Zitate 067 - Jordan Peterson - neues Interview mit CliffCentral 1/4

in #deutsch6 years ago (edited)

28. März 2018

Übersicht über alle Teile:
Teil 1/4 - Junge Erwachsene, Universitäten, die linke Seite des politischen Spektrums und Ungleichheit
Teil 2/4 - Der gescheiterte Marxismus, Familien, die westliche Gesellschaft als Tyrannei
Teil 3/4 - Meinungsfreiheit, Sprache, die Schwierigkeiten im Leben, die Wahrheit und ihre Bedeutung
Teil 4/4 - Die Macht der Sprache, Politik in Kanada und Südafrika, die Welt aktuell

Einleitung


Der sehr bekannte Professor für klinische Psychologie aus Kanada, Jordan Peterson, war bereits in vielen Gesprächsformaten auf Videoplattformen zu Gast. Nur das wenigste des von ihm artikulierte Gedankengut wurde bisher in die deutsche Sprache übersetzt. Weil ich den Inhalt für sehr wichtig halte, werde ich in den nächsten Tagen wieder einmal ein Gespräch mit Jordan Peterson übersetzen. Dieses erschien im Format Gareth's Guests bei CliffCentral South Africa [1]. Bei YouTube wurde das Gespräch auf dem Kanal Dose of Truth veröffentlicht [2]. CliffCentral ist eine private Online-Radiostation, die von Gareth Cliff Rhydal (geboren 1977) [3] 2014 gegründet wurde. Er war auch davor schon eine in Südafrika aus TV und Radio bekannte Persönlichkeit.

Im Gespräch ging es generell um Wahrhaftigkeit, Petersons neue Buch 12 Rules for Life - An Antidote to Chaos (12 Regeln für das Leben - Ein Mittel gegen Chaos) [4], von dem es in absehbarer Zeit trotz überwältigendem Erfolg keine deutsche Version geben wird und zuletzt noch um die aktuelle Politik in Südafrika und Kanada, auch um den kanadischen Präsidenten Justin Trudeau, den ich äusserst skeptisch sehe. Wegen des Umfangs von mehr als 50 Minuten erscheint es mir vernünftig, daraus vier oder fünf Teile zu machen. Wie gewohnt, sind sowohl das englische Original, als auch die deutsche Übersetzung enthalten.

Einige Aussagen sind in ähnlicher Form sicherlich schon bekannt, da es nicht das erste Mal ist, dass ich ein Interview mit Herrn Peterson übersetze. Das Wort Nihilismus kommt über gerade im ersten Teil oft vor. Da ich eigentlich nur ungern nicht deutsche Worte in Übersetzungen verwende, habe ich mich auf die Suche nach geeigneten Synonymen gemacht und bei Lebensverachtung und zersetzender Geisteshaltung gelandet. Da ich mit keinem Ausdruck wirklich zufrieden war, habe ich mich entschieden, beim Fremdwort Nihilismus zu bleiben.


Teil 1/4 - Junge Erwachsene, Universitäten, die linke Seite des politischen Spektrums und Ungleichheit


(0:00-12:47)

(0:01) - Gareth Cliff:

Dr. Jordan Peterson. Congratulations on your book 12 Rules for Life - An Antidote to Chaos and welcome to CliffCentral.com, not for the first time.

Dr. Jordan Peterson. Zunächst möchte ich Ihnen zu Ihrem neuen Buch 12 Rules for Life - An Antidote to Chaos gratulieren und Sie bei CliffCenteral.com willkommen heissen, nicht zum ersten Mal.

(0:14) - Jordan Peterson:

Thank you very much for the invitation.

Ich danke Ihnen sehr für die Einladung.

(0:01) - Gareth Cliff:

Dr. Jordan Peterson is a professor at the University of Toronto. He is a clinical psychologist, author of this book I just mentioned - 12 Rules for Life. He was born in 1962, has grown up in Canada and came to some acclaim and to my knowledge when he started making a noise in some controversy around the gender pronouns that were forced by law into Canadian society and into common usage. Although I do not think they have picked up much common usage.
The book though, to start there, is about how you can improve your life. About how you can live better. How you can find meaning. Dr. Peterson, there are probably a lot of young people who would benefit from this book.

