Mein Geschichtsverständnis 1

in #deutsch6 years ago (edited)

Guten Morgen liebe Steemer!
Heute möchte ich eine neue Reihe starten. Diesmal über mein Geschichtsverständniss und alles was mir so zum Thema Geschichte durch den Kopf geht. Mir ist natürlich klar, dass ich hier meine Gedanken niederschreibe. Daher, sollte etwas unklar sein, keinen Sinn ergeben usw., einfach in die Kommentare hineinschreiben. Dumme Fragen gibt es ja bekanntlich nicht, nur dumme Antworten :)

Ansonsten, wie immer, viel Interesse beim Lesen!

Mein Geschichtsverständnis

Teil 1

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Was ist Geschichte? Was der Unterschied zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsschreibung? Wozu braucht man das? Braucht man das überhaupt? Gibt es eine Theorie der Geschichte?

Ich für meinen Teil bekenne gleich, ich liiiiiiiiiiiiiiebe Geschichte!
Kurz zur Etymologie. Das Wort Geschichte leitet sich von geschehen her. Es hat die Bedeutung von „etwas Geschehenes“, „etwas Gewesenes“, aber auch im Sinne von Erzählung. Diese Bedeutungen führten dann auch zur Benennung der Wissenschaft im Sinne von „etwas erzählen das gewesen ist“, eben die Wissenschaft von dem was war.
Damit ist auch der Rahmen abgesteckt, in dem sich die Thematik bewegt. Es geht um das Vergangene! Nicht um die Gegenwart, nicht um die Zukunft, sondern nur um das auf das wir keinen Einfluss mehr haben.
Ich finde diesen Punkt extrem wichtig, und möchte kurz erklären warum.

Von den Historiographen (Geschichtsschreibern) früherer Jahrhunderte und Jahrtausende bis herauf zur modernen Geschichtswissenschaft hat man immer wieder versucht das Gewesene zu interpretieren, zu deuten. Das Geschehene in einen Kontext zu stellen. Das ist zwar legitim, wirft allerdings einige Probleme auf. Von Ranke stammt das Zitat: „Jede Epoche ist unmittelbar zu Gott.“ Er meinte damit, dass jede Epoche „nur“ für sich zu betrachten sei, ohne Vorgeschichte, ohne Nachwirkungen.
Zum Teil ist das auch richtig! Denn jede Epoche hat seinen ganz eigenen Charakter. Ohne diesen zu kennen, kann man unterschiedliche Epochen gar nicht verstehen. So waren z.B. für die alten Griechen Philosophie und Logik von zentraler Bedeutung gewesen, bei den Römern waren es Recht und Tradition Im Mittelalter war es der Glaube und Ethik, in der frühen Neuzeit Staat und Vernunft. Heute ist es das Geldverdienen und die Machbarkeit (und so wie alles läuft, dürfte das wohl auch noch längere Zeit der Grundtenor bleiben).
Und jede Epoche hat auch seinen ihr eigenen Wert! Den dieser Grundtenor bringt eben auch viel Positives hervor, solange, bis es ausgereizt ist und etwas Neues von Nöten ist.
Und dennoch. Jede Epoche baut unweigerlich auf der voran gegangenen auf, und dient zugleich als Fundament für die nachfolgende Epoche.
Wir können also das SEIN einer Epoche nicht ändern. Was wir allerdings tun können, und auch fleißig tun, ist, die Deutungen zu ändern.

Wir haben das Problem in der Geschichte, dass das Meiste von dem was in den Geschichtsbüchern steht „nur“ Interpretationen sind. Wir neigen nämlich dazu, unsere Version für die reine Wahrheit zu nehmen. Unseren Grundtenor für den einzig wahren zu halten. Dadurch glauben wir auch, wir könnten vergangene Taten quasi umschreiben, eine neue Wirklichkeit schaffen. Das hat viel mit Marx, Nietzsche, dem Konstruktivismus und der Erkenntnistheorie nach Popper zu tun.
[Ich möchte auch anfügen, dass ich es für eine intellektuelle und ethische Bankroterklärung halte, einerseits die Geisteswissenschaften abzuschaffen, und andererseits die Politik mit der Geschichte zusammen zu legen!]
Doch das ist fundamental falsch!
Wieso?

