


Danach

  • Wenn man selbst was abbekommen hat: mit viiiel Wasser spülen (vor allem Augen und Schleimhäute), Hände und Haut mit Wasser und Seife reinigen, Frischluftzufuhr, benetzte Kleidung entfernen.

  • Um nicht wegen unterlassener Hilfeleistung dranzukommen, am besten Selbstanzeige bei der Polizei erstatten und den Pfeffersprayeinsatz melden. Die Polizei kümmert sich dann schon um den verletzen Angreifer.

Ich hoffe, das waren nützliche Infos, und dass Ihr (falls Ihr einen Pfefferspray habt oder Euch einen besorgt) ihn nie im Ernstfall benutzen müsst!

Bisherige Beiträge zum Thema Selbstverteidigung:
Teil 1: Aufmerksamkeit und mindset
Teil 2: Krav Maga Prinzipien

Sort:  

Mega cool, dass du auf das Thema aufmerksam machst und auch noch so eine verständliche Anleitung schreibst. Vor allem die praktischen Tipps zur Nutzung und zum Zielen haben mir gefallen!

Danke!

Vielleicht sollte man sich noch bewusst darüber sein, dass es in manchen Ländern verboten ist Pfefferspray (oder Chilispray =)) mit sich zu führen. Mir ist as egal, wenn ich mich verteidigen muss, möchte ich es auch gerne können, ob das Gesetz das nun erlaubt oder nicht...

Man bekommt auch hier in Deutschland am Flughafenzoll Ärger. Und das zu Recht.

Danke.
Ja, in Öst. und D, auch in der Schweiz darf man sie zum Glück (noch) führen, in etlichen anderen Ländern gelten sie als verbotene Waffe. Zumindest in Griechenland weiss ich aber, wie sehr sich die Bürger an die Gesetze halten, vor allem wenn sie so schwachsinnig sind wie ein Verbot von Pfefferspray.

Hi stayoutofherz,

Du solltest vielleicht für das danach noch eine andere Option anbieten ;-)

"Um nicht wegen unterlassener Hilfeleistung dranzukommen, am besten Selbstanzeige bei der Polizei erstatten und den Pfeffersprayeinsatz melden. Die Polizei kümmert sich dann schon um den verletzen Angreifer."

Und zwar sich ganz schnell verdrücken. Ich weiss nicht, wie die Richter in Österreich drauf sind, aber in Deutschland werden immer schneller die vorherigen Opfer zum Täter gemacht. Ist bei Schlägereien genauso. Da ist eine Selbstanzeige das Dümmste, was man machen kann. Speziell wenn man mehrere mit Reizgas oder per Kampfsport ausgeschaltet hat...

Danke, ganz wichtiger Punkt. Ich gehe davon aus, dass der OC-Spray Einsatz gerechtfertigt war im Sinnne des Notwehrrechts, dann sollte man in einem Rechtsstaat nichts zu befürchten haben. Natürlich kommt es drauf an, wie man sich dann vor Gericht anstellt und ob man einen guten Anwalt hat, ich wollte mich nicht wiederholen zu meinem vorigen post unter "hit and run". Wenn keine Zeugen und keine Videoüberwachung (aber kannst Du da sicher sein?), dann ist das, was Du sagst, natürlich eine Alternative. Und natürlich werden in den Medien Fälle, wo sich aktive Selbstverteidigung GEGEN das Opfer richtet ausgeschlachtet, um die Leute nicht zu solchen Handlungen zu ermutigen. Fälle, wo Leute nach OC-Spray Verwendung straffrei ausgehen, sind keine Schlagzeile wert. Hätte keine gute Wirkung im Sinne der Volksverdummung und -entmündigung.

Ein sehr wissenswerter Artikel! Top! Meeeensch, da hast du eine bessere Beratung auf Lager, als mein Jorge im Waffenladen. Top!

Kann ich nicht oft genug wiederholen: top! Upvote, Resteem, Follow, alles ausgelöst!

Weiter so und viel Erfolg damit, wünsche ich!

Ein sehr interessanter und informativer Artikel, den du sehr detailliert und ausführlich geschrieben hast. Dabei leicht verständlich und eigentlich für Jedermann nachvollziehbar. Und immer gut zu wissen was man in gewissen Notfällen einsetzen darf. Ich bedanke mich für deinen Artikel er hat mich doch ein bissl schlauer gemacht. Einen schönen Abend noch.

Gerne, freut mich!

Auf Pistolenimitate mit Reizstoffpatronen (z.B. die P99 P.A.K.) gehe ich hier gar nicht ein, da ich es im Ernstfall für zu gefährlich halte, eine Waffe zu ziehen, die nur den Anschein einer scharfen Waffe hat. Die Gegenreaktion könnte das Zücken einer echten sein (etwa vom Kumpel des Angreifers)

Dazu habe ich eine kontroverse Meinung.

Der Kumpel des Angreifers läßt sein Messer oder seine scharfe Schußwaffe stecken und schaut zu, wie ich mein Pfefferspray benutze?
Daran glaube ich nicht. Waffen, die Agressoren mit sich führen, benutzen sie auch im Moment einer Gegenwehr (oder eben nicht, s. unten).

Als Opfer habe ich zwei Möglichkeiten, wenn alle Deeskalationswege versagt haben:

  • vollständige Unterwerfung und Aufgabe, in den meisten Fällen der Wertsachen.
  • maximale Gegenwehr mit allem, was vorhanden ist. Je heftiger diese ausfällt, desto größer die Option, daß der Angreifer überrascht abläßt.

Irgendwas dazwischen ist halbseiden und bringt nichts.

Nicht mißverstehen: ich propagiere kein Führen einer PAK Waffe, das soll jeder für sich abwägen und entscheiden. Ich glaube nur nicht an den Effekt "nur dann zieht der andere eine echte Schußwaffe".

Wenn ich mich zur Gegenwehr entscheide, dann ohne Vorwarnung, schnell und kompromisslos. Verbale Drohungen oder unbeholfenes Herumfingern mit irgendwas ist der falsche Weg.
Dieses gilt es mental und beim Handling zu trainieren, egal mit welcher Gerätschaft.

Danke, ja dazu gibt es ganz verschiedene Meinungen. Insgesamt erscheint mir das Risiko, mit einem P99-Imitat herumzulaufen größer zu sein für das bisschen mehr an Zielsicherheit (oder gehts um den Showeffekt, wenn Du die Waffe ziehst?), aber eine Diskussion darüber würde den Rahmen sprengen.

Wohlbedachter fallweiser Einsatz und durchaus Effektivität, kein Showeffekt (s. oben, nur "Benutzen", nicht "Posen"), und den Rahmen sprengt's auch.

Klasse Tipps.
Vielen Dank dafür.
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