Dr. Jordan Peterson ist ein Professor an der Universität von Toronto. Er ist ein klinischer Psychologe, Autor des Buches, das ich eben erwähnt habe - 12 Rules for Life. Er wurde 1962 geboren, wuchs in Kanada auf und erntete viel Zustimmung, als er damit begann, seine Stimme zu erheben, in einer Kontroverse, in der es um die gendergerechten Pronomen ging, die gesetzlich in die kanadische Gesellschaft und in die normale Verwendung hineingezwungen wurden. Obwohl ich nicht denke, dass sie bereits grössere Verbreitung gefunden haben. Dadurch wurde Prof. Peterson auch mir bekannt. Im Buch geht es darum, wie man sein Leben verbessern kann. Wie man besser leben kann. Wie man Sinn finden kann. Dr. Peterson, es gibt wohl viele junge Menschen, die von Ihrem Buch profitieren können.

(1:01) - Jordan Peterson:

That is exactly it. I think that young people and our culture took a bad turn in some ways in the 1960s. When it became accepted wisdom, that the appropriate pattern of action for young people who were concerned about making things better was to transform themselves into social or political activists and to follow an ideological route. I think that is an extraordinarily bad idea. I think it is arrogant, first of all. Because it is very, very hard to change complex social systems for the better. Most of the time, when you change them, especially when you do not know what you are doing, you make them worse. The problems, that large social systems have, are extraordinarily complex and intractable.

Genau das ist es. Ich denke, dass die jungen Menschen und unsere Kultur in vielerlei Hinsicht eine schlechte Wendung genommen haben, in den 1960er Jahren. Damals wurde es zur akzeptierten Weisheit, dass das geeignete Betätigungsfeld für junge Menschen, die sich darum sorgten wie man die Dinge besser machen könnte, die Transformation in gesellschaftliche oder politische Aktivisten sei und einem ideologischen Weg zu folgen. Ich finde das eine ausserordentlich schlechte Idee. Zunächst einmal halte ich es für arrogant. Weil es extrem schwierig ist, komplexe, gesellschaftliche Systeme zum Besseren zu verändern. In den meisten Fällen ist es so, dass wenn man diese Systeme verändert, dass sie sich zum Schlechteren verändern, vor allem dann, wenn man nicht weiss, was man tut.

When you are 18, 19, 20 years old, you do not know anything about the world, yet. You have not made your contribution, yet. You have not matured, you have not developed a career, you did not finish your education, you have not repaid society for nurturing you. You do not know anything about history or literature or art, philosophy, politics, economics or how the really complex systems work. You have enough to do to put your own house in order and that is not a trivial thing. It is a very complicated thing, a worthwile and a meaningful thing. That is a much more appropriate place to start. That is at least in part what 12 Rules for Life is about.

Wenn man 18, 19 oder 20 Jahre alt ist, weiss man noch gar nichts über diese Welt. Man hat auch noch nicht das Seinige beigetragen. Man ist noch nicht gereift, hat keine Karriere vorangetrieben, die Ausbildung noch nicht beendet und somit die Kosten, die der Gesellschaft durch das Ernähren und Ausbilden entstanden sind, noch nicht zurückbezahlt. Man weiss auch noch nichts über Geschichte, Literatur, Philosophie, Politik, Wirtschaft oder darüber, wie die wirklich komplexen Systeme funktionieren. Man hat genug damit zu tun, seine eigenen Baustellen in Ordnung zu bringen und das ist keine leichte, einfache Aufgabe. Das ist eine sehr komplizierte Sache, aber eine sehr lohnenswerte und bedeutungsvolle. Das ist der richtige Ort um zu beginnen. Darum geht es zum Teil in 12 Rules for Life.