Ich habe in einem früheren Post über Ideologien das Beispiel vom Schlüssellochblick gebracht und möchte dieses nochmal aufgreifen.
Denken wir uns einen Raum mit vier Wänden, an jeder Wand eine Tür, in der Tür ein Schloss und in jedem Schloss ein Schlüsselloch. Jede Deutung gleicht einem Blick durch eines diese Schlüssellöcher. Und obwohl jeder etwas anderes sieht, sehen alle doch das Gleiche. So hat jede Version Recht und Unrecht zugleich. Die Lüge und Desinformation lassen wir mal außen vor!
Das würde dann auch erklären warum man sich über Geschichte so trefflich streiten kann.
Will man also vom Raum sprechen, reicht der Blick durchs Schlüsselloch nicht aus. Auch andere Blickwinkel zu verneinen, oder gar zu unterdrücken, ändert an dem je geschehenen gar nichts!
Damit will ich nicht sagen, man sollte das Interpretieren sein lassen, nein. Doch man sollte sich bewusst machen, dass, wenn man interpretiert nicht erklärt. Denn normalerweise baut man eine Theorie anhand von Fakten auf. In der Geschichtswissenschaft tun wir heute allerdings oft das Gegenteil. Wir bauen uns eine Theorie und nehmen dann nur Fakten hinein welche unsere Theorie stützen. Alles andere ist dann halt vernachlässigbar.
Wir blicken durch ein Schlüsselloch, was wir sehen beschreiben wir und den restlichen Raum denken wir uns dazu. Was die anderen drei durch ihr Schlüsselloch sehen ist dabei egal. Ich muss nur schaffen das meine Ansicht von den meisten geteilt wird, vor allem von den meisten Politikern, und schon ist meine Sicht die bestimmende. Der Blick durch die anderen drei Schlüssellöcher wird dann nur mehr im besten Fall egal sein, im schlimmsten wird er unter Strafe gestellt (was ja auch heute in Form von Tabus und Freiheitsstrafen tatsächlich traurige Realität ist!).
Nur führt das halt zu nichts. Ist eine Geschichte fehlerhaft kann man seine Fehlerhaftigkeit nicht dadurch ändern das man selbige einfach ignoriert. Da es sich um eine vergangene Handlung handelt, ist sie überhaupt nicht zu ändern.

Was also könnte man tun?
Das was war annehmen so wie es war! Und hier trennt sich auch die Spreu vom Weizen. Denn, hat man tatsächlich etwas übrig für ein Thema. Will es ergründen, verstehen, so wird man auch den Teil davon annehmen der einem zuwider ist.
Ich denke, wenn man sich mit einem geschichtlichen Thema oder der Geschichte im Allgemeinen befasst, sollte man zuerst verinnerlichen, dass der Gegenstand so ist wie er ist. Manchmal schön, manchmal schirch.
Ob es einem passt oder nicht!

Vielen Dank für euer Interesse!

Parzifal

Sort:  

Ich Sitze gerade eh in der Vorlesung und hab nichts zu tun. Danke das du mir gutes Lesefutter gegeben hast.

Wo hast du den das Bild gemacht? Mir kommt die stelte Bekannt vor

Bitte.

Burgruine Karlstein, Berchtesgaden. Blick in die Süd-West Ecke des, glaube ich, Innenhofes.
Steiler Aufstieg, allerdings zusammen mit St. Pankratz auf dem Nachbarfelsen absolut sehenswert!

Wusst ichs doch, es schon ewig her das ich da oben war. Der Thumsee nebendran ist auch sehr schön.

Stimmt! Da hab ich dann auch noch vorbei geschaut :)

Der Unterschied zwischen Geschichtsschreibung und "Geschichtswissenschaft"?
Ganz einfach: Es gibt keine Geschichtswissenschaft, auch wenn sie ständig so tut, als existiere sie.

Der Idealist in mir rebelliert da grade gewaltig!
Der Realist lacht sich gerade krumm :)

Die so bezeichneten Geisteswissenschaften wissen um ihre Unwissenschaftlichkeit im Sinne von "messen, vergleichen, überprüfen, berechnen". Törichterweise versuchen sie dies durch die Übernahme quantitativer und allg. pseudonaturwissenschaftlicher Methoden zu kompensieren.
Absolut putzig.
Nichtsdestotrotz sind sie die bezahlten und größtenteils verbeamteten Mätressen der jeweils herrschenden Macht, die dem Publikum erklärem, warum alles genauso so kommen musste, wie es gekommen ist und warum es das Höchste ist, was die Geschichte bisher zustande gebracht hat.

Ich krieg da jedes Mal regelrechte Lachanfälle, v.a. weil sie sich wahnsinnig wichtig nehmen.

Würden sie ihre eigene "Wissenschaft" mal "historisch" bzw. historiographisch aufarbeiten, wüssten sie, welch aussichtloses und eitles, wenn auch äußerst unterhaltsames Unterfangen sie sich auf die Fahnen schreiben.

Man halte sich fern von Geisteswissenschaftlern seiner Zeit!

Das würde ich so nicht behaupten.

Ich gebe dir völlig recht das naturwissenschaftliche Methoden in Geisteswissenschaften Quatsch sind. Wäre das Angebracht wären es ja NAturwissenschaften und keine Geisteswissenschaften.
Zu meinen, Geisteswissenschaften wären per se Quatsch, nur weil man sie gerne für nieder Zwecke ausbeutet, führt dazu das man ihre Bedeutung nachhaltig unterschätzt!

