Als die Kühe noch Hörner hatten

in #deutsch5 years ago

Heute nehme ich euch mit auf den Bauernhof, auf dem ich aufgewachsen bin. Ich schreibe diesen Artikel mit einer gewissen Wehmut, denn wie es so ist, die Großen schlucken die Kleinen. So erging es auch vor Kurzem diesem Hof, die Kühe wurden abgeholt und der Stall, in dem seit 4 Jahrhunderten verschiedene Tiere ihr zu Hause hatten, steht jetzt leer.

So sah es noch zu meinen Zeiten im Stall aus - ein Bild aus der Zeit, als die Kühe noch Namen und Hörner hatten.

stall.jpg

Kurz vorher waren sie noch draußen auf der Weide und damit ihnen der Heimweg leichter viel, haben wir etwas Gras, dass jeden Tag frisch gemäht wurde, schon mal bereit gelegt. Wie man sieht, schmeckt es den Damen.

Draußen war auch jede Menge Platz, frische Luft und Sonne.

Kuh.jpg

Ok, Sonne gab es nicht jeden Tag. Ich denke aber, so mancher Kuh wäre heute ein Regentag draußen lieber, als wieder ein Tag im Stall. Unsere sind zumindest bei jedem Wetter gerne raus. Die Arbeit machen sich die "großen" heute meistens nicht mehr.

Die jungen Kühe waren in einem Waldstück in der Nähe des Hofes untergebracht. Im Frühling war das gar nicht so einfach, sie vom Stall zum neuen Platz zu bringen. So manche Jungkuh ist uns abgehauen und es war oft eine Rennerei, sie in die richtige Richtung zu leiten.

Diese beiden Damen haben zumindest den Stadl am Waldrand gefunden und sind mit der neuen Unterkunft, auch wenn es vielleicht nicht so komfortabel aussieht, zufrieden.

Stadl.jpg

Rundherum war viel Platz, Futter und Wasser. Sommerurlaub all inklusive sozusagen.

Kleine Rückschau

Bei meinem Großvater wurden die Wiesen zwei mal im Jahr gemäht und Heu daraus gemacht, Silage kannte man noch nicht. Mein Vater hat dann begonnen, drei mal zu mähen, bei meinem Bruder wurde teilweise ein vierter Schnitt gemacht. Das ist wenig, normal sind heute bis sechs Mal im Jahr, habe ich mir sagen lassen.

Zu Großvaters Zeiten war man den ganzen Sommer damit beschäftigt, die Wiesen zu mähen und das Heu einzubringen. Bei meinem Vater waren es 6 Wochen, mein Bruder schaffte es in 3 Tagen und die letzten Jahre sogar in 3 Stunden. Na ja, etwas länger vielleicht - an einem Nachmittag war es aber erledigt.

Eine Kuh gab bei uns zwischen 15-20 Liter am Tag, heute sind es 30 Liter und mehr.

Das verrückte ist, die Maschinen sparen viel Arbeit und die Kühe geben dazu noch mehr Milch. Trotzdem lohnt es sich für einen kleinen Hof nicht mehr weiterzumachen. Immer mehr und immer billiger soll es sein. Nur die größeren können da noch mithalten und die kaufen oder pachten die kleinen dann auf.

Damit verschwinden immer mehr Höfe, auf denen die Tiere noch halbwegs artgerecht Leben durften.

Dass ich sehr traurig über diese Entwicklung bin, könnt ihr euch sicherlich vorstellen. Ich schimpfe dabei nicht auf die großen Höfe, leichter ist es für die auch nicht geworden und es gibt auch welche, die ihren "Job" ordentlich machen.

In den 70er Jahren hatten wir in Deutschland über eine Million Bauern, heute sind es unter 300.000 und nur noch 180.000 halten Tiere - wobei die genutzten Flächen und Tierbestände in etwa gleich geblieben sind. Quelle: wikipedia

Die Bilder sind von meinen alten Dias abfotografiert und stammen aus den 80er Jahren, könnten aber auch genau so gut erst vor ein paar Wochen entstanden sein. An der Tierhaltung hat sich im laufe der Zeit nicht viel verändert, denn die Bedürfnisse der Tiere sind schließlich auch die gleichen geblieben.

Wie immer und heute ganz besonders...

Sort:  

Danke für deinen tollen Artikel.
Schade, dass die kleinen Betriebe immer mehr zurückgehen.
Diese Bauern kümmern sich noch sehr intensiv um ihre Tiere.
Die Fotos sind gut geworden.
Hast du ein spezielles Gerät, um die Dias abzufotografieren?
Viele Grüße.