Anmerkung: Dass Jugendliche Raum für Rebellionen brauchen beim Erwachsen werden, ist unstrittig. Ob die Politik dafür ein sinnvolles Betätigungsfeld ist, ist auch aus meiner Sicht fraglich. Wenn Peterson so despektierlich über das Wissen der jungen Menschen spricht, muss er die in den Schule vermittelten Inhalte wohl auch ziemlich skeptisch sehen. In Sachen Geschichte, Literatur und Philosophie ist man im Leben als Erwachsener eigentlich nicht gezwungen, sich Wissen anzueignen, in der Schule schon, auch wenn man in diesem Alter noch nicht in der Lage ist, selbst zu entscheiden, welche Inhalte man für wie wichtig hält und worauf man vertraut. Auch erwähnt werden sollte die Tatsache, dass die seit den 1930er Jahren in den westlichen Ländern geborenen Menschen zu denen gehören, die ausnahmsweise nicht zu grösseren Teilen in Kriegen verheizt wurden. Auch wenn Prof. Peterson sagt, dass diese Menschen alle noch nichts wissen, muss trotzdem bedacht werden, dass es jeweils die Menschen am Anfang des Erwachsenendaseins sind, die aktiv in Kriegen gekämpft haben.


(2:30) - Gareth Cliff:

Professor. There are probably a lot of things that you and I will agree on. There is this strange thing that is happening within society. An almost cultural Marxism has started to seep into particularly the universities and places where a lot of young people, who do not read history books tend to congregate. I wonder if you have any guiding principles when it comes to morality. I suspect you may have a bent towards the origin being religious. I suppose that that is as good an argument as to say that it is at the center of humanitarianism. What do you think about having a moral code, a value system.

Professor. Möglicherweise sind wir uns in vielen Dingen einig. Es gibt eine seltsame Sache, die gerade in der Gesellschaft abläuft. Nahezu ein Kulturmarxismus hat damit begonnen, vor allem in die Universitäten einzusickern und dahin, wo sich die jungen Menschen versammeln, die keine Geschichtsbücher lesen. Ich bin gespannt, ob sie leitende Prinzipien haben, wenn es um Moral geht. Ich halte es für möglich, dass Sie eine Neigung zu religiösen Ursprüngen haben. Ich vermute, dass das ein ebenso gutes Argument ist, wie zu sagen, dass es hier wirklich um das Zentrum der Humanität geht. Was denken Sie darüber, einen moralischen Kodex zu haben, ein Wertesystem?

(3:10) - Jordan Peterson:

You know, people always think of moral ideas as a terrible form of restriction. That is another part of the modern malaise. But that is not really the case, because a moral system orders the world for you. There are two advantages to that. The first one is, that you do know what to do. You are not always anxious (not to be understood acoustically - remark), frustrated, guilty, nihilistic, ashamed, hopeless and all these things. It provides you with a structure like the walls of your house provide you with protection from the elements. But even more important, it provides you with something to aim up at. This is clearly the case. I have got this affair in 12 Rules for Life, that most of the positive emotions that people feel, that would be the kind of positive emotion that produces the sense of positive engagement in life, are consequences of aiming at something good and then moving towards it. Not accomplishing it, not getting there, but moving towards it. That technically is the psychomotor exploratory system, that is activated when you are engaged in that kind of endeavour. And it is also the system that drugs and like cocaine, amphetamines and so forth activate, the drugs of abuse that people like to take.

Wissen Sie, die Menschen denken von moralischen Vorstellungen stets, dass diese eine schreckliche Form der Einschränkung sind. Das ist ein weiterer Teil der modernen Malaise. Aber das ist nicht wirklich der Fall, denn ein moralisches System ordnet die Welt für einen. Das beinhaltet zwei Vorteile. Der erste ist, dass man weiss, was zu tun ist. Man ist nicht dauernd angsterfüllt (akustisch schlecht zu verstehen - Anm.), verzweifelt, von Schuldgefühlen geplagt, nihilistisch, beschämt, hoffnungslos usw. Es versorgt einen mit einer Struktur ähnlich wie einem die Wände des eigenen Hauses Schutz vor den verschiedenen Elementen bieten. Aber noch wichtiger ist es, dass einem das etwas bietet, wonach man sich ausrichten kann. Das ist eindeutig der Fall. Ich habe diese Sache in 12 Rules for Life, dass die meisten positiven Gefühlsregungen, die sich in den Menschen manifestieren, als Konsequenz davon entstehen, dass man nach etwas Gutem strebt und sich dahin bewegt. Es sind eine Art positive Emotionen, die dadurch entstehen, dass man wahrnimmt, mit positiven Dingen beschäftigt zu sein. Es geht noch nicht um die vollständige Realisierung und das Ankommen dort, sondern um die Bewegung dorthin. Technisch ist es das psychomotorische Erkundungssystem, welches in Gang gesetzt wird, wenn man mit einem solchen Unterfangen beschäftigt ist. Es ist dasselbe System, das auch von Drogen wie Kokain, Amphetaminen usw. aktiviert wird, die Drogen, die von vielem Menschen gerne in missbräuchlicher Weise konsumiert werden.