Es gibt dazu auch ein schönes technisch-naturwissenschaftliches Gegenbeispiel, den technologischen Imperativ. Dieser sollte regeln wie Techniker und Wissenschafter mit ihrem Wissen umgehen sollten.
Ein Beispiel, erneuerbare Energien.
So wie die BRD ihre ANsprüche auslebt, funktioniert es. Keine Frage. Soll man das so machen? Glaubt irgendjemand wirklich das euch das alles nicht enorm auf die Zehen fallen wird? Stcihwort Netzstabilität? Immerhin leiden eure NAchbarstaaten stark unter der Expansion der Erneuerbaren Energien weil die Schwankungen in eurem Stromnetz ständig ausgeglichen werden müssen, und das kostet massiv Geld.
Die Frage ob man das so machen soll oder nicht ist allerdings keine technische Frage. Denn da es funktioniert, ist es technisch umsetzbar!

Allein, ob man es sollte ist eben keine technische, sondern eine geisteswissenschaftliche Frage!
Weitere schöne Beisüpiele wären: Syrien, Euro, Ukraine, Pensionen (bei euch Renten genannt), Medizin, Finanzsystem, der kleine aber feine Unterschied zwischen Geldschöpfung und Wertschöpfung, oder, das die ehemaligeFrau Landeshauptmann von Salzburg ungeschoren davon kommt, obwol sie es geschafft hat das ganze Bundesland innerhalb von nur zwei Legislaturperioden zu ruinieren.

Die Frage bei all diesen Punkten ist nicht ob man kann was man kann. Denn ganz offensichtlich kann man!
Die Frage ist, soll man?

Zum Unterschied von Historiker und Historiograph komme ich übrigens im nöchsten Teil.

Und auch zur Geschichte gibt es schöne Gegenbeispiele, z.B. die Konstantinischen Fälschungen, die Tatsache das die Protestanten den 30jährigen Krieg vom Zaun gebrochen haben und ihn auch eskalieren haben lassen oder das in 300 Jahren Hexenverfolgung in etwa soviele Tote wie in der Schlacht von Borodina 1813 an einem Tag zu beklagen waren :)

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Und jede Epoche hat auch seinen ihr eigenen Wert! Den dieser Grundtenor bringt eben auch viel Positives hervor, solange, bis es ausgereizt ist und etwas Neues von Nöten ist

Das ist in der Tat eine universelle Wahrheit, jede Epoche, jedes System hat ein Ablaufdatum, die sollten sich jene Gelehrten hinter die Ohren schreiben die glauben mit der Moderne seien wir am Ende der Geschichte angekommen.

Danke für den Kommentar.
Sehe ich genauso!

Wikipedia meint:

Unter Geschichte versteht man im Allgemeinen diejenigen Aspekte der Vergangenheit, derer Menschen gedenken und die sie deuten, um sich über den Charakter zeitlichen Wandels und dessen Auswirkungen auf die eigene Gegenwart und Zukunft zu orientieren.[1]

Im engeren Sinne ist Geschichte die Entwicklung der Menschheit, weshalb auch von Menschheitsgeschichte gesprochen wird (im Unterschied etwa zur Naturgeschichte). In diesem Zusammenhang wird Geschichte gelegentlich synonym mit Vergangenheit gebraucht. Daneben bedeutet Geschichte aber auch die Betrachtung der Vergangenheit im Gedenken, im Erzählen und in der Geschichtsschreibung. Forscher, die sich der Geschichtswissenschaft widmen, nennt man Historiker.

Schließlich bezeichnet man mit Geschichte auch das Schulfach Geschichte, das über den Ablauf der Vergangenheit informiert und einen Überblick über Ereignisse der Welt-, Landes-, Regional-, Personen-, Politik-, Religions- und Kulturgeschichte gibt.

Darum ist Dein Schreibfehler im ersten Absatz:

dass ich bier meine Gedanken niederschreibe.

auch schon wieder Geschichte, hehe

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Mit lieben Grüssen aus der sonnigen Karibik!
Abenteuer und Reiseberichte aus der Dominikanischen Republik.

Danke! Ist ausgebessert :)

Zur Wikipedia als Info:
Wenn du bei uns in Salzburg Wikipedia zitierst schnmeißt dir der Proffessor die Arbeit zurück und du kannst sie neu schreiben!
Bei historischen Themen große Vorsicht bei Wikipediaartikeln!

haha zum Glück bin ich hier in Santo Domingo, da kennt 99.9% Wikipedia niemand!

Schönes Beispiel mit dem Schlüssellochblick, lässt sich auch ganz gut mit einem Puzzleteil erklären. In der heutigen Zeit gibt es jede Menge Schlüssellöcher oder Puzzleteile die das Bild gezielt verfälschen. Hat man allerdings genügend Puzzleteile zusammengesetzt, fällt es einem nicht mehr schwer zu erkennen welche Teile ins Bild passen und welche nicht 😉

Stimmt!
Man braucht "nur" die Nerven und die Ausdauer das Puzzle soweit zusammen zu setzen :)

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