Die Dias sind direkt von der Leinwand abfotografiert, etwas unscharf und vignettiert. Für den Beitrag war es aber ganz ok, sie sehen dadurch auch etwas nostalgisch aus, wie ich finde.
Freut mich, dass du vorbeigeschaut hast.

Hallo @michelangelo3 in den siebziger waren die meisten Landwirte finanziell gesund heute sind viele Knecht im eigenen Stahl.
Heute Morgen haben wir noch einen Stall lehr gemacht es ist jedes mal bedrückend .
Es Startete in den Achtziger mit der Abschlachtprämie
Das vielleicht einzige Sinnvolle Instrument das Milchkontingent wurde abgeschafft.
Guter Post 🐮
VgA

Hey atego,
hab grad deinen Artikel gelesen, da graut es einem schon. Zum Glück sahen wir noch die Kühe als Kühe und nicht als "Produktionseinheit". Irgendwo hab ich mal gehört, so wie wir mit den Tieren umgehen, wird in Zukunft mit den Menschen umgegangen. Dran hat mich dein Artikel erinnert, von der "Produktionseinheit" Mensch sind wir vielleicht gar nicht mehr soweit entfernt.
Bei Demeter-Milch dürfen die Kühe übrigens noch ihre Hörner behalten, da ist ein Hof ganz in meiner Nähe. Schön, wenn mach noch solche Tiere auf der Weide zu sehen bekommt.
Weil dein Artikel schon älter ist, hab ich dir hier ein Upvote verpasst ;-)
Danke für deinen Kommentar.

Es freut mich jedes mal wenn ich solche Post lese wir haben seit Anfang 80 zirka 200 Kunden durch Aufgabe verloren mit dem Größer werden der Betriebe fing das Preisdammping an .
Als ich das erste mal das Wort Lebenstagsleistung

(Hier geht es nicht nur um die absolute Leistungshöhe einer Milchkuh per se, sondern zusätzlich auch um den Faktor Zeit. Die Lebenstagsleistung stellt die gesamte erbrachte Milchleistung je Kuh in Bezug auf ihr Alter dar (=Lebensleistung/Lebenstage). Dabei werden sowohl die Aufzucht- als auch die Trockenstehphasen mit in der Berechnung berücksichtigt) wurde mir schlecht,
bei diesen Berechnungen steht das Tier hinten an statt es im Vordergrund zu haben .
Solange es Geiz ist geil heist , wird und muss das Tier hinten anstehen
VgA

Vielen Dank für diese Ausführungen!
Dazu passend:
https://steemit.com/deutsch/@stayoutoftherz/was-ist-hornmilch
Würde mich sehr interessieren, was Du als Experte von den Aussagen im Artikel hältst.

Sehr interessanter Artikel. Bin da allerdings kein Experte, ich war bei so einer Prozedur noch nicht dabei und hab erst in deinem Beitrag gesehen, wie so eine Enthornung von Statten geht. Da stellt es mir, wahrscheinlich wie den meisten hier, auch die Haare auf.

Ob Hornmilch grundsätzlich besser oder gesünder ist? Denke wenn die Herstellung eines Lebensmittels in irgendeiner Form mit Leid und Schmerz verbunden war, ist das nie gut. Die Enthornung sehe ich deshalb auch entsprechend kritisch. Und natürlich kommt es auch auf das ganze Leben an, ob die Kühe draußen sein können etc.

Hab hier grad noch einen Artikel dazu gefunden.

Geschmacklich merke ich bei Vorzugsmilch den größten Unterschied. Da ist noch Leben drin, hält auch nur 4 Tage. Vielleicht kommt das langsam, in einem der größten Supermärkte in der Gegend kann man sie seit einiger Zeit kaufen. Rohmilch heißt übrigens die Milch direkt ab Hof gekauft, im Handel wird sie als Vorzugsmilch bezeichnet. Etwas verwirrend, beides ist das Gleiche, bei Vorzugsmilch gelten nur zusätzliche Bestimmungen, das ist alles.

Bin auch ganz deiner Meinung, dass in der Natur alles seine Funktion hat. Interessant finde ich den Zusammenhang mit Allergien. Da glaube ich grundsätzlich, sind regionale Lebensmittel, speziell Honig, eine gute Vorbeugung.