You need a strict moral system, because it gives you something to aim at. Giving you something to aim at is what produces the positive meaning in life, that offsets all the terror, catastrophe and tragedy. The fact that we are losing touch, let us say, with the wisdom of our past is an absolute catastrophe. Because it leaves people disoriented and without aim. Life is not bearable if you are disoriented and without aim. The catastrophe of life comes well in on you and then people become anxious, depressed and nihilistic. Then the things really get bad, because given enough nihilism and hopelessness you start to get cruel, vicious and vindictive. You see this all the time with the school shooters in the United States. That epidemic of violence. That is a consequence of rebellion and vengefulness motivated by nihilism and hopelessness. It is really not good. These are very serious problems.

Man braucht ein strenges (ich würde sagen, ein stringentes - Anm.) moralisches System, weil es einem etwas gibt, auf das man hinarbeiten kann. Wenn man jemandem etwas gibt, worauf er hinarbeiten kann, ist es das, was einen positiven Sinn stiftet und das kann all den Schrecken, die Katastrophen und die Tragik im Leben kompensieren. Die Tatsache, dass wir gerade sozusagen die Nähe zur Weisheit unserer Vorfahren zu verlieren scheinen, ist eine absolute Katastrophe. Denn es lässt die Menschen desorientiert und ohne Zielsetzung zurück. Das Leben ist desorientiert und ohne Zielsetzung aber nicht zu ertragen. Dann kommt die Katastrophe im Leben über einen und viele Menschen werden angsterfüllt, niedergeschlagen und nihilistisch. Dann werden die Dinge wirklich schlecht, weil man, genügend Nihilismus und Hoffnungslosigkeit vorausgesetzt, brutal, böse und rachsüchtig wird. Man sieht das dauernd mit den Attentätern an Schulen in den Vereinigten Staaten. Diese Epidemie der Gewalt. Das ist eine Konsequenz aus Rebellion und Rachsucht, die von dem Nihilismus und der Hoffnungslosigkeit hervorgerufen werden. Das ist wirklich nicht gut. Es sind sehr ernste Probleme.

I knew these things were a problem when I started writing back in the 1980s about the ideological conflict that was tearing the world apart at that point, which was the democratic, capitalist free market systems versus the Stalinist, Maoist, Communist systems. I was trying to lay out a third way, a path that was not ideological between those two, let us say. More accurately to lay out why the West was correct in its emphasis on individual responsibility and the sovereignty of the individual. This is something we just cannot lose. It is so unlikely that we got that right. Most cultures and most societies are run by collectivist thugs. In the West at least we know (seriously? do we really?) that this is wrong and that the individual should be sovereign. That is individual responsibility, not freedom and impulsivity. I knew there was something wrong. There is definitely something wrong.

Ich wusste, dass diese Dinge ein Problem sind, als ich in den 1980er Jahren damit begann über den ideologischen Konflikt zu schreiben, der damals die Welt zu zerreissen drohte. Es waren damals die demokratischen, kapitalistischen und marktwirtschaftlichen Systeme gegen die stalinistischen, maoistischen und kommunistischen Systeme, die sich gegenüberstanden. Ich versuchte, einen dritten Weg dazwischen auszulegen, der nicht ideologisch war. Genauer gesagt legte ich dar, warum der Westen richtig lag mit der Hervorhebung der individuellen Verantwortung und der Unabhängigkeit des Individuums. Das ist etwas, was wir nicht verlieren können. Es ist so unwahrscheinlich, dass wir das richtig hinbekommen haben. Die meisten Kulturen und Gesellschaften werden (leider) von kollektivistischen Gaunern beherrscht. Im Westen wissen wir wenigstens (tun wir das wirklich? ernsthaft? - Anm.), dass das falsch ist und dass das Individuum souverän sein sollte. Das ist Eigenverantwortung, nicht blosse Freiheit und Impulsivität. Ich wusste, dass da etwas falsch war, ich wusste es definitiv.