Auch meine ich, dass uns übertriebene Hygiene nicht gut tut. Wenn ich dran denke, nach dem Melken wurde bei uns die Milch in einen großen Trichter geschüttet an dem unten ein Filter war. Darin haben sich so manche Heustücke und anderes Kleinzeug gesammelt, auch Fliegen haben sich mal verflogen. Also, das war schon ein kleines Biotop ;-) Groß gedacht haben wir uns dabei nichts, auch z.B. die Karotten hab ich gern frisch aus dem Boden gezogen, nur kurz abgewaschen und gleich verspeist. Mein Immunsystem hatte in meiner Kindheit bestimmt nicht zu wenig zu tun. Ein "zu wenig" wird übrigens als mögliche Ursache für Autoimmunerkrankungen gesehen - so hieß es zumindest in einer Doku auf Arte.

Hey, sehe deinen Beitrag gerade durch @schlunior's Resteem.

Erinnert mich an meine Kindheit. Bin auch auf dem Land aufgewachsen, Kühe gab es bei uns auf dem Hof aber schon seit den 50er Jahren nicht mehr. Meine Tante hatte aber welche und dort haben wir gerne mal Urlaub gemacht. Da war es auch noch genau so wie du es beschreibst. Ich erinnere mich gerne an diese Zeit zurück... Ja und nach der Wende wurde dann eine große Agrargenossenschaft im Dorf gegründet und die Kühe mussten dahin.... Glaube, die haben auch nie wieder Wiese gesehen... :-/ Ich weiß noch, die Kuh ganz vorn am Stalleingang hieß Lilo.... werde ich wohl nie vergessen...

Wenn ich dran denke, nach dem Melken wurde bei uns die Milch in einen großen Trichter geschüttet an dem unten ein Filter war. Darin haben sich so manche Heustücke und anderes Kleinzeug gesammelt, auch Fliegen haben sich mal verflogen. Also, das war schon ein kleines Biotop ;-)

Ooohjaa, die ganz frische Milch hat doch am allerbesten geschmeckt :D

Ich freu mich echt immer noch, wenn ich mal irgendwie ein paar Kühe auf der Weide sehe...

Ist auch ein schönes Bild, aktuell auch (noch) nicht so selten in meiner Gegend. Vom Landkreis gibt es eine kleine Prämie, wenn man seine Kühe nach draußen lässt. Um so mehr Tiere, um so schwieriger wird das natürlich.

Musste oft am Nachmittag die Kühe von der Weide holen. Einmal gerufen kamen sie auch schon und ich brauchte nur den Zaun öffnen. Sie kannten den Weg und sind brav und gemütlich zum Hof gewatschelt. Lang ist´s her...

Super Story und toll so aufgewachsen zu sein. Wenn auch nur für ein Jahr, kenne ich das Leben auf dem Land auch noch etwas und hatte damals auf einem kleinen Hof mit vl. 50 Kühen ausgeholfen (hatten auch alle Namen, Töchter immer selben Anfangsbuchstaben der Mutter, ich fand nur das Leben der Bullen nicht so doll in der dunklen Scheune bis zur Verladung, die der Horror war) Lebte da für zwei Sommer, morgens alle immer auf die Weide und jeden Abend rein, zusammen mit Axel dem Altdeutschen Schäferhund und Plastikknüppel. Alleine Trekker aufs Feld und durchs Dorf fahren mit 14 war toll.
Heuernte hab ich auch mitgemacht, viel gesehen in den Monaten. Das Dorf hatte nur 60 Einwohner (Rundling). Alle Kinder von 8-14 haben (auch notgedrungen) zusammen gespielt. Wir haben oft alle Lampen ausgetreten (Sicherungskasten) Das ganze Dorf dunkel zu kriegen, hat großen Spaß gemacht. Alle Stadtkinder sollten mal ein, zwei Sommer auf dem Land leben :)

Alle Stadtkinder sollten mal ein, zwei Sommer auf dem Land leben :)

Wäre bestimmt eine interessante Erfahrung. Wobei es in der Zeit für mich oft gar nicht so "cool" war, am Hof zu helfen. Ab 15 bin ich dann schon losgezogen, in der Stadt war einfach mehr los als bei den "Landeiern" ;-)
Hat beides seine Berechtigung.

Das stimmt und der einzige 16 jährige im Dorf war auch immer mit Moped weg.

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Vielen dank für deinen Artikel. Schön, dass er auf der BC erhalten bleibt, in einigen Jahren kennt kein Kind mehr eine Kuh, geschweige denn Hörner! Lieben Gruß Kadna

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schöner aber auch trauriger bericht......hast du gut rübergebracht...

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Super Beitrag. Ich bin ja nicht automatisch für "Früher war alles besser", aber Vieles schon. Zum Beispiel unser Verhältnis zur Natur und unser Umgang mit ihr. Das wäre etwas, was Kinder heute vermissen... LGG

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