(6:31) - Gareth Cliff:

What is wrong with Collectivism? Why do so many people think that the left is a good place to find new ideas? When so many of these ideas are discredited. When there are so many people who disagree with the basic precepts. What is wrong with this? And who is to blame?

Was spricht gegen den Kollektivismus? Warum denken so viele Menschen, dass die linke Seite des politischen Spektrums ein guter Ort ist, um neue Ideen zu finden? Wenn so viele von diesen Ideen diskreditiert wurden? Wenn so viele Menschen dem schon in den Grundsätzen widersprechen. Was ist falsch daran? Und wem ist die Schuld zu geben?

(6:48) - Jordan Peterson:

I think you can lay this at the feet of the universities. I really believe that as much as I hate to say it. Because the universities have been the nesting place, let us say, of the postmodern Neo-Marxists ever since the 1970s and before that to some degree. I mean it was a little bit more understandable in the 1960s when the civil rights struggle was occurring in the United States and you know, society was torn apart by the war between Communism and the West. But now and for the last 30 years the universities, especially the humanities and a fair bit the social sciences have turned radically towards the left. A huge proportion of academics, it is about one in five, identify as Marxists which as far as I am concerned is utterly reprehensible! You cannot identify as a Nazi, but it is (supposedly) okay to identify with one of the most murderous ideologies that have ever plagued mankind. And that can be a badge of pride and honour. And then students are taught that the West is an oppressive capitalist patriarchy, hell-bent on domination, it is basically racist in its fundamental substructure, we are destroying the planet and the economy along with human relationships. All of that ist patently false!

Ich denke, dass man diese Schuld den Universitäten zuschreiben kann. Ich glaube das wirklich und zwar in dem Mass, in dem ich es eigentlich hasse, das auszusprechen. Denn die Universitäten waren stets die Brutstätte der postmodernen Neo-Marxisten seit den 1970er Jahren und zu einem gewissen Grad auch davor. Ich meine, dass das in den 1960er Jahren noch etwas verständlicher war, als es in den Vereinigten Staaten die Bürgerrechtsbewegung gab und man um bürgerliche Rechte kämpfte. Die Gesellschaft war auch durch den Krieg zwischen dem Kommunismus und dem Westen gespalten. Aber aktuell und über die letzten 30 Jahre haben sich die Universitäten, speziell die Geisteswissenschaften, radikal nach links entwickelt. Ein grosser Anteil unter den Akademikern, etwa einer von fünf, identifiziert sich als marxistisch, was aus meiner Sicht völlig inakzeptabel ist! Man kann sich nicht als Nazi zu erkennen geben, aber es scheint in Ordnung zu sein, wenn man sich mit einer der mörderischsten Ideologien identifiziert, die die Menschheit je gequält hat. Und das kann man als ein Kennzeichen des Stolzes und der Ehre tragen. Und dann werden die Studenten gelehrt, dass der Westen ein unterdrückerisches, kapitalistisches Patriarchat sei, das völlig darauf versessen sei, alles dominieren zu wollen, dass er grundsätzlich rassistisch sei, in seiner fundamentalen Struktur, dass wir den Planeten und die Wirtschaft zerstören mitsamt den zwischenmenschlichen Beziehungen. All das ist offenkundig völlig falsch!

The universities have a huge debt on their conscience and they have not straightened out at all at the moment, as far as I can tell.

Die Universitäten haben eine riesige Schuld auf ihrem Gewissen und haben das, soweit ich es sagen kann, nicht in Ordnung gebracht.

(8:22) - Gareth Cliff:

Dr. Peterson. What is the left? Let us explain this. Because there are probably many people who will enter this discussion going on. It sounds like these guys have got a bug up their ass about this thing.
What is the left and how do you see their particular outlook on humanity, society and on structural engineering in terms of societal engineering? How do you see those things in a leftist context?

Dr. Peterson. Was ist die linke Seite? Lassen Sie uns das erklären. Denn möglicherweise werden viele Menschen in die stattfindende Diskussion einsteigen. Es sieht so aus, als wäre bei denen ein Fehler tief eingebaut (keine genaue Übersetzung mangels Verständnis der Redewendung - Anm.).
Was ist die linke Seite des politischen Spektrums und wie sehen Sie im speziellen deren Anschauung bezogen auf die Menschlichkeit, Gesellschaft, auf das strukturelle Planungswesen bezüglich der Gestaltung der Gesellschaft? Wie sehen Sie diese Dinge in einem linksgerichteten Zusammenhang?

(8:50) - Jordan Peterson:

That is a really good question. The first thing we might want to lay out is why there needs to be a left wing at all. There is a real reason for that. There is a book that your viewers and watchers might be interested in. It is called The Great Leveler by Walter Scheidel [5], it is a new book. I really like it. It is an empirical study of inequality. It is a rather terrifying book, because inequality, I write about this in Rule One and throughout 12 Rules for Life, is a really big problem. There is a statement in the New Testament: To those who have everything, more will be given and from those who have nothing everything will be taken [6]. It is called the Matthew principle by economists. The principle is that the spoils tend to disproportionately benefit a small minority. That minority changes quite rapidly. But a minority produces and acquires most goods. It does not matter what the goods are. People have a proclivity to stack up at zero, which is a very bad thing. Because this destabilises the societies and makes them violent.

Das ist eine sehr gute Frage. Zunächst sollte man darlegen, warum es überhaupt einen linken Flügel braucht. Dafür gibt es einen wirklichen Grund. Es gibt auch ein Buch, für das sich unsere Zuschauer und Zuhörer möglicherweise interessieren können. Es heisst The Great Leveler (Der grosse Gleichmacher, nicht auf deutsch erschienen - Anm.) und wurde von Walter Scheidel [5] verfasst, es ist ein neues Buch. Ich mag es sehr. Es ist eine auf den Erfahrungen basierende Studie der Ungleichheit. Es ist ein eher angsteinflössendes Buch, denn die Ungleichheit ist wirklich ein grosses Problem. Darüber schreibe ich auch in Regel Eins und weiteren Stellen im Buch 12 Rules for Life. Es gibt ein Zitat aus dem Neuen Testament: Denn jedem, der hat, wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat. [6]. Das wird von Ökonomen auch das Matthäus-Prinzip genannt. Das Prinzip beinhaltet, dass der 'Reibach' dazu neigt, unverhältnismässig eine kleine Minderheit zu begünstigen. Diese Minderheit wechselt ziemlicih rasch. Aber eine Minderheit produziert und erwirbt die meisten Güter. Es kommt nicht darauf an, was die Güter sind. Und es gibt Menschen, die einen Hang dazu haben mit nichts dazustehen. Das ist eine schlechte Sache, weil sie die Gesellschaften destabilisiert und sie gewalttätig werden lässt.

Marxists like to lay inequality at the feet of capitalism. That is wrong. It is not just a little bit wrong, it is unbelievably wrong. Because inequality characterises every human society that has ever been studied. And also animal societies. Going back as far down the evolutionary pathway you may stretch. That is why I like Scheidel's book as well. He does a couple of things, a historical analysis of inequality in which he shows that it was rampant long before capitalist institutions were formulated. He also does an empirical analysis showing that measures of inequality do not move with the polarity of governments. You might say, well if you looked at all the right wing governments and all from the left wing that ever have been, was inequality lessened on the left? The answer to that is no! And Scheidel concludes from that, that we do not know how to combat the proclivity towards inequality, politically, economically, sociologically or psychologically.

Die Marxisten geben dem Kapitalismus die Schuld für diese Ungleichheit. Das ist falsch. Es ist nicht nur ein wenig falsch. Es ist unglaublich verkehrt. Denn jede menschliche Gesellschaft, die je untersucht wurde, wurde durch Ungleichheit geprägt. Das gilt auch für tierische Gesellschaften, egal wie weit man auf der Zeittafel der Evolution zurückgeht. Auch deswegen mag ich Scheidels Buch. Er macht darin einige Dinge, eine geschichtliche Analyse der Ungleichheit, in der er zeigt, dass die Ungleichheit lange Zeit grassierte, bevor sich kapitalistische Institutionen bildeten. Er macht auch eine erfahrungsbasierte Analyse, die zeigt, dass sich das Mass der Ungleichheit nicht mit der Polarität der Regierungen bewegt. Wenn man alle rechtsgerichteten und linksgerichteten Regierungen betrachtet, die es je gab, kann man sagen, dass mit der linken Seite an der Macht die Ungleichheit abgeschwächt wurde? Die Antwort darauf lautet Nein! Scheidel schliesst daraus, dass wir nicht wissen, wie wir die Neigung zur Ungleichheit bekämpfen können, politisch, wirtschaftlich, soziologisch oder psychologisch.

He identified four factors that reduce inequality and none of them are the sorts of things you would hope to have happened. War, revolution and epidemics were three of them and the fourth one is in the same category. Catastrophes produce leveling. But no intelligent, sociological transformations appear to put much of a dent in it. Let us say, the problem is inequality, it looks unfair on the surface. But inequality is the default setting in nature, that is exactly right. What is the problem with that? It produces a fair bit of obvious suffering. Nobody is happy walking down the streets seeing homeless people who are suffering. Psychologically this is hard on you. It is hard on the stability of the society. Nobody likes the fact that there are people suffering in poverty. That motivates a fair bit of compassion, genuine compassion, that drives the genuinely caring people on the left. There is going to be a left, which is always trying to stand up for the people who stack up at zero on whatever the distribution happens to be. Fair enough, the working class needs a voice, it needs a political voice.

Er hat vier Faktoren ausgemacht, welche die Ungleichheit reduzieren. Es sind solche, die man sich nicht herbeiwünscht. Krieg, Revolution und Epidemien waren drei davon und auch der vierte gehört zur selben Kategorie. Katastrophen stellen Gleichheit her. Aber es scheint nicht so, das irgendein intelligenter, soziologischer Wandel da viel ausrichten kann. Lassen Sie uns sagen, dass die Ungleichheit das Problem ist, an der Oberfläche sieht das ungerecht aus. Aber die Ungleichheit ist die übliche Einstellung der Natur, das ist genau richtig. Was ist das Problem daran? Das ruft eine beträchtliche Menge an offensichtlichen Leiden hervor. Keiner ist glücklich, wenn er der Strasse entlanggeht und obdachlose Menschen sieht, die leiden. Das bedrückt einen psychologisch und es gefährdet die Stabilität der Gesellschaft. Niemand mag die Tatsache, dass es Leute gibt, die unter ihrer Armut leiden. Das ruft eine Menge an Mitgefühl aus, echtem Mitgefühl, das die wirklich fürsorglichen und einfühlsamen Menschen auf der linken Seite antreibt. Es muss also eine linke Seite geben (Peterson war selbst einmal in einer sozialdemokratischen Partei aktiv - Anm.), die stets versucht, für die Menschen aufzustehen, die mit nichts dastehen, wie immer die Verteilung aussieht. Es ist auch verständlich, dass die Arbeiterklasse eine Stimme braucht, eine politische Stimme.

The problem is, that all the motives on the left are far from pure. It is not like, all the saints stack up on the left and all the sinners stack up on the right. That is not how it works. The left also tends to become pathologised by a hatred of the successful rather than by compassion for the poor.

Das Problem ist, dass all die Motive auf der linken Seite nicht mehr wirklich rein sind. Es ist nicht so, dass man sagen kann, links befinden sich alle Heiligen und rechts sind die Sünder aufgereiht. So geht das nicht. Die linke Seite neigt dazu, durch einen Hass auf die Erfolgreichen pathologisiert zu werden, als durch das Mitgefühl für die Armen.


[1] Gareth's Guests - Dr. Jordan Peterson. CliffCentral.com, 15. März 2018 http://cliffcentral.com/gcs/gareths-guests/dr-jordan-peterson/
[2] Jordan Peterson is Gareths guest on CliffCentral South Africa. Dose of Truth YouTube Kanal, 15. März 2018
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Gareth_Cliff
https://twitter.com/GarethCliff
[4] 12 Rules for Life - An Antidote to Chaos. Dr. Jordan B. Peterson, 2018, Random House Canada
https://www.amazon.com/dp/0345816021/ref=cm_sw_r_tw_dp_U_x_4MJUAb9C2PTH0
[5] The Great Leveler: Violence and the History of Inequality from the Stone Age to the Twenty-First Century (The Princeton Economic History of the Western World). Walter Scheidel, 2017, Princeton University Press https://www.amazon.com/dp/0691165025/ref=cm_sw_r_tw_dp_U_x_Zl6UAb7XQPK61
[6] Matthew 25, 29-30 (KJV): 29 For unto every one that hath shall be given, and he shall have abundance: but from him that hath not shall be taken away even that which he hath.
30 And cast ye the unprofitable servant into outer darkness: there shall be weeping and gnashing of teeth.
https://www.bibleserver.com/text/KJV/Matthew25
Matthäus 25, 29-30 (NGÜ): 29 Denn jedem, der hat, wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat. 30 Doch diesen unnützen Diener werft in die Finsternis hinaus, dorthin, wo es nichts gibt als lautes Jammern und angstvolles Zittern und Beben.
https://www.bibleserver.com/text/NG%C3%9C/Matth%C3%A4us25
[7] The Road to Wigan Pier. George Orwell, 1937; Harcourt, Brace and Company, New York. Book in English: https://archive.org/details/roadtowiganpie00orwe Audio-Book in English: https://archive.org/details/TheRoadToWiganPier
https://en.wikipedia.org/wiki/The_Road_to_Wigan_Pier
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Weg_nach_Wigan_Pier
[8] https://en.wikipedia.org/wiki/Khmer_Rouge
https://de.wikipedia.org/wiki/Rote_Khmer


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Gute Wahl, dass du nun auch Jordan Peterson übersetzt! :) Sein Buch "12 Rules for Life" - habe ich mir kürzlich angehört und es steckt sehr viel an Wahrheit und Wissen darin. Interessant finde ich auch, wie er ständig zwischen rationalen, wissenschaftlich fundierten Aussagen und Zitaten aus der Bibel wechselt. Eine vergleichbare Kombination ist mir sonst noch bei keinem Autor untergekommen.

Danke für den Kommentar!
Ich habe schon einige Male was von Peterson gebracht, u.a. auch das lange Interview mit Stefan Molyneux über sein erstes Buch - The Architecture of Belief.
Er erzählt auch immer wieder ähnliches, bei diesem Interview gibts ein paar neue Dinge. Ich hoffe, die beiden übrigen Teile auch rasch zu veröffentlichen.

Mit der Mischung aus zeitgenössischer Wissenschaft und alten Geschichten hat er schon ein ziemlich interessantes Feld gefunden. Er ist also jemand, der sehr evolutionär denkt, das entspricht auch mir eher als revolutionäre Ansätze. Natürlich gibt es ab und an Veränderungen, die ganz grundsätzlicher Natur sind. Trotzdem haben viele althergebrachte Dinge ihre Bedeutung, die auch durch neue Forschung nicht ausser Kraft gesetzt wird und vielleicht sogar in einem neuen Licht erscheint.

Achso, deine bisherigen Posts über J. P. habe ich bislang nicht gesehen, ich werde sie mir noch anschauen.
Falls du es nicht kennst, dann könnte dich auch sein Interview mit Channel 4 News interessieren, da fand ich es sehr bemerkenswert, wie schlagfertig er auf die Angriffe der Moderatorin reagiert hat.

Ja, absolut! Und durch diese Verbindung von Altem und Neuem lassen sich bestimmt noch viele bisher unbekannte Zusammenhänge entdecken und erklären.

Hallo saamychristen
Glückwunsch
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Tut mir leid, das passt nicht hierher.
Im Wiederholungsfall greife ich auch zur Flagge. Ich bin nicht da, um mit verschwindend geringer Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, sondern um zu (er)arbeiten. Noch dazu ist nicht klar, wohin der Link führt.

flaggen und steemcleaners melden. Hinter dem Link verbirgt sich ziemlich sicher Malware